DIE GÖTTERDÄMMERUNG
Aktuelle Spielpläne & Tipps
Forum
Opernführer
Chronik
Home
Wagner-Portal

Wiener Staatsoper
1.11.2002

Dirigent: Adam Fischer

Siegfried - Siegfried Jerusalem
Gunther - Peter Weber
Hagen - Matti Salminen
Alberich
- Georg Tichy
Brünnhilde - Deborah Polaski
Gutrune - Ricarda Merbeth
Waltraute
- Jane Henschel
Nornen - Daniela Denschlag, Mihaela Ungureanu, Ricarda Merbeth
Rheintöchter - Judith Halasz, Stlella Grigorian, Daniela Denschlag

"Der Herr des Rings"
(Dominik Troger)

Das Hauptaugenmerk dieser Götterdämmerung galt Adam Fischer am Pult. Denn sonst war diese Besetzung ein eingespieltes Team mit bekannten Stärken und Schwächen.

Die entscheidend Frage also gleich zu Beginn: Welcher „Herr des Rings“ ist einem lieber, Donald Runnicles oder Adam Fischer? Dabei fällt schon einmal auf, dass diese Frage überhaupt gestellt werden darf. Neben Runnicles hat Fischer an der Staatsoper ohne Zweifel die überzeugendste Ring-Deutung der letzten Jahre geliefert. Und Fischer liebt das Detail. Natürlich weiß Runnicles ebenso um die Bedeutung der Leitmotivik und akzentuiert sie deutlich, aber Fischer hegt und pflegt das Wagner’sche Motivgeflecht wie ein kleines Hausgärtlein, und entlockt ihm schillernde Klanggewächse, fast schon ein wenig impressionistisch überhaucht. Er lässt ihnen viel Zeit sich emporzuranken, gönnt ihnen lange Pausen, vertieft sich in ihren Verflechtungen und kostet sie bis in feines Pianissimo aus. Ich habe bei der Besprechung zur „Walküre“ Fischers Art, den Ring zu dirigieren, eine „deklamatorische“ genannt, weil ihm diese Motive so überaus wichtig sind, ja, manchmal wird da sogar fast ein Buchstabieren daraus. So kann beispielsweise die Handlung in den Zwischenspielen des ersten Aufzugs fast zum Stillstand kommen, sich erneuern und regenerieren, bevor sie in eine leicht geänderte Bahn weiterwächst.

Fischer kann sich da sehr viel Zeit lassen, um dann aber auch wieder mächtig loszulegen. Er ist jedoch – und das unterscheidet ihn ganz wesentlich von Runnicles – nicht bereit, diese klangliche Transparenz mit einem satteren Streicherklang zu verknüpfen. Fischer hält die Streicher schlank und rank, wie seine „Motivgewächse“, lässt dafür aber die Bläser und Schlagwerk sehr forciert, ja manchmal fast derb, zur Sache gehen, wenn er meint, dass es sein muss. Das Resultat ist ein pathosloser, sehr transparenter, „realistischer“ Klang, der sich ernüchternd an den Grauslichkeiten orientiert, die da auf der Bühne passieren, ohne gar eine heldische Aufwertung derselben zu riskieren. Sein Trauermarsch gilt keinem Helden, sondern klagt in fast barbarischer Lautstärke die Umstände an, denen Siegfried zum Opfer fallen muss. Auch am Schluss, wenn dieses herrlichtröstende Streichermotiv wie ein Sonnenstrahl durch Walhalls-Brandnebel bricht, hält er die Streicher stark zurück und setzt nicht auf Versöhnung, und der „Lichtstrahl" verschimmert sehr diffus, wird rasch wieder vom Rauchgewölk verschluckt. Fischer dirigiert den Ring sehr analytisch, teilweise auch mit vollstem, packendem Gespür für die dramatische Entwicklung, aber zum Schwelgen in den weitgespannten Wagner‘schen Klangräumen lädt er nicht ein – und deshalb ist mir schlussendlich Runnicles lieber.

Auf der Bühne war Matti Salminen die dominierende Persönlichkeit. Sein Hagen ist voll stimmlicher, urwüchsiger Präsenz und verschlagener Durchtriebenheit. Dabei wirkte er immer ein wenig „ferngesteuert“, wie wenn Alberich ihm die ganze Zeit im Nacken säße, um ihm einzuflüstern, was er zu tun hat. Deborah Polsaki hatte diesmal mehr Probleme mit Brünnhildes gesanglicher Kraftmeierei als sonst von ihr gewohnt. Ihre mitreißende Emotionalität lässt einen das aber wie immer rasch vergessen. Siegfried Jerusalem hielt durch, vor allem aufgrund seiner glaubwürdigen Rollengestaltung, wobei er gegen Ende immer mehr in eine Art Sprechgesang verfiel. Georg Tichy war ein wenig auffälliger Alberich. Jane Henschel gab der Waltraute einiges an Profil. Peter Weber kam diesmal wieder besser zur Geltung, und Ricarda Merbeth gab die Gudrune in bewährter Weise.

Viel kräftiger, bravounterfütterter Applaus; Polaski wurde umjubelt; Salminen blieb bei den Solovorhängen zu kurz auf der Bühne, um sich ebenso feiern zu lassen; Jerusalem bekam Blumen (aber im Vergleich zu vorigen weniger Applaus), mit viel Beifall und Bravo wurde auch Adam Fischer bedacht.

Was sonst noch auffiel: Dass ein Besucher das karge Licht auf der Galerie benutzte, um während der Aufführung Tolkiens „Der Herr der Ringe“ zu lesen. Vielleicht hatte er die „Ringe“ verwechselt, und meinte, das eine sei ein Soundtrack zum andern oder so – oder er wollte sich ein echt „multimediales“ Erlebnis verschaffen. Jedenfalls sah er ganz zufrieden dabei aus...