DIE WALKÜRE
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Wiener Staatsoper
20.10.2002

Dirigent: Adam Fischer

Siegmund - Siegfried Jerusalem
Hundig - Matti Salminen
Wotan - Peteris Eglitis
Sieglinde - Evelyn Herlitzius
Brünnhilde -
Deborah Polaski
Fricka - Minoko Fujimura
Helmwige - Gertrud Wittinger
Gerhilde - Ildiko Raimondi

Ortlinde - Arona Bogdan
Waltraute - Daniela Denschlag
Siegrune - Stella Grigorian
Roßweiße - Mihaela Ungureanu
Grimgerde - Songmi Yang
Schwertleite - Nadia Krasteva


Jugendliche Helden
(Dominik Troger)

Durchaus anregend verlief diese sonntägliche Walküre – vom kuscheligen Liebesgeflüster unterm Wonnemond bis zum loheumwaberten Brünnhildenfelsen.

Ja, das Liebesgeflüster. Hier spielten natürlich einige Faktoren mit, und es ist nur recht und billig sie der Reihe nach aufzuzählen. Dabei soll diesmal aber nicht an Siegfried Jerusalems bis auf das Fundament abgetragenen Heldentenor herumgenörgelt werden! Diese Tatsache ist hinlänglich bekannt. Dank Adam Fischer am Pult, der mit einem zügig dirigierten ersten Aufzug Jerusalem nicht allzuviel Atem und Lyrismen abverlangte, hielten sich die gesanglichen Irritationen in unerwartet engen Grenzen. Und dass Jerusalem nach wie vor über eine starke Bühnenpräsenz verfügt, bewies er diesmal mit regem Spiel und Leidenschaft – angefacht vom emphatischen Kuschelkurs, den eine jungmädchenhafte Sieglinde, Evelyn Herlitzius, allem Wagner'schen Pathos zum Trotz, anschmiegsam und gefühlvoll über die Bühne steuerte. Da war die Zweisamkeit der Beiden nicht zu übersehen, das Verharren in einem ausgestreckten Miteinander, Armstreicheln und Anlächeln, samt schwungvoller Rolle zum effektvoll vorgenommenen Positionswechsel. Und hier, wo dem Alter nach Sieglinde leicht Sigmunds Tochter hätte sein können, übertrug sich die jugendliche Euphorie der Sängerin nur zum Besten auf den langgedienten Helden, auf dass er jugendlich erfrischt und unbekümmert nach dem seiner harrenden Schwert fasse. Ich hätte diese Szene nie und nimmer missen wollen.

Evelyn Herlitzius hatte sich voll in die Partie hineingeschmissen, ein Sieglindischer Trapezakt ohne Netz mit viel Persönlichkeit, wobei sich der gesangliche Faden des öfteren schon bis in die rote Zone spannte - ohne es allerdings dem der "Götterdämmerungs-Nornen" nachzumachen. Dem Musiktheater tut so etwas mehr als gut, und hebt selbiges über die gesangliche und schauspielerische Routine hinaus ins Besondere. Allerdings musste dem Zuhörer bald klar werden, dass diese leiseren, innigeren Sieglinden-Töne in der euphorischen Aufwallung zu einem starken Oszillieren neigten, das wie ein blinkendes, grelles Warnlicht die Grenzen der stimmlichen Belastbarkeit deutlich aufzeigte. Dass Herlitzius in Bayreuth heuer sogar die Brünnhilde gesungen hat, kann man unter den Gegebenheiten der stimmsaugenden Staatsoper schwer nachvollziehen. Nun, sie war dort auch als Antithese zum herkömmlichen Brünnhilden-Topos gepusht worden – und es fragt sich, ob das erstens wirklich Sinn und zweitens auch über einen längeren Zeitraum ihr eine „gute Stimme" macht. Anhand der auf verlässlich hohem Niveau agierenden Deborah Polaski konnte man sich an diesem Abend nämlich gleich überzeugen, was eine Brünnhilden-Stimme wirklich ausmacht und sie trägt (und das auf viele Jahre berechnet). Herlitzius ging es da nämlich ähnlich wie Peteris Eglitis, der sich, ebenso jugendlich, mit Hingabe und einigen interessanten Akzentsetzungen dem Wotan widmete: (noch) keine Stimmen mit jener gewachsenen Durchschlagskraft, die auch in einem großen Haus wie der Staatsoper die Stimmressourcen nicht über Gebühr ausbeutet.

Beide hatten das Glück, dass Adam Fischer am Pult sich nach ihnen richtete (und natürlich auch nach Siegfried Jerusalem) und das Orchester sehr stark zurücknahm, das Geschehen auf der Bühne deklamatorisch unterstützend. So gab es einen sehr kompakten, fast trockenen Klang, der sich nur in den Vor- und Zwischenspielen ein wenig auffächerte und dann die Bläser (nicht immer ganz sauber) mächtig in den Vordergrund spielte. Ansonsten herrschte eine strenge Zurückhaltung, die aber der Textdeutlichkeit der Sänger – auch Eglitis überraschte mit einer durchaus ansprechenden Diktion – nur entgegenkam. So konnte sich schon im ersten Aufzug ein anregendes, wortgetragenes Tete-à-tete entwickeln, und Fischer holte nur zwischendurch, wenn gerade wenig oder nichts zu singen war, wieder „orchestralen" Schwung und Lautstärke, um das Rad in Bewegung zu halten. Der Abend entwickelte sich also durchaus spannend und erst mit dem Feuerzauber ging allem ein wenig die Luft aus, und das charakteristische Funkeln und Glitzern der Partitur wirkte seltsam fremd und kaum ausgekostet. Aber da war der Abend schon „rund" und pragmatisch über die Bühne gebracht.

Peteris Eglitis hat eine weiche Stimme, das „Heldische" und „Herrische" ist noch nicht prägnant entfaltet – und der „Abschied" wurde ihm ein wenig „atemlang". Schließlich – um Loge herbeizurufen – kam er fast noch zu spät zu seinem im Bühnenvordergrunde liegenden Speer, weil er solange Brünnhilde auf ihrem Felsenbett mit Schild, Helm und Schwert drapiert hatte. Eglitis war für Falk Struckmann eingesprungen und kann mit seinem Staatsopern-Debut auf jeden Fall zufrieden sein. Dem Applaus nach zu schließen waren es auch die Zuschauer.

Matti Salminen mochte keinen Speck und nahm nur etwas Brot vom zugerüsteten Mahle. Sein mächtiges Organ erfüllte den Germanenhäuptling wieder mit aller gebotenen mächtigen Durchschlagskraft und Entzürntheit. Dieser Sänger kommt wie eine grimmige Naturerscheinung über einen, und es ist jedesmal schade, das der Hunding nicht allzuviel zu singen hat. Salminen ließ sich auch von der dramatischen Aktivität dieser Sieglinde anstacheln, und als Siegmund lautstark verkündete, es dränge ihn unter anderem auch zu Frauen, da fing sich Hunding seine Sieglinde ein und schloss sie in seine mächtigen Arme, nachdem er sie genötigt hatte, neben ihm auf dem Heurigenbankerl zu sitzen.

Mihoko Fujimura sorgte für eine ansprechend entzürnte Fricka, die sich mit Wotan ein spannendes „Ehe-Match" lieferte.

Applaus nachher stark, am stärksten für Polaski und Fischer; Jerusalem ebenfalls mit viel Applaus und wenigen, nicht sehr stark vernehmbaren Buhs. Der geworfene Blumenstrauß hat ihn hoffentlich darüber hinweggetröstet.