„Zum Glück gibt es die Musik“
(Dominik
Troger)
Weiter
geht es mit den „Christian-Thielemann-Festspielen“ an der Wiener
Staatsoper. Auf die „Arabella“ folgte der „Lohengrin“. Camilla Nylund
reiste von der Donau gleich an die Schelde und aus dem
„Serebrennikov-Parsifal-Gefängnis“ wurde eine Woche nach Ostern eine
ganze Abteilung einsitzender Sänger nach Brabant abkommandiert.
In
Brabant sieht es allerdings auch nicht so toll aus, die
„Lohengrin“-Inszenierung von Jossi Wieler und Sergio Morabito ist vor
allem eine schlechte Parodie. Ob Chefredakteur Klingsor Feuilletonleiterin Kundry mit heißem Kaffee anschüttet oder ob Lohengrin
aus der Brabanter-Kanalisation „miechtelt“ – einen großen
Qualitätsunterschied kann ich nicht darin erkennen. Spannender ist,
dass Sergio Morabito in der neuen Saisonvorschau nicht mehr als
Chefdramaturg des Hauses aufscheint – woran sich aber mangels weiterer
Informationen jetzt keine weiteren Gedanken knüpfen lassen. Und weil
ich mir auch weitere Gedanken über diese missratene
„Lohengrin“-Inszenierung mit ihrer „Täter-Opfer-Umkehr“ ersparen
möchte, sei gleich auf den musikalischen Teil des Abends eingegangen.
Die Titelfigur war bei Klaus Florian Vogt
wieder sehr gut aufgehoben, der nach dem österlichen
Staatsopern-„Parsifal“ den Vater mit dem Sohn eingetauscht hat.
Er passte mit seiner hellen Gralsstimme zwar nicht in dieses
halblustige Inszenierungskonzept, hob aber zusammen mit dem Orchester unter
Christian Thielemann den „Marktwert“ der Aufführung beträchtlich.
Vogts Tenor gibt seit vielen Jahren die Partie in unanfechtbarer
Qualität, die Mittellage ist über die Jahre etwas kräftiger und breiter
geworden, und wo es passt, lässt er Wagners Text mit
knabensopranartiger Keuschheit erblühen. Das gefällt zwar nicht allen im
Publikum, ist aber klug kalkuliert, und taucht die Figur in eine
engelsgleiche Milde, die einem „Gralsboten“ gut ansteht. Selbst
seine Liebe zu Elsa hat etwas Ätherisches an sich: eine Lichtgestalt
eben, ein Gottgesandter – und sogar im
Brautgemach meint man zu spüren, dass diesem Lohengrin das gnadenvolle
Seelenheil seiner Angetrauten wichtiger sein könnte, als sehr
menschliche Bedürfnisse.
Camilla Nylund war
unlängst als Arabella im Gesamteindruck überzeugender. Ihre erste
Wiener Elsa liegt aber auch schon siebzehn Jahre zurück. Die Naivität
Elsas ist ein wenig den Karrierejahren zum Opfer gefallen, auch wenn
ich schon früher den Eindruck hatte, dass ihr im Vergleich die
Richard-Strausschen-Frauenfiguren besser liegen. Nylunds Elsa
spielte ihre Stärken vor allem im zweiten und dritten Aufzug aus, die
Stimme klang insgesamt etwas fahl und unstet. Anja Kampe,
in Wien zuletzt als von heißem Kaffee bedrängte Journalistin Kundry im
Einsatz, gab eine robuste Ortrud, stimmkräftig, wo es darauf ankam; Jordan Shanahan war ein zahmer Telramund, von der Inszenierung fast schon tolpatschig zu nennender Lächerlichkeit preisgegeben.
Das „Königtum“ war diesem Abend kein „Aushängeschild“ – bei Günther Groissböck
hat womöglich der Gefängnisaufenthalt im Serebrennikov-Gulag noch
nachgewirkt, wo er unter dem Decknamen „Gurnemanz“ in Haft gewesen ist;
auch der Heerrufer (Attila Mokus) hat seit der Premiere stimmlich nicht zugelegt. Heinrichs chorale Mannen haben kräftig getönt, das sollen sie auch.
Christian Thielemann hat
wie in der Premierenserie letzte Saison vom feinen Gralsglänzen bis zum
martialischen Heerlager die ganze Bandbreite seiner Wagner-Exegese
ausgekostet. Die Violinen feilten am Beginn des Vorspiels allerdings noch
an der klanglichen Feinadjustierung. Insgesamt kann man sich wie nach der
ersten „Arabella“-Aufführung noch eine Steigerung im symbiotischen
Verschmelzen aller Teile vorstellen – die Inszenierung ausgenommen, die ist nicht mehr zu retten. Weitere
„Lohengrin“-Aufführungen folgen noch am 1. und 4. Mai.
Die Länge des Schlussapplauses lag bei einer Viertelstunde, was
heutzutage schon beachtlich ist. Den deutlich stärksten Applaus gab es
für Vogt und Thielemann, in den schwächeren Beifall für König Heinrich
mischten sich ein paar Buhrufe.