DIE WALKÜRE
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Wiener Staatsoper
9.2.2003

Dirigent: Donald Runnicles

Siegmund - Christian Franz
Hundig - Kurt Rydl
Wotan - Albert Dohmen
Sieglinde - Waltraud Meier
Brünnhilde -
Luana DeVol
Fricka - Mihoko Fujimura
Helmwige - Donna Ellen
Gerhilde - Ricarda Merbeth

Ortlinde - Arona Bogdan
Waltraute - Mihaela Ungureanu
Siegrune - Stella Grigorian
Roßweiße - Waltraud Winsauer
Grimgerde - Svetlana Serdar
Schwertleite - Cornelia Salje


Zartbesaitet...
(Dominik Troger)

Die Walküren gaben sich wieder ein Stelldichein und zogen ihre Bühnenshow ab. Der entzürnte Wotan schickte sie aber bald wieder nach Hause. Das Publikum war sehr begeistert, und die Wiener Staatsoper ließ sich zu einer fast enthusiastischen Presseaussendung hinreißen.

Selbige Presseaussendung vermeldet einen 30-minütigen Schlussapplaus: nach Herablassen des Eisernen Vorhangs sind demnach die SängerInnen noch einmal an der Seite herausgekommen – was ja in der Tat selten genug der Fall ist. Ich selbst hatte die in dieser Presseaussendung geschilderten Ovationen allerdings nur ungefähr bis zum ersten Drittel mitgemacht. Ja, ich war wirklich der Meinung gewesen, dass es des Applauses genug sei, hatte meine Hände in die Hosentasche gepackt und war davonmarschiert.

Nun wird man die Aufführung sicher in guter Erinnerung behalten, aber sie war insgesamt nicht homogen genug, um zu solch überschwenglichem Jubel Anlass zu geben. Der Knackpunkt war vor allem der erste Aufzug, der ein starkes Trägheitsmoment aufwies, wobei sich diesmal Donald Runnicles und Christian Franz in die Hände arbeiteten und zu zweit gemächlich durch diesen wonnenmondlichen Lenzeswald spazierten. Franz – und das hat auch seine Vorteile, das sei gleich vorneweg gesagt – legt sehr großen Wert auf eine ausgefeilte Interpretation des Textes. Dem jungen, kampfesmutigen Siegmund kommt dadurch allerdings einiges an Sand „ins Getriebe“, und die „Winterstürme“ geraten da fast zu einem „Schubertlied“. Und wie er so den einzelnen Versen nachspürte, verlor sich darüber die mitreißende Liebes-Dynamik, die der erste Aufzug der Walküre so schicksalhaft in sich birgt. Der Franz’sche Siegmund wirkte ein wenig, wenn man das so sagen darf, „verzärtelt“: dabei kommt er doch gerade verletzt und mannesmutig aus der Schlacht. Und das taumelnde barbarische Glück der Lenzesnacht musste ergo dessen Waltraud Meier verwirklichen, die aber auch erst mit einem inbrünstigen „Sieglinde bin ich, die dich ERSEHNT“, diesen ersten Aufzug in jene Sphären taumelnden Liebeswahnsinns hineinkatapultierte, wo er hingehört. Ein emphatischer Schlusspunkt, der einen dann mit dem Rauschen des ausklingenden Orchesters wirklich von den Sitzen riss – mitten ins Wagner‘sche Elysium hinein. Da brauste Jubel auf, das Wölflingspaar umbrandend.

Albert Dohmen gelang ein guter Wotan, dem gegen Ende zwei, dreimal die Stimme wegsackte, wie ein seltsames Luftloch, in dem der Ton verschwand, um aber gleich darauf wieder frisch emporzutauchen. Den Loge zitierte er schlussendlich mit guter stimmlicher Prachtentfaltung zum Feuerbrand. Doch insgesamt fehlte seinem Wotan noch der letzte Schliff, die Patina, die ihn veredelt und verfeinert. Das wurde vor allem in den mehr erzählenden Passagen oder in der Auseinandersetzung mit Fricka deutlich, wo die pointierte Zuspitzung des Charakters nicht realisiert wurde und eine gewisse Gleichförmigkeit des Ausdrucks Platz griff, die keine besondere Emotionalität erweckte. Und diese Fricka von Mihoko Fujimura war wieder sehr gut gelungen, und setzte Wotan gehörig zu.

Der Walküren-Brünnhilde von Luana Del Vol fehlt es an emotionaler Wärme, das ist Schade und nimmt vor allem der Todesverkündigung, aber auch der langen Zwiesprache mit Wotan im dritten Aufzug diesen zu Herzen gehenden, berührenden Ton. (Aber so etwas ist natürlich immer ein ganz persönlicher Eindruck.) Insgesamt gelang ihr der Abend viel besser, als bei ihrem Debut in der letzten Saison.

Donald Runnicles startete erst mit dem zweiten Aufzug voll durch und erreichte zum Teil schon während der Wotanserzählung, spätestens aber im dritten Aufzug wieder das hohe Niveau seines kompakten, in den Streichern fest verankerten Wagnersounds. So manche Unausgewogenheiten im Orchester ließen allerdings wieder den Wunsch wach werden, Runnicles möge einmal genügend Vorbereitungszeit haben (vielleicht im Rahmen einer „Wiederaufnahme“), um mit entsprechendem Feinschliff seine großartige Ring-Interpretation blitzblank zu polieren.