DIE WALKÜRE
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Wiener Staatsoper
9.5.2002

Dirigentin: Donald Runnicles

Siegmund - Clifton Forbis
Hundig - Kurt Rydl
Wotan - John Tomlinson
Sieglinde - Deborah Polaski
Brünnhilde -
Luana DeVol
Fricka - Petra Lang
Helmwige - Gertrud Wittinger
Gerhilde - Ricarda Merbeth

Ortlinde - Arona Bogdan
Waltraute - Nelly Boschkowa
Siegrune - Stella Grigorian
Roßweiße - Mihaela Ungureanu
Grimgerde - Svetlana Serdar
Schwertleite - Helene Ranada


Brünnhilden im "Doppelpack"
(Dominik Troger)

"Zwei" Brünnhilden, erfolgreiche Debüts, und eine andere Specksorte waren die Hauptkennzeichen dieser feiertäglichen Staatsopern-Walküre.

Die wichtigste Frage soll gleich zu Beginn beantwortet werden: Jawohl, bei den Hundings gab es diesmal eine andere Sorte von Speck zum Abendbrot, ein größeres, länglicheres Stück Wachauer Jausenspeck mit hellerer Schwarte, das weitaus originärer wirkte als der 30 Deka-Karreespeckriegel vom letzten Mal. Der runde Brotlaib, gleich zur "Mahl-Rüstung" von Hunding (Kurt Rydl) mit dem Dolche mittig aufgespießt, war wieder "g'staubt" und - Irrtum möglich - sah zumindest denen eines großen hiesigen Bäckerei-Filialisten ziemlich ähnlich. (Aber die Hundings müssen ja auch irgendwo ihr Brot einkaufen.)

Und ganz wie gewohnt gedieh das Mahl auch diesmal nicht sehr weit. Der fremde Gast (Siegmund alias Clifton Forbis) redete einfach zuviel und Hunding kapierte viel zu schnell, wenn er da zum Mahle geladen hatte: das Essen wird rasch wieder in ein altgermanisches, weißes Geschirrtuch eingeschlagen und hastig Sieglinde zur Bevorratung übergeben, Hunding bedient sich noch mal des Dolches als besonderem dramatischem Akzentuierungs-Werkzeug und rammt ihn ächzend in die Tischplatte, dass es schon fast einer mutwilligen Requisiten-Zerstörung gleich kommt, und dann fliegen der Tisch und die zwei schmalen Heurigenbankerl schon zur Seite. (Es wird das immer mehr zu meiner Lieblingsszene des ersten Aufzugs...) Wenig später darf Forbis dann auch verheißungsvoll-verzweifelt seine Wälse-Rufe (sehr solide!!!) von sich geben und seine Sieglinde (Deborah Polaski) in die Arme schließen.

Forbis glänzte mit beeindruckendem heldischen (!) "Roh"-Material, mit dem er jugendlich-vielversprechend an den Schlüsselstellen fokussiert auftrumpfte. Leider entpuppte er sich aber auch als ziemlicher Konsonantenverschlucker, was dem Wagner'sche Stabreimgeflecht und einem nuancierten Gesangesvortrag weniger gut bekam. Eine im Internet aufgespürte Notiz anlässlich einer Fidelio-Aufführung vom April 1998 der Canadian Opera Company hat jedenfalls schon damals den richtigen Weg gewiesen (http://www.scena.org/lsm/sm3-7/sm3-7Concertrevies.com): "It is incredible but true that in about two years Forbis has graduated from Lensky to Florestan. The inhuman tessitura of ‚Gott! Welch Dunkel hier' and the final measures where so many tenors strain held no terrors for him. Word has it that Siegmund is on the horizont: it looks like we have another Heldentenor in the making..." - und im November 1999 sang Forbis dann schon Siegmund an der Dallas Oper. Es war nur ganz recht, ihn - so ungeschliffen er auch noch ist - an die Wiener Staatsoper zu bringen. Dem hiesigen Opernfreund bewies er nämlich, dass Siegmunde wirklich Stimme haben können!!!

