DIE WALKÜRE
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Staatsoper
22. Juni 2025

Dirigent: Philippe Jordan

Siegmund - Andreas Schager
Hundig - Kwangchul Youn
Wotan - Iain Paterson
Sieglinde - Simone Schneider
Brünnhilde - Anja Kampe
Fricka - Monika Bohinec
Helmwige - Regine Hangler
Gerhilde - Jenni Hietala
Ortlinde - Anna Bondarenko
Waltraute - Stephanie Houtzeel
Siegrune - Isabel Signoret
Grimgerde - Stephanie Maitland

Schwertleite - Freya Apffelstaedt
Roßweiße - Daria Sushkova


„Noch einmal Walküre“
(Dominik Troger)

Die zweite „Walküre“ im Staatsopern-Juni 2025 stand wieder im Zeichen eines starken Wälsungenpaares. Andreas Schager fand dieses Mal für den Siegmund auch differenziertere Töne. Außerdem wirft ein seltsamer Vorfall auf dem Galeriestehplatz einige Fragen auf.

Der Siegmund des Andreas Schager hat etwas von einem jahrmarktähnlichen Wettsingen an sich. Ein aus Enthusiasmus gespeister sängerischer Überschwang scheint ihn zu locken, die Wälserufe (der erste dieses Mal auffallend kürzer) werden wie Trophäen in die Auslage gestellt und sein in der Attacke schon grenzwertig anmutendes  „Wälsungenblut“ fegte von der Bühne wie ein tenoraler Schwertstreich.

Schager sang aber trotz dieser Kraftbeweise insgesamt differenzierter als in der ersten „Walküre“-Vorstellung Anfang Juni, was den Winterstürmen, aber vor allem dem zweiten Aufzug gut tat. Der Moment, als Schager und Simone Schneider (Sieglinde) nach dem ersten Aufzug gemeinsam vor den Vorhang traten, entfesselte den Aufschrei eines völlig faszinierten Publikums. Trotzdem hat mich die Aufführung in der Meinung bestärkt, dass Schager als Siegfried stimmlich und darstellerisch einen überzeugenderen Gesamteindruck hinterlässt: Was bei seinem Siegmund zur „Pose“ wird, macht aus seinem Siegfried einen „Charakter“.

Viel Charakter hat der Wotan von Iain Paterson nicht vermittelt – sein Bariton klang leider wieder glanzlos, wenn auch mit Durchhaltevermögen begabt. Die Stimme – obwohl er eigentlich über eine gute deutsche Aussprache verfügt – „rutschte“ ihm immer wieder eigentümlich in die Nase („Vertr~Ä~ge“, „Schw~E~rt“ ...) und ließ eine tiefere Ausgestaltung des Textes vermissen. Nicht nur der Wotanserzählung im zweiten Aufzug fehlte die Kontur – und müsste man bei Frickas Vorhaltungen nicht spüren, in welche Argumentationsnöte Wotan gerät, wie er – auch später noch – listig versucht, sich selbst zu belügen? Vielleicht funktioniert sein Wotan besser an einem kleineren Haus, für die Staatsoper im Juni 2025 waren sein Charisma und seine Stimme zu wenig ausreichend.

Seine Bühnentochter Anja Kampe liegt nach den Eindrücken vom ersten „Ring“-Durchgang die „Walküre“ am besten, auch wenn ihrer Stimme die Karrierejahre anzuhören sind. Das angenehme Timbre ihres Organs schafft ihr aber viele Sympathien, erwärmte emotional, wo Siegmund heldisch und Wotan blass mit ihr in Zwiesprache gerieten – auch wenn mancher Spitzenton nicht mehr so zielgenau ins Schwarze trifft. Sie vermag auch darstellerisch sich diese emotionale Wärme zu bewahren, kann den seelischen Konflikt spürbar machen. Beim Engagement für Sieglinde im dritten Aufzug überzeugte die Kompromisslosigkeit ihres Entschlusses – und Simone Schneider mit ihrem festen, klaren Sopran, der genug Kraft bewies, um nicht nur beim „Hehrsten Wunder“ klangvoll aufzustrahlen, war viel mehr als eine „Einspringerin“ für Lise Davidsen, sondern kongeniale Bühnenpartnerin.

Im übrigen gefiel mir Kwangchul Youns Hundig: Er gab den Kerl zumindest so fies, wie ihn sich Wagner ausgedacht haben