DER FLIEGENDE HOLLÄNDER
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Wiener Staatsoper
6. September 2014

Dirigent: Yannick Nézet-Séguin

Daland - Peter Rose
Senta - Ricarda Merbeth
Erik -
Norbert Ernst
Mary -
Carole Wilson
Steuermann -
Benjamin Bruns
Der Holländer -
Bryn Terfel


„Noch einmal Holländer
(Dominik Troger)

Am vierten Spieltag der neuen Staatsopernsaison kam bei gleich gebliebener Besetzung wieder der „Fliegende Holländer“ zu Ehren – und der stürmische Beginn der Ouvertüre mag den einen oder anderen Besucher kurz an den „Donnerschlag“ erinnert haben, mit dem der Generalmusikdirektor des Hauses am Vortag seinen Abschied genommen hat. Aber bei Wagners Musik waren solche gedanklichen „Abschweifungen“ schnell vergessen.

Mit dem heftig von Wagner „in Szene gesetzten“ Holländermotiv haben die meisten Dirigenten leichtes Spiel, wichtig für die Gesamtwirkung der Ouvertüre ist aber das Andante, mit dem nach rund eineinhalb Minuten Wagner das aufblühende Erlösungsmotiv dem Gewittersturm gegenüberstellt. Diese ruhigen, zärtlichen Momente, die sich vor dem Zuhörer gleichsam ausbreiten wie eine weite, ruhige, von Mondlicht beschienene Wasseroberfläche, wollen in ihrer sehnsuchtsvollen Poesie so richtig ausgekostet werden – und das gelingt selten. Auch das Hinein- und Hinausfinden in und aus dieser Stille, das Abflauen des Sturms und sein Wiederanfachen, erfordern einiges Geschick, damit der musikalische Fluss nicht abreißt und – wie es nach meinem Empfinden am Eröffnungsabend passierte – die Ouvertüre sich nicht mehr nur in ihren Teilen darbietet.

Unter Yannick Nézet-Séguin verwandelte sich dieses Andante in ein glattes, stilles Meer – und es wurde spürbar, wie in diesen Takten die Zeit scheinbar zum Stillstand kommen kann, wie der Gewittersturm hier an eine Ewigkeit heranreicht, nach der des Holländers Wünsche zielen, um sich dort aufzulösen. Was allerdings fehlte, war der süße Trost dieser Erlösung – der das Menschliche über das Schicksalshafte zu stellen vermag. Auch beim langen Zwiegespräch von Daland mit dem Holländer im ersten Akt vermied Yannick Nézet-Séguin den menschlich-singspielhaften Tonfall, ließ er sich nicht auf die kaufmännisch-listige Biederkeit Dalands ein, sondern trieb die Handlung mehr in einem technischem Sinne voran.

Durch den stringenten und festen Zugriff fiel insgesamt die romantisierende Sinnlichkeit so mancher Phrase eher flach aus und ordnete sich einem aufwühlenden Gesamtgeschehen unter, das in der Einleitung zum dritten Akt und dem folgenden Chor in einem gewaltigen, stampfenden Ausbruch explodierte. In diesem wurde der Klang der Staatsopernorchesters wie zu einer biegsamen Metallfeder transformiert, an der noch ein feiner Ölfilm bläulich funkelnd sichtbar ward, der sie anschmiegsam in das Gehäuse der antreibenden Musikmaschine fügte. Dieser Ausflug in einen „Wagner‘schen Futurismus“ war faszinierend – und der Spannungsbogen hielt dann nahezu bis ins Finale.

Bryn Terfel hat sich an diesem Abend kräftig ins Zeug gelegt – in der ersten Vorstellung war er zum Beispiel im Duett mit Senta im zweiten Akt phasenweise von Ricarda Merbeth „zugedeckt“ worden. Auch der „Monolog“ gewann – allerdings ging die Zuwaage im Volumen auf Kosten der Differenzierung, was beim Anflug von Manierismus, mit dem Terfel am Mittwoch agiert hatte, für meinen Geschmack kein Nachteil war. Beim „gepriesnen Engel Gottes“ sank er wieder auf die Knie, und es war spannend, einen verhalten betenden Holländer zu vernehmen, der langsam in eine höhnische Anklage seines Schicksals überleitet. Im Finale der Oper, bei der Aufdeckung seines Namens, hat Terfel dann etwas zu viel riskiert, und trieb die Stimme kurz, aber deutlich über die Komfortzone hinaus. Aufnahmen des Holländer-Monologs, die Terfel in den 1990ern-Jahren und Anfang 2000 eingespielt hat, lassen erkennen, dass die füllige Abrundung der Stimme inzwischen schon der langen Karriere Tribut zollen musste. Insgesamt war dieser Abend dem Mittwoch vorzuziehen.

Die Senta von Ricarda Merbeth entwickelt ihre eigentlichen Stärke erst nach der berühmten Ballade, wenn sich die junge Kaufmannstochter immer tiefer in die „real“ gewordene Schwärmerei verstrickt – und Merbeths Spitzentöne, rund und sicher gesetzt und keine stimmliche Überbeanspruchung zeigend, krönen dann ihren Erfolg. Die Selbstverbrennung Sentas scheint mir für Merbeth allerdings noch weniger zu passen als für die aparte Nina Stemme, die bei der Premiere 2003 zusammen mit der Regisseurin Christine Mielitz Senta in der Rollengestaltung in das 21. Jahrhundert „geholt“ hat.

Norbert Ernsts Mühe mit dem Erik war nicht nur hörbar, sein Einsatz blieb auch unbedankt. Es gab einige Buhrufe beim Schlussvorhang. Peter Rose absolvierte den Daland wie am Mittwoch zu glatt für meinen Geschmack, im Timbre eine Spur zu wenig seebärig-väterliche Fülle. Bejamin Bruns und Carole Wilson waren eine gelungene Abrundung. Der Chor sorgte wieder für eine starke gesangliche und schauspielerische Präsenz all der Matrosen und Mädchen.

Der Applaus war stark, aber kürzer als am Eröffnungsabend.