GÖTTERDÄMMERUNG
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Wiener Staatsoper Dirigent: Jeffrey
Tate |
Siegfried
- Stephen Gould |
Mit der „Götterdämmerung“ am Pfingstsonntag wurde der erste „Ring“-Durchgang dieser Saison abgeschlossen, ab 19. Juni startet der zweite. Die frühe Beginnzeit um 16 Uhr hatte zur Folge, dass die Besucher von der „Götterdämmerung“ in die „Abenddämmerung“ entlassen wurden, wo reichlich Schanigärten zur gemütlichen „Nachbesprechung“ lockten. Vor dem verdienten kühlen Trunk galt es freilich noch rund eine Viertelstunde lang Schlussapplaus zu spenden – und der heftige Jubel um Nina Stemme, Stephen Gould und Jeffrey Tate bewies, dass das eingefleischte Wagner-Publikum an diesem Abend seinen Bühnenhelden eine Dankeshuldigung überbrachte, wie man sie in solcher Intensität am Haus immer seltener zu hören bekommt. Aber mit Nina Stemme und Stephen Gould durfte sich das Wiener Publikum an einem Traumpaar erfreuen, das recht schnell in „Fahrt“ kam. Wie Nina Stemme vom „Heil“-Jubel des Vorspiels bis zum Schlussgesang die Partie durchmaß, war nicht nur voll mitreißender Intensität: Ihr Sopran vermag durch sein leicht dunkles, fülliges Timbre Brünnhilde eine spezielle emotionale Aura zu verleihen, die zumindest für die jüngere Vergangenheit der Rolleninterpretation einzigartig sein dürfte. Diese Färbung verliert sich nicht bei den Spitzentönen, sie bringt sie vielmehr zu einer warmglühenden Reife, in der sich der Stahl der Schlachtenlenkerin mit den feurigen Gefühlen ihrer Liebe zu Siegfried mischt. Das ergibt für den „Siegfried“ und die „Götterdämmerung“ eine grandiose Kombination – (für die „Walküren-Brünnhilde“ ist sie vielleicht schon eine Spur zu „wissend“). Stemme vermag dadurch auch in allen Teilen der Götterdämmerung zu bestehen, vom jubelnden Vorspiel, wenn sie Siegfried mit ihrem „Heil“ in die Ferne entlässt, über die Schrecken des Ring-Raubes, über die Verzweiflung und Rachegelüste des zweiten Aufzugs, bis zur abgeklärten Gefasstheit des Finales. Dort schloss Stemme den großen Bogen, hat Brünnhilde ihre Leidenschaften geläutert – die sie im zweiten Akt noch so intensiv ausgespielt hat (etwa wie sie sich vor Siegfried nach der Ankunft in der Gibichungenhalle zu Boden warf, welche Kraft lag in dieser Demütigung, welche Verzweiflung kennzeichnete diese flehentliche Unterwerfung – nicht nur dieser Moment drang tief unter die Haut). Den Siegfried von Stephen Gould hat in der Götterdämmerung seine Naivität trankindiziert zu einem „Sunnyboy“ gemacht, der sich ebenso naiv an seiner Gutrune erfreuen möchte wie an einem erquickenden Kampf. Im Umgang mit Gunther fand er sich mit Markus Eiche nach dem Schwur der Blutsbrüderschaft zum schulterklopfenden, coolen Sportsmanngehabe zusammen – vielleicht haben beide in der Garderobe ein wenig über die bald beginnende Fußball-WM geplaudert. Gould wurde nach dem Plausch mit den Rheintöchtern vom tückischen „hohen C“ beim „Hoi he“ ausgetrickst, stemmte sich dann ein wenig durch den Beginn seiner „Memoiren“, ehe sein Tenor rechtzeitig zur Brünnhildenhuldigung wieder prächtig genas. Abgesehen von solchen durch die Tagesverfassung bedingten Irritationen überrascht bei Stemme als auch bei Gould jedes Mal aufs Neue, wie leicht ihnen diese schweren Partien von der Kehle gehen – auch Goulds Tenor besitzt eine leichte Fülle, eine warme, honiggelbe Note, die Siegfrieds bärenstarke Kraft mit einem liebeswerten Naturell verbindet (wobei Mime das mit dem liebenswerten Naturell wahrscheinlich nicht unterschreiben würde). Der Gunther von Markus Eiche passte sehr gut zu diesen beiden „Stimmtypen“: Eiches Bariton rundete sich nobel und vermochte seinen Herrschaftsanspruch entsprechend herauszustreichen. Hagen, der vierte im Bunde dieser fatalen Beziehungskiste, fiel dagegen etwas ab. Attila Jun hat beim „Thielemann-Ring“ im dritten Akt der „Götterdämmerung“ Eric Halfvarson aus dem Orchestergraben die Stimme geliehen. Der Eindruck von damals hat sich bestätigt: Juns Bass zeigte sich zu wenig „schwarz“ und „mächtig“, um Hagen damit grimmig genug auszustaffieren – und das hat einigen Szenen die „Würze“ genommen. Caroline Wenborne liegt die Gutrune besser als die Freia – und sie singt die Partie jetzt schon seit der Premiere vor fünfeinhalb Jahren mit Beständigkeit und guter Bühnenpräsenz. Jochen Schmeckenbecher hat in seinem kurzen Auftritt als Alberich den positiven Eindruck bestätigt, den er bei seinem Rollendebüt am Haus in diesem „Ring“ hinterlassen hat. Janina Baechle (Waltraute) hat mir – um auch hier einen Vergleich zu wagen – als Erda mehr behagt. Und natürlich leisteten auch die Nornen und die Rheintöchter ihren redlichen Beitrag zum Gelingen des Abends, wobei die Bühnenoptik ihnen leider kein passendes Ambiente für ihr Wirken bereitstellt: Das unspektakuläre Reißen des Nornenseiles ist nur ein Beispiel von mehreren. Jeffrey Tate sorgte mit dem Orchester immer wieder für deutliche Ruhepunkte, um dann plötzlich die Spannung anzuziehen, allerdings blieb der Gesamteindruck etwas inhomogen. Im Vergleich mit Franz Welser-Möst, der in den letzten Jahren oft beim „Ring“ am Pult gestanden ist, klang das Orchester nicht so „poliert“ und „auf Schiene gebracht“ – aber das hat auch seine Vorzüge: und so durften Wagners Orchesterwogen wirklich wogen und von saftigem Blech umflort in einer „romantischen“ Tradition schwelgen, die sich auch die „berühmte“ Generalpause knapp vor Schluss gönnt. Fazit: Der zweite „Ring“-Durchgang darf mit Spannung erwartet werden. |