LOHENGRIN
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Wiener Staatsoper
9. & 16. Jänner 2020

Dirigent: Valery Gergiev

Heinrich der Vogler - Ain Anger
Lohengrin - Klaus Florian Vogt (9.1.)
Piotr Beczala
(16.1.)
Elsa von Brabant - Cornelia Beskow
Friedrich von Telramund - Egils Silins
Ortrud, seine Gemahlin - Linda Watson
Der Heerrufer des Königs - Boaz Daniel
Vier brabantische Edle - Wolfram Igor Derntl (9.1.), Roman Lauder (16.1.), Daniel Lökös, Johannes Gisser (9.1.), Michael Wilder (16.1.), Hermann Thyringer
Vier Edelknaben - Kyoko Nukumi (9.1.), Irene Hofmann (16.1.), Kaya Maria Last (9.1.), Maria Isabell Segarra (16.1.), Barbara Reiter (9.1.),
Anna Charim (16.1.), Dymfna Meijts (9.1.), Viktoria McConnell (16.1.)


Zweimal mit Verspätung
(Dominik Troger)

Der Abend begann mit einer Ansage: Der Dirigent stecke im Stau. Als Valerie Ghergiev mit 20 Minuten Verspätung zum Pult eilte, war der Begrüßungsapplaus seitens des Publikums mäßig und es gab Buhrufe.

Kein Wunder, dass er rasch mit dem Vorspiel begann, dessen ätherischer Zauber sich aber nicht so recht entfalten wollte. Der erste Aufzug machte dann in Folge wenig Eindruck, alles wartete auf den Auftritt des Tenors – der die erste Vorstellung hatte absagen müssen und der bei der zweiten Vorstellung noch angesagt worden war. Würde Piotr Beczala bei seinem Wiener Debüt als Gralsgesandter jetzt also endlich mit sorgenfreier tenoraler Sangeslust zu Werke gehen können?

Rückblende: Die Woche zuvor war Klaus Florian Vogt für den laut Direktor des Hauses an einer Grippe erkrankten Beczala eingesprungen und aus Bayern mit dem Auto angereist. Der Dirigent hatte ihn noch zu einem kurzen abstimmenden Gespräch gebeten und der Abend hatte mit rund fünf Minuten Verspätung begonnen. Vogts Lohengrin war bereits bekannt, er hat an der Staatsoper nicht nur die Premierenserie dieser Produktion im Jahr 2014 gesungen. Sein Tenor betont die sphärisch-keusche Sinnlichkeit des Ritters, klingt wie aus fernen Höhen herabgestiegen und das hat seinen Reiz – wobei Vogt die Partie textbezogen bis in Details ausgestaltet und für ein sehr plastisches Rollenporträt zu sorgen vermag.

Piotr Beczala hat erst letzte Saison mit seinem Staatsoperndebüt als Cavaradossi tenorale Überzeugungskraft bewiesen, sein erster Wiener Lohengrin war im Vergleich verhaltenerer angelegt. Die Stimme wurde oft lyrisch geführt, manche Passagen geradezu vorsichtig ausgestaltend. Das tenorale Gralslicht schimmerte ein wenig bronzen abgetönt wie durch feine Nebelschleier, ergoss sich nicht mit raumergreifendem Leuchten ins Auditorum, auch weil die Stimme in der Höhe etwas gepresst und leicht „gedeckt“ klang.

Ein kluger Einsatz der stimmlichen Mittel bei sehr guter deutscher Aussprache scheint – vielleicht noch wegen der krankheitsbedingten Absage vor einer Woche – den Auftritt des Sängers bestimmt zu haben. Insofern entwickelte sich auch die Gralserzählung sehr lyrisch und mit wenig Strahlkraft, der Gral als Aquarell, manchmal fast verblassend („reinster Glaube“).

Darstellerisch fügte sich Beczala in das alpenländische Ambiente dieser seltsamen „Lohengrin“-Inszenierung gut ein – Vogt hat sich dabei leichter getan, die „überirdische Naivität“ dieses Charakters herauszustreichen, Beczalas Lohengrin (mit dem zum Beispiel etwas lässig abgewickelten Zweikampf) müsste das „Gralscharisma“ noch etwas stärker entwickeln. Er wirkte auf mich gesanglich und darstellerisch mehr als mitfühlender Mensch, denn als gottgesandter Ritter – wobei es schwierig ist, diese beiden Welten zu vereinen.

Wenn es „Lohengrin“ spielt, ist Elsa auch nicht weit. Cornelia Beskow, in dieser Partie Opfer und Geliebte eines „Überirdischen“, fand vergleichsweise wenig lyrische Süße für ihre träumerische Befindlichkeit. Die junge Sängerin hat an der Stockholmer Oper bereits 2017 als Sieglinde debütiert und gab mit der Elsa ihren Erstauftritt an der Staatsoper. Die überraschend metallischen, etwas harschen Spitzentöne und so manche flackernde Mittellagenlyrik und „Pianovermeidung“ stimmten bedenklich und ließen eine stimmliche Überforderung erahnen, die im Gegensatz zu ihrem sehr frischen, sehr einnehmenden Spiel stand: Darstellerisch war die Sängerin ausgezeichnet.

Egils Silins stellte einen etwas eindimensionalen, stimmlich nicht gerade auf Feinschliff bedachten, durchsetzungsstarken Telramund auf die Bühne (in der ersten Vorstellung überzeugender als am 16.1.). In der Aufführung am 9. Jänner, bei seinem Wiener Rollendebüt, hat er kurioser Weise den Mordanschlag „verschlafen“ und seine Attacke auf Lohengrin erst begonnen, als Telramund schon längst hätte „tot“ am Boden liegen müssen.Linda Watsons Ortrud (ebenfalls Wiener Rollendebüt am 9.1.) punktete vor allem mit starker Bühnenpräsenz und „rohköstiger“ Stimmkraft. Es war nicht zu überhören, das die Sängerin ihr Organ über viele Jahre im hochdramatischen Fach strapaziert hat. Ain Anger war ein stimmlich und darstellerisch blasser König Heinrich, und Boaz Daniel ein nach meinem Eindruck mehr bemühter als überzeugender Heerrufer.

Um noch einmal auf Valery Gergiev zurückzukommen, der die Sache mehr „pragmatisch“ anzugehen schien, wobei der erste Aufzug in den beiden von mir besuchten Vorstellungen jeweils den schwächsten Eindruck hinterließ. Gergiev hat die musikalischen Höhepunkte gut und zügig mit etwas „Pomp“ und Lautstärke versehen. Als großer „romantischer“ Klangzauberer hat sich der Dirigent dabei nicht entpuppt, auch wenn die sensible Begleitung zur Vogt’schen Gralserzählung mir durchaus noch in guter Erinnerung geblieben ist. In Erinnerung bleibt aber auch eine etwas „hermdsärmelige“ Koordination, die vor allem die Aufführung am 9.1. geprägt hat.

Das Publikum reagierte auf beide Vorstellungen mit viel Beifall – die zweite Aufführung endete wegen des verspäteten Beginns erst um dreiviertel Elf.