DER FLIEGENDE HOLLÄNDER
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Wiener Staatsoper
14.12.2003

Dirigent: Seiji Ozawa

Inszenierung: Christine Mielitz
Ausstattung: Stefan Mayer
Chorleitung: Ernst Dunshirn

Daland - Walter Fink
Senta - Nina Stemme
Erik - Torsten Kerl
Mary - Margareta Hintermeier
Steuermann - John Dickie
Der Holländer - Franz Grundheber


Von den Tücken der Pyrot
echnik:
Zur 4. Aufführung des "Fliegenden Holländers" in der Premierenserie
(Dominik Troger)

Auf Seeleute ist kein Verlass, kaum sind sie da, sind sie schon wieder fort. Holländer und Daland sind der Produktion nach nur eineinhalb Wochen abhanden gekommen. Auch die Mary. Und das Senta verzehrende Schlussfeuer. Aber dem kann man nächstens mit mehr pyrotechnischer Sorgfalt sicher wieder auf die Sprünge helfen.

Ja, das Feuer. Es entflammte nur sekundenlang - und verlosch. Das Rechteck der Bühnenversenkung, in der Senta verschwindet, blieb unbeleuchtet. Senta verschwand trotzdem, ganz ohne schnörkselhafte Verrenkungen. Sie tauchte auch nicht noch einmal empor, um ihren Flammentod in aller Drastik auszuleben. Diese Manierismen hatte man, wie zu erfahren war, schon bei der zweiten Vorstellung weggelassen und auf diese Weise Sentas Bühnentod einiges an Komik genommen. Und als Zuseher konnte man es verschmerzen, dass die Sache einmal ohne Illumination zu Ende gebracht wurde.

Während dieses Detail an der Technik scheiterte, sind andere Details offenbar aufgrund der Umbesetzung des Daland weggelassen worden. So bewegte sich Walter Fink hauptsächlich am Boden und scheute die luftige Höhe jenes langgestreckten, hochgezogenen Schiffsquaders (und die damit verbundene Leiterkletterei). Hawlata hatte brav einige Auftritte dort oben absolviert. Vorzüglich ist sein Auftritt nach Erscheinen des Holländerschiffes in Erinnerung: Hawlata sandte dem zu ebener Erde schlafenden Steuermann einen Schlüsselbund als Weckgruss, gut drei Meter abwärts geworfen. Fink vermied offensichtlich dieses Akrobatenkunststück, den in dieser Situation wenig beneidenswerten John Dickie nicht (!) zu treffen. Fink hat auch die Zigarettenfummelei Hawlatas nicht nachvollzogen.

Die von mir schon in der Premiere fokussierte Tageszeitung entpuppte sich als Ausgabe der "Financial Times", aber auch dieser hatte sich Hawlata eingehender gewidmet. So ist das eben, eine Umbesetzung und sofort gehen eine ganze Reihe an Inszenierungs-Details flöten. Der erste Aufzug wirkte dadurch gleich weniger "aufgesetzt", auch wenn er sich insgesamt wieder als der Schwächste der Produktion erwies, szenisch und auch vom Orchester. Der Grund für die Daland-Umbesetzung - Hawlata zu Fink - ist mir übrigens nicht geläufig. Der Wechsel von Struckmann zu Grundheber wurde mit einer Erkrankung Struckmanns begründet. Dieser hatte in der zweiten Aufführung eine längere Arzt-Pause einlegen müssen, ohne aber angeblich stimmlich angeschlagen zu wirken.

Das Matrosenbesäufnis, das in einer kollektiven Bumserei endet, wirkte schon weit weniger anarchisch als in der Premiere. Wenn sich das weiter so abschleift, ist auch hier bald mit einer entsprechend grotesken Bühnenwirkung zu rechnen. Der gesanglichen Leistung des Chores sei vollstes Lob gezollt. Das hatte ich bei der Premierenbesprechung sträflichst unterlassen. Trotzdem muss man anmerken, dass die Produktion funktioniert und im wesentlichen spannendes Operntheater möglich macht – wenn man von einigen weniger gelungenen Details und dem übertrieben wirkenden Schluss absieht. Dieser Premieren-Gesamteindruck hat sich mir bestätigt.

Ozawas Holländer-Interpretation erwies sich einmal mehr als ein grobkörniges, musikalisches Konzentrat, ziemlich laut und grell aufgemacht, mit wenig dynamischen Spielräumen. Im Gegensatz zur Premiere entwickelte sich aber bald ein durchgehender musikalischer Fluss, der den dramatischen Verlauf gut zur Geltung brachte - intensiv musiziert und in der Gesamtwirkung deutlich einprägsamer. (Die anwesenden Fernsehkameras sind sicher keine Motivationsbremser gewesen.)

Der Holländer von Franz Grundheber hat nicht die dramatische Schärfe, die Struckmann eigen ist, dafür wirkt er weitaus weniger fanatisch, ja man könnte ihm sogar abnehmen, dass er sich in Senta verliebt. Grundheber spürt den emotionalen Regungen des Holländers intensiver nach, singt die Partie differenzierter. Die Interpretation Struckmanns hat freilich besser zum rigiden Gesamtkonzept dieser Produktion gepasst.

Nina Stemme als Senta ist ohne Zweifel apart und außergewöhnlich. Sie sang auch diese vierte Vorstellung ausgezeichnet. Ich hatte schon angemerkt, dass sie nicht den Typus von der naiv "blonden" Unschuld verkörpert, und ihr "Kindsein" ist mehr Täuschung einer Wissenden, mehr ein chamäleonartiges Anpassen an ihre etwas trieste Lebeswelt und den rüden Verlobten. Diese Neuproduktion lebt auch stark von Stemmes imaginativer Darstellungskraft und Bühnenpersönlichkeit - man wird sehen, wie sich hier Besetzungsalternativen in zukünftigen Aufführungen einfügen werden.

Man sollte aber auch mit Selbstkritik nicht dort sparen, wo man im Premierenfieber etwas zu weit gegriffen hat: Meine Anmerkung betreffend "Fehlbesetzungen" war sicher überzogen. Dem Faktum, dass die als solche von mir gelisteten Sänger bei der Premiere wenig reüssiert haben, soll damit aber nicht widersprochen werden. Sowohl John Dickie (Steuermann) als auch Torsten Kerl (Erik) zeigten sich diesmal deutlich verbessert. Kerl brachte die Partie ohne gröberen Schnitzer über die Runden und sang auch nicht mehr gar so auf Druck wie in der Premiere. Dickie gelangen die Höhen eindeutig besser und weniger gepresst. Fink war als Daland eine noch akzeptable Zweitbesetzung.

Das zahlreich versammelte Publikum ließ viel Applaus und Bravo hören, eilte dann aber doch relativ rasch von dannen.