GÖTTERDÄMMERUNG
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Wiener Staatsoper
13.11.2011

Dirigent: Christian Thieleman

Siegfried - Stephen Gould
Gunther - Markus Eiche
Hagen - Eric Halfvarson, Attila Jun (3. Aufzug)
Alberich
- Tomasz Konieczny
Brünnhilde - Linda Watson
Gutrune - Caroline Wenborne
Waltraute
- Janina Baechle
Nornen - Zoryana Kushpler, Ulrike Helzel,
Ildikó Raimondi

Rheintöchter - Ileana Tonca, Ulrike Helzel, Zoryana Kushpler


„Hagen-Doppel

(Dominik Troger)

Mit der „Götterdämmerung“ gingen die Thielemann’schen „Ring“-Festspiele an der Wiener Staatsoper zu Ende. Der Besucherandrang war mindestens so stark wie bei der „Walküre“ am Sonntag zuvor – wenn nicht stärker.

Der Abend begann mit der überraschenden Ansage, dass der erkältete Eric Halvarson nun doch den Hagen singen werde – mit Attila Jun als Backup für den Fall der Fälle. Wie man einer Beilage im Programmzettel entnehmen konnte, war ursprünglich geplant gewesen, Halvarson die Partie nur mimen zu lassen, während Jun sie singen sollte. Durch die neue Konstellation musste niemand mehr diese Doppelgleisigkeit hinterfragen, die dann im dritten Aufzug allerdings doch noch zum Tragen kam.

Halvarson schlug sich gut, im ersten Aufzug noch etwas „verschnupft“ klingend. Im dritten Aufzug verlegte er sich auf die „Pantomime“ und Attila Jun sprang ein. Dieser ließ einen schönen Bass hören, aber nicht so richtig markig. Ob es für den Gesamteindruck des Abends besser gewesen wäre, Jun gleich von Anfang an singen zu lassen, wird man naturgemäß nie erfahren.

Auf mich wirkte nach einer recht flüssig musizierten Nornenszene und einem mitreißend gesungenen und gespielten Abschied Siegfrieds von Brünnhilde samt breitströmender Rheinfahrt, die Gibichung’sche Familienaufstellung zu Beginn des ersten Aufzugs etwas „flau“. Erst mit dem Auftritt Siegfrieds aus der Versenkung, der von Hagen in der „Sven-Eric Bechtolf’schen Fassung“ des „Rings“ irgendwie „mental“ herbeigerufen wird, nahm die Handlung wieder an Fahrt auf. Apropos Gibichungen: Markus Eiche ließ seinen schönen Bariton strömen, der aber für den Gunther in den entscheidenden Momenten zu wenig heldisch „besetzt“ war. Caroline Wenborne hat sich als Gutrune inzwischen gut profiliert.

Stephen Gould hatte seine bestechende Form aus dem Jung-Siegfried ins „Alter“ mitgenommen und hielt sie bis zum bitteren Verscheiden durch. Einmal verunglückte ihm ein Ton, aber das wars auch schon an Beckmessereien. Sein Siegfried zeigte ein unbekümmertes, unverdorbenes Naturell, und sein leicht hell getönter, breit genug ausgelegter Tenor spiegelte das durch einen immer authentisch wirkenden gesanglichen Ausdruck wider. Damit formte er Siegfried als sympathischen Naturburschen, der naiv und gutgläubig dem Hagen’schen Ränkespiel zum Opfer fällt.

Für Linda Watson hat sich das Einspringen als Brünnhilde gelohnt: Sie wirkte sehr konzentriert, hatte die Partie auch bei den Spitzentönen im Griff. Was man bemängeln könnte, dass es ihr in manchen Passagen ein wenig an zündender „Attacke“ fehlte. An das Flackern ihres Soprans gewöhnte man sich rasch. Vom Spiel wirkte sie ein bisschen statuarisch, aber durchaus mit Ausstrahlung und dem gebotenen Heroismus. Das Publikum bereitete ihr zum Solovorhang eine richtige Ovation.

Bei Tomasz Koniecznys Alberich sollte man neben seiner bekannt stimmlichen Charakterschärfe unbedingt die starke spielerische Seite erwähnen. Zwar scheint nicht immer sinnvoll, was ihm Regisseur Sven-Eric Bechtolf an körperlichem Einsatz abverlangt, aber schon sein „Trockenschwimmen“ in der ersten „Rheingold“-Szene war sehenswert. Sein langsamer Abgang nach der Ermahnung Hagens am Beginn des zweiten Aufzugs, mit zitternder rechter Hand, war ausgesprochen „stimmig“. Janina Baechles Waltraute gewann im Laufe der langen Erzählung deutlich an Format (aber man sollte ihr das Kostüm besser anpassen) – und die neckischen Rheintöchter ließen keine Wünsche offen.

Das Orchester spielte großartig auf, wenn auch die Bläser nicht immer ganz sicher agierten. Vor allem der dritte Aufzug fokussierte die Vorzüge dieser ganz besonderen „Ring“-Aufführungen noch einmal auf beeindruckende Art und Weise. Diese langsam gesteigerte, ungeheure Aufwallung des Trauermarsches wird man als Zuhörer nie wieder vergessen: ein Grabmahl aus Tönen, monumental und monolithisch, doch von Siegfrieds Seele erwärmt und ganz ohne knallige Kühle. Im Finale öffnete sich dieser Klangraum noch einmal zu stattlicher Größe, getragen von den Blechbläsern mit sattem dunkelrotgoldenem Strahlen, ehe nach kurzer Verhaltung aus den Streichern das finale Motiv zu sehnsuchtsvollem, liebesschwangerem Abschied tröstend aufstieg. Thielemann ließ das Orchester aufrauschen mit romantisch-üppiger Woge – bevor die Musik leise verklang.

Dann einige Sekunden Stille – ein paar unsensible Klatscher fallen ein, verstummen wieder – aber das innere Nachhallen der Musik ist schon zerstört – das Klatschen beginnt erneut. Linda Watson erscheint als erste zum Applaus, ein Solovorhang, großer Jubel braust auf. Dann kurzes Warten vor verhüllter Bühne. Der Vorhang öffnet sich wieder. Dirigent und (!!!) Orchester haben Aufstellung genommen. Tosender Beifall bricht los. Der Schlussapplaus dauerte insgesamt knapp über 25 Minuten. Es handelte sich um die 13. Aufführung in dieser Inszenierung.

Fazit: In Summe war es ein „Ring“ fulminanter „Höhepunkte“. Hohe dynamische Elastizität und eine üppig Klangentfaltung sorgten für prächtige Momente. Aber nicht immer hielt die Grundspannung in den weiten, von langen Erzählungen durchflochtenen Szenenfolgen. „Siegfried“ und „Götterdämmerung“ hinterließen bei mir – auch wegen herausragenderer Sängerinnen- und Sängerleistungen – einen durchwegs stärkeren Eindruck als die „Walküre“ und das „Rheingold“.