LOHENGRIN
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Wiener Staatsoper
11. September 2016

Dirigent: Yannick Nézet-Séguin

Heinrich der Vogler - Günther Groissböck
Lohengrin - Klaus Florian Vogt
Elsa von Brabant - Ricarda Merbeth
Friedrich von Telramund - Tomasz Konieczny
Ortrud, seine Gemahlin - Petra Lang
Der Heerrufer des Königs - Boaz Daniel

Vier brabantische Edle - Oleg Zalytskiy, Gerhard Reiterer, Michael Wilder, Dominik Rieger
Vier Edelknaben - Irena Krsteska, Kaya Maria Last, Cornelia Sonnleitner, Sabine Kogler


Lohengrin - 11. Aufführung in dieser Inszenierung
(Dominik Troger)

Die neue Staatsopernsaison ist auch schon wieder eine Woche alt. Eine Woche, die vom Tod Johan Bothas überschattet wurde. Wer an diesem sonntäglichen Spätnachmittag zu Oper eilte, sah schon aus der Ferne die lange schwarze Flagge, die von der Terrasse herabwehte.

Und dann gerade „Lohengrin“ – Johan Botha hat 1997 seinen ersten Lohengrin an der Wiener Staatsoper gesungen. Botha sprang damals für den erkrankten Peter Seiffert ein (wenn mich meine Erinnerung nicht trügt) und verblüffte mit seinem mühelos erscheinenden Wagnergesang, mit seinem kraftvollen und zugleich zu lyrisch-flexibler Emphase fähigen Heldentenor, der Lohengrin in den überirdischen Strahlenglanz des Grals zu tauchen wusste. Laut Online-Staatsopernarchiv hat Botha die Partie 17mal an der Staatsoper verkörpert, zuletzt im Jahr 2006. 2010, bei der musikalischen Rückschau der Direktion Holender, sang er noch einmal die Gralserzählung. In der „Lohengrin“-Neuproduktion von 2014 hat Botha die Titelpartie nicht mehr gesungen.

Mit Klaus Florian Vogt stand an diesem Abend wieder die Premierenbesetzung bereit. (Die erste Vorstellung am 5. September hatte er abgesagt, Stefan Vinke war eingesprungen.) Vogts Tenor klang ausgeruht und einsatzfreudig. Schon sein Auftritt, den er in dieser Produktion teils liegend und in für Sänger schwieriger Körperhaltung absolvieren muss, wurde gesanglich sicher bewältigt. Fast schon manieristisch erschien mir das Ausreizen dynamischer Nuancen: Er kostete den Wechsel zwischen nahezu körperlosem, knabenhaft-unschuldigem Gesang und heldentenoralerem „Auftreten“ reichlich aus, wobei Vogt einem ausgefeilten Ausdrucksschema folgte, um die unnahbare Welt des Grals der Welt Barabants und Elsas gegenüberzustellen. Das macht Sinn, ist aber in dieser Deutlichkeit ungewohnt, auch wenn Vogt sich darauf versteht, die für einige Opernliebhaber etwas enervierende „Keuschheit“ seines eigentümlichen Organs zu verbreitern, um so zum Beispiel gegenüber Elsa mehr „Virilität“ ins Spiel bringen. Dem Sänger gelang jedenfalls ein sehr guter Abend.

Lohengrin stand mit Tomasz Konieczny ein Telramund gegenüber, dessen mächtige Stimme in dieser Bühnenschuhschachtel, die ein älplerisches Wirtshaus vorstellen soll, noch einen zusätzlichen Resonanzschub erhielt. Koniecznys durchschlagskräftiger Bassbariton harmonierte bestens mit der bärbeißigen Ortrud von Petra Lang: ein böses Paar, wobei Lang im zweiten Aufzug Telramund sogar mit erotischen Avancen den Mund wässrig machen wollte. Langs klanglich etwas herbere Ortrud war eine prägende Bühnenerscheinung, versammelte die „entweihten Götter” mit zupackender Inbrunst zur „Rache”, schmiedete ihre Ränke gegenüber Elsa mit vorgetäuschter Unterwerfung und gezielter Schmähung – und das alles trotz der Unterwäsche, in der sie und Telramund laut Inszenierung die Bühne zu bevölkern haben.

Ricarda Merbeth ließ im ersten Aufzug für die lyrische Melancholie der „trüben Tage” zu viel an störendem Vibrato hören, mit schon etwas gesetzterem, reiferem Sopran. Merbeths Stimme hat in den letzten Jahren offenbar einen leichten dramatischen „Schub“ entwickelt, der der elsahaften Unschuld ein wenig in die Quere zu kommen schien, ihr aber im zweiten Aufzug und vor allem in der Brautgemachszene wiederum genug Kraft verlieh, um ihren Standpunkt deutlich klar zu machen und um aus der Opferrolle auszubrechen. Angereicherte mit Leidenschaft gefiel mir Merbeths Elsa dann gleich viel besser – und es passte zum Gesamteindruck des Abends, der vor allem im zweiten und dritten Aufzug viel Freude machte und insgesamt die Premierenserie an Qualität übertroffen hat.

Der König darf in dieser Inszenierung kein König sein. Günther Groissböcks Bass hat gegenüber der Premiere zugelegt, die Stimme ist wieder leicht gewachsen, müsste nur für das Auftreten als König – das in dieser Produktion aber nicht gefragt ist – noch etwas an herrschaftlichem Charisma zulegen. Heinrich ist in dieser Inszenierung eine Art Oberförster oder ähnliches. Er steht nicht über den Dingen, auch wenn er den größten Gamsbart von allen auf dem Hut trägt. Er ist ein umgänglicher Charakter, manchmal amüsiert, dann wieder leicht pikiert, dann vom Enthusiasmus seiner Mannen angesteckt. Groissböck spielte und sang das ausgezeichnet, brachte die feine Ironie und Naivität, mit der die Regie die Figur gezeichnet – oder besser „verzeichnet” – hat, mit Gestaltungsfreude auf den Punkt. Und dazu gesellte sich mit Boaz Daniel noch der stimmlich überzeugendste Heerufer, der im Rahmen dieser Neuproduktion bis dato angetreten ist.

Das Orchester unter Yannick Nézet-Séguin spielte mit differenziertem Wohlklang, wobei mir das in den Violinen feinfühlig erweckte Gralslicht zu wenig deutlich zur Geltung kam. Insgesamt hätte ich mir mehr Fülle in den Streichern gewünscht, während sich das sichere Blech mit warmstrahlendem Klang in den Vordergrund schob. Manches fand ich zu schnell genommen – etwa das Vorspiel zum ersten Aufzug. Dieses in Musik gemalte „Gralswunder“ hätte mit einer ausgewogeneren Dramaturgie noch gewinnen können. Das Vorspiel zum dritten Akt passte besser zum Stil des Dirigenten – und wurde mit viel Schwung exekutiert. Die Aktschlüsse ließen es nicht an Dramatik fehlen, schön musiziert, gar nicht „knallig“. Sie wurden auch nicht überbetont breit ausgewalzt und waren mit federndem Spiel exekutiert sehr gut auf den Effekt berechnet. Seitens des Dirigates hinterließen der zweite und dritte Akt den stärkeren Eindruck – Nézet-Séguin bekam nach der zweiten Pause mehr Auftrittsapplaus als nach der ersten.

Zum Schlussvorhang spendete das Publikum allen Beteiligten, inklusive dem präsenten Chor, knapp zehn Minuten lang Beifall.