DER FLIEGENDE HOLLÄNDER
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Wiener Staatsoper
3. September 2014

Dirigent: Yannick Nézet-Séguin

Daland - Peter Rose
Senta - Ricarda Merbeth
Erik -
Norbert Ernst
Mary -
Carole Wilson
Steuermann -
Benjamin Bruns
Der Holländer -
Bryn Terfel


„Saisonbeginn mit Wagner
(Dominik Troger)

Mit einem kräftigen „Johohoe!” segelte die Wiener Staatsoper unter dem Banner des „Fliegenden Holländer” in die neue Saison. Viele Wiener Rollendebüts waren ein weiteres Schmankerl, mit dem das Haus am Ring für einen spannenden Start in das Spieljahr 2014/15 sorgte.

An diesem Abend war bis auf den Steuermann von Benjamin Bruns für das Wiener Publikum die ganze Besetzung neu. Ricarda Merbeth, inzwischen als Senta „Hausbesetzung” bei den Bayreuther Festspielen, hat bei ihrem Rollendebüt in Wien mit ihrer eher hellen Stimme, die nach wie vor von einem mädchenhaften Glanz beseelt wird, mehr die hingebungsvolle Treue einer braven Kaufmannstochter betont, als die im Kontext dieser Inszenierung von Christine Mielitz aus dem Jahre 2003 gedachte „Revolutionärin“, die unter ihrer gesellschaftlichen Umgebung leidet. Dabei verstand es Merbeth dieses tugendhafte, etwas biedere Geschöpf in eine naiv-schwärmerische Verzückung zu treiben, die der Rolle sehr gut anstand – und ihr Sopran bewahrte bei den dramatischen Spitzentönen eine jubelnde Strahlkraft, die für eine passende emotionale Abrundung ihres Rollenporträts sorgte.

Bryan Terfel, dessen Wagner-Karriere bis jetzt an Wien vorübergegangen ist, ging zwar mit deutlich mehr sängerischem Raffinement an den Holländer heran als seine Bühnenpartnerin an die ihm versprochene Braut, aber stimmlich wirkte er auf mich bis weit über die Mitte des Abends zurückhaltend, stimmschonend die Rampe suchend, erst im Finale drehte er so richtig auf. Sein Holländer schöpfte an diesem Abend weniger aus sonorer stimmliche Fülle und dämonischem Auftreten, sondern war vor allem auf Feinarbeit erpicht, schälte beispielsweise flehentliche Piano-Passagen aus dem Monolog, die dem Publikum das leidgeprüfte Schicksal dieser über die Weltmeere getriebenen Figur anschaulich vors Auge stellten. Auffallend war die exzellente deutsche Aussprache des Sängers, die vielen Kolleginnen und Kollegen deutscher Muttersprache als Vorbild dienen könnte.

Auch Peter Rose ließ ein auffallend gutes Deutsch hören und stellte einen Daland auf die Bühne, an dem kaum etwas auszusetzen gewesen wäre, hätte er der Figur ein wenig mehr das volksverbundene Charisma eines seeerfahrenden Kaufmanns geliehen, der wirklich mit allen Wassern gewaschen ist. Rose sang die Rolle für meinen Geschmack zu glatt, Bewohner einer Luxuskabine und keiner Kogge, bei der stärkerer Seegang meersalzig in die Kajüten schwappt.

Norbert Ernst hat vor zwei Jahren noch den Steuermann gesungen und wurde jetzt zum Erik „befördert“. Der Erik ist für Ernst eine Grenzpartie. In der Mittellage gelang es ihm zwar, das Erbe des Charaktertenors in eine etwas breitere, dunklere Farbe zu tauchen, aber nach der Höhe magerte ihm der „Liebhaber“ hörbar ab und des „Hochlands Blume“ im dritten Akt bereitete ihm insgesamt einige Mühe. Ernst hat an der Staatsoper schon als David und Loge brilliert – und diese Rollen sind auch seiner Bühnenwirkung angemessen. Der heldische Liebhaber war an diesem Abend für mich schwer an ihm zu entdecken.

Mit Carole Wilson stellte sich eine neue Mary dem Wiener Publikum vor – sehr „britisch“ und passend „gouvernantenhaft“ die Mädchenschar beim Spinnen unter ihre Fittiche nehmend. Ihr Mezzo klang schon ein bisschen nach längerer Karriere. Die Sängerin war eine markante Bühnenerscheinung – und ihre Aussprache war ebenfalls sehr gut. Benjamin Bruns steuerte noch den Steuermann bei, an diesem Abend nicht ganz so überzeugend wie schon von ihm gehört. Der stimmgewaltige Chor lockte im dritten Akt die Matrosen des Geisterschiffes energiegeladen aus der Reserve.

Der Dirigent gab an diesem Abend sein Hausdebüt. Yannick Nézet-Séguin sorgte für eine eruptive Begleitung. Ein basslastiger, nüchterner, fast metallischer Sound brodelte aus dem Orchestergraben und wurde vom Dirigenten mit straffem, akzentuiertem Zugriff portioniert. Für die Klangseligkeit des Staatsopernorchesters blieb kaum ein Plätzchen frei. Vor allem der dritte Akt überzeugte in seiner packenden dramatischen Zuspitzung. Die Lautstärke war allerdings nicht immer sängerfreundlich und wer sich einen genießerisch ausmusizierten Wagner erwartet hat, wird eher enttäuscht gewesen sein. So mischte sich unter den Schlussjubel für Yannick Nézet-Séguin sogar ein bisschen Ablehnung. Die Sängerinnen und Sängerinnen wurden mit viel Applaus bedacht.