DIE MEISTERSINGER VON NÜRNBERG
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Staatsoper
25.11.2012

Dirigent: Simone Young

Hans Sachs - James Rutherford
Sixtus Beckmesser - Adrian Eröd
Veit Pogner - Ain Anger
Fritz Kothner
- Boaz Daniel
Kunz Vogelsang - Benjamin Bruns
Konrad Nachtigall - Nikolay Borchev
Balthasar Zorn - Pavel Kolgatin
Ulrich Eißlinger
- Michael Roider
Augustin Moser - Peter Jelosits
Hermann Ortel - Marcus Pelz
Hans Schwarz - Alfred Sramek
Hans Foltz
- Andreas Hörl
Walther von Stolzing - Johan Botha
David - Norbert Ernst
Eva - Christina Carvin
Magdalena - Zoryana Kushpler
Nachtwächter - Alexandru Moisiuc


Ein Sachs der leisen Töne

(Dominik Troger)

Die Wiener Staatsoper spielt nach fast fünf Jahren wieder einmal Richard Wagners „Die Meistersinger von Nürnberg“. Mit einer Wiederaufnahme und neuem Programmheft wurde die aus dem Jahre 1975 stammende Produktion von Otto Schenk (Ausstattung: Jürgen Rose) „aufgefrischt“. Besprochen wird die 2. Aufführung dieser Serie.

Als langjähriger Staatsopernbesucher ist man mit dieser Inszenierung natürlich vertraut, und viele Stammbesucher sind sehr dankbar dafür, dass es sie noch immer gibt. Sie hat sogar die Ära Holender überstanden, wahrscheinlich weil Christine Mielitz ihre „neuere“ Deutung an der Volksoper herausbringen durfte. Aber diese Produktion ist Geschichte – während das „Bühnen-Nürnberg“ in der Staatsoper samt „virtuell“ duftendem „Sambucus nigra“ an der Fassade von Sachsens Werkstatt immer noch das Besucherauge erfreut und die lauschige Stimmung von Frühlingsabenden evoziert.

Doch der Abend entwickelte sich insgesamt weniger erfreulich, als es diese einleitenden Worte vermuten lassen. „Meistersinger“ ohne einen persönlichkeitsstarken Sachs sind leider nur eine „halbe Sache“ – noch dazu wenn der Gegenspieler als Beckmesser Adrian Eröd heißt. Eröds hervorragender, detailreich charakterisierter Beckmesser, ein wenig philisterhaft und pedantisch, der sich aber eigentlich nach Liebe und „Poesie“ sehnt, benötigt ein starkes Gegenüber, einen Adressaten für die deklamatorisch ausgefeilte Textbehandlung, die sich der Sänger zurechtgelegt hat.

Wenn Hans Sachs aber schon im ersten Aufzug unter den Meistern als einer unter vielen erscheint, dann wird es schwierig, Sachs als das Gravitationszentrum des Werkes zu verankern. Vielleicht ist James Rutherford nicht ganz fit angetreten. Er hatte während der Festwiese ein weißes Häferl unter seinem Tribünensitz stehen, nachdem er ein paar Mal angelte, um mit dem Inhalt seine Kehle zu befeuchten. Er blieb den ganzen Abend über ziemlich einförmig und ökonomisch im Gesang, schien auf den Schluss hin zu sparen, wo er sich dann ein paar kräftigere, aber nicht wirklich kräftige Töne gönnte. Vielleicht ist seine angenehm lyrische und eher helle Stimme für diese Rolle an einem großen Haus doch (noch) eine Spur zu leichtgewichtig und in der Tiefe zu wenig tragend. Außerdem ist Rutherford (in der Wiederaufnahme am Mittwoch mit Hausdebüt) für einen Sachs noch sehr jung und singt die Partie noch nicht sehr lange. Er nuanciert sie zu wenig deutlich, singt über viele mögliche Pointen hinweg. Der Auseinandersetzung mit Beckmesser im zweiten Aufzug fehlte weitgehend diese Selbstsicherheit, um überzeugend humorvoll zu wirken, um da und dort einmal kräftig „Laut zu geben“. Keine Frage, Rutherford sieht mit Bart und dank seiner Statur durchaus aus wie ein Sachs, aber an diesem Abend fehlte es mir noch an der überzeugenden Ausformung der Bühnengestalt in Spiel und Gesang: ein Sachs der (zu) leisen Töne.

Mit Simone Young am Pult war es vielleicht nicht einfach, denn ohne einer zuträglichen Dosis an Pathos, einer guten Portion Humor und viel Gefühl für Zwischentöne werden die „Meistersinger“ zu einer orchestralen Dauerberieselung, die schlussendlich nur noch Langeweile auslöst. Young schien die Zügel sehr straff zu halten und zog ihr „Konzept“ durch. Das Orchester war teilweise zu laut und klang im üppigen Blech überraschend grobschlächtig. Im Zuge einer Wiederaufnahme hätte man sich eine feinfühligere Wiedergabe erwartet, die die Schönheiten und humoristischen Zwischentöne dieses Werkes, die frühlingsstimmigen Berauschungen und den festlichen Meisterglanz herausarbeitet und nicht „planiert“.

Johan Bothas Walther von Stolzing ist schon fast eine Legende – in der Volksoper, in der Staatsoper, auf den großen Opernbühnen der Welt. Bothas Tenor vereint nach wie vor lyrische Flexibilität mit einer raumfüllenden Strahlkraft – und man sollte dabei bedenken, dass man dergleichen schon vor zehn Jahren mit Begeisterung über Bothas Stolzing geschrieben hat. Begeisterung erweckte auch Norbert Ernst als David – vor knapp fünf Jahren hat er an der Staatsoper in dieser Rolle debütiert. Die Stimme ist in der Höhe metallischer und kerniger geworden und besitzt nach wie vor eine kecke Gewandtheit, die den aufstrebenden „Lehrbuben“ auszeichnet.

Rundum auf gutem Niveau agierten die Meister mit dem stattlichen Ain Anger an der Spitze, der einen würdigen Pogner spielte und sang. Seine Tochter, Christina Carvin, überzeugte mich weniger, ihr Sopran war mir zu flackrig und etwas herb timbriert, in den Spitzentönen mit Risiko zur Schärfe. Zoryana Kusphler war eine schon zu solide Magdalene.

Der starke Schlussapplaus dauerte knapp über zehn Minuten lang und bezog alle Mitwirkenden ein, bei Young etwas weniger stark.