Aber in Dallas dürfte man ihm nicht so recht erklärt haben, was da im ersten Aufzug Walküre eigentlich passiert: Denn magisch angezogen von Notungs neidlichem Stahl, folgte er nicht nur Wagner's Regieanweisung, so wie es sich gehört ("Siegmund eilt auf den Stamm zu und fasst den Schwertgriff"), sondern er nahm es in ungestümer Begierde gleich an sich, richtete es mit gestreckten Armen auf das Publikum, sang sein "Siegmund heiß ich und Siegmund bin ich", um es dann, beim eigentlich entscheidenden "heraus aus der Scheide zu mir!" nur kurz nach oben zu zucken - und das Publikum folgte dem Geschehen mit verwunderter Erheiterung.

Aber was soll's, das Debüt ist gelungen: "it looks like we have really a Helden(!)tenor in the making..." (Er wurde nach dem zweiten Aufzug mit viel Applaus und einigen Bravorufen verabschiedet - möglicherweise waren auch ein paar vereinzelte, unnötige Buhs darunter gemischt, ich selbst habe keine gehört.)

Als Siegmunds Schwester debütierte - nach kurzfristiger Absage von Deborah Voigt - Deborah Polaski, die auf diese Weise (und ursprünglich als Brünnhilde angesetzt) unvermutet zu ihrem Wiener Sieglinden-Debüt kam. Schade, dass man so lange darauf hat warten müssen: denn alle Vorzüge ihrer immer sehr berührend gestalteten Brünnhilde fanden sich auch in ihrer Sieglinde wieder. Und allzuoft wird man sich diesen "Luxus" nicht leisten können, dass man eine Polaski als Sieglinde auf die Bühne bittet.

Als Brünnhilde war Luana DeVol eingesprungen - diesmal stimmlich weit besser disponiert als bei ihrem Walküren-Debut vor rund einem Monat. Im direkten Vergleich mit Deborah Polaski punktete allerdings jene deutlich gegenüber DeVols statuarisch-heroischer Rolleninterpretation. Mir geht bei DeVol's Walküren-Brünnhilde die Identifikationsmöglichkeit ab. Es bleibt eine Distanz, die neben ihrem heroinenhaften Spiel auch von ihrer etwas blassen, nicht so zum Aufblühen fähigen Stimmfärbung herrühren mag, die die emotionale Zuneigung der Zuhörer nicht so leicht gewinnt. (Und für die Heroine fehlen ihr dann halt doch diese raumdurchbohrenden Spitzentöne.) Aber - dieser Zweifel ist jetzt endgültig ad acta gelegt - mit Luana DeVol hat die Staatsoper eine neue, verlässliche Brünnhilde gewonnen.

John Tomlinson's Wotan hatte mich vor zwei Jahren schwer begeistert, diesmal schien mir die sängerische Linie etwas unter seiner überstarken Expressivität zu leiden. Keine Frage, er hob die Wotan-Erzählung im zweiten Aufzug schon fast auf das Niveau eines Shakespeare-Monologs: "Sein oder Nicht-Sein" versus "Nur eines will ich noch: das Ende, das Ende!" Ich schätze mal, Wagner hätte sich diesen Vergleich sicher gefallen lassen... Tomlinson ist vom Stimmvolumen natürlich phänomenal und von der Wortdeutlichkeit ebenso. Aber er "warf" seinen Wotan dermaßen in die "Existenz", das ihm dabei das "Göttliche" abhanden kam - Zorn, Furcht, Leidenschaft, Gewalttätigkeit, aber zuwenig der eigene Souverän.

Petra Lang -auch Debütantin - half als Fricka dem Erinnerungsvermögen ihres Gemahles auf die Sprünge. Sie entwirrte Wotans scheinheilig gesponnenes Lügengeflecht stimmlich eindrucksvoll und mit prägnantem Spiel - was ihr auch viel Applaus und viele Bravo-Rufe einbrachte.

Donald Runnicles agierte bewährt - und so konnte man gegen 22 Uhr sehr zufrieden und musik-gesättigt nach Hause gehen.