GÖTTERDÄMMERUNG
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Wiener Staatsoper
18. Juni 2023

Dirigent: Franz Welser-Möst

Siegfried - Burkhard Fritz
Gunther - Clemens Unterreiner
Hagen - Mika Kares
Alberich - Michael Nagy
Brünnhilde - Ricarda Merbeth
Gutrune - Regine Hangler
Waltraute - Monika Bohinec
Nornen - Noa Beinart, Juliette Mars, Regine Hangler
Rheintöchter - Ileana Tonca,
Stephanie Houtzeel, Daria Sushkova


„Götterdämmerung in neuer Besetzung

(Dominik Troger)

„Götterdämmerung“ bei frühsommerlichem Prachtwetter: An der Staatsoper ging der erste „Ring“-Durchgang zu Ende. Nahezu alle maßgeblichen Partien waren neu besetzt, was der Aufführung zusätzliche Würze verlieh.

Als Siegfried stellte sich erstmals Burkhard Fritz dem Wiener Publikum vor. Sein Wiener Rollenkatalog umfasste bisher Bacchus, Parsifal und den Arrigo in der „Sizilianischen Vesper“. Sein letzter Staatsopernauftritt liegt zehn Jahre zurück. Sein Rollendebüt als Siegfried verlief unglücklich, weil er vor dem dritten Aufzug wegen einer Allergie angesagt werden musste. Fritz begann den Abend zurückhaltend, steigerte sich dann im Laufe des ersten Aufzugs. Einen „großformatigen“ Heldentenor hat er nicht ins Feld geführt. Im zweiten Aufzug hatte er ab der Leistung des „ewigen Eides“ auf Hagens Speerspitze mit einer Indisposition zu kämpfen. Im dritten Aufzug bewährte er sich als versierter „Langstreckenläufer“, der die letzten zähen Kilometer noch mit Anstand über die Runden bringt, auch wenn er weiß, dass es zu keiner persönlichen Bestzeit mehr reichen wird.

Ricarda Merbeth hat ihren ersten Wiener „Ring“ als Brünnhilde mit einer überzeugenden Leistung abgeschlossen. Was ihr gesanglich an hochdramatischen Energien abgehen mag, konnte sie in der „Götterdämmerung“ durch eine ausdrucksstarke Rollengestaltung wettmachen. Es gelang ihr sogar, dieses Pathos zu wecken, mit dem Wagner seine Götter auf dem Brandaltar opfert. Der Mythos will schließlich mit allen Sinnen beschworen werden, sonst bleibt er Makulatur – und liegt nicht gerade darin die Faszination von Wagners Musikdramen? Rückblickend betrachtet hat Merbeth die etwas eindimensionale Erweckungsszene im „Siegfried“ am wenigsten behagt.

Eine Hagen-Entdeckung war der finnischen Bass Mika Kares. Kares ist Wiener Opernfans nicht nur aus dem Theater an der Wien bekannt, wo er unter anderem als Komtur zu hören war und in Händels „Agrippina“. An der Staatsoper hat er laut Online-Archiv 2017 als Fürst Gremin debütiert. Kares verlieh Hagen die unheilschwangere Tiefgründigkeit eines bösen Charakters, der mit einer leicht abrundenden Noblesse den Menschen, die mit ihm zu tun haben, scheinbare Verbindlichkeit vorgaukelt. Seine Stimme ist nicht „dunkelschwarz“, aber schwarz genug, um die Düsternis, die Hagen umgibt, ausreichend anklingen zu lassen – in Summe ein starkes Rollendebüt des finnischen Sängers.

Der Gunther von Clemens Unterreiner überzeugte wie schon letzte Saison als schönstimmiger, fescher, aber etwas verweichlichter Kerl, der Hagen nichts entgegenzusetzen hat und dessen „sitz‘ ich herrlich am Rhein“ auf ziemlich tönernen Füßen steht. Regina Hangler hat der Gudrune Kontur verliehen und mit ihrem schon leicht metallisch färbenden Sopran wusste sie sich in dem patriarchalen Umfeld der Gibichungen ausreichend Gehör zu verschaffen. Monica Bohinec mit Rollendebüt an der Staatsoper sang eine gute, etwas vibratolastige Waltraute, Michael Nagy (ebenfalls mit Rollendebüt am Haus) brachte sich in seiner kurzen Szene Hagen nachdrücklich in Erinnerung. Die Nornen, die Rheintöchter und der Chor der Staatsoper waren eine gelungene Abrundung – wobei laut rosa Zettel bei den Abendplakaten Stephanie Houtzeel für Patricia Nolz als Wellgunde antrat. (Für einen Hinweis in den Programmzetteln ist es sich zeitlich offenbar nicht mehr ausgegangen, zumindest meiner hatte keinen.)

Franz Welser-Möst und das Staatsopernorchester sorgten für viele orchestrale Höhepunkte, auch beim Fortissimo des Trauermarsches blieb der Klang differenziert, mächtig, aber schlank, von einer stählernen Brutalität gezeichnet. Welser-Möst scheint im „Ring“ nicht den wolkigen Mythos suchen, seine Interpretation bleibt einem an der Handlung ausgerichteten Realismus verpflichtet, im Tempo gemäßigt schnell, im Finale des dritten Aufzugs für meinen Geschmack eine Spur zu flott, ohne der Tetralogie noch einen große, alle Verbrechen entsühnende Erlösungsromantik aufzusetzen. Ist das schade? Vielleicht.

Zwölf Minuten Schlussapplaus beweisen, dass es dem Publikum gefallen hat, sich endlich wieder einmal eine ganze Dosis „Ring“ zu verpassen. Und wer dies noch nicht getan hat oder sich eine zweite „Runde“ genehmigen möchte, hat ab kommendem Mittwoch noch einmal Gelegenheit dazu. Die Inszenierung von Sven-Eric Bechtolf ist dafür kein Hinderungsgrund – und außerdem ist in der nächsten Saison der „Ring“ überhaupt nicht angesetzt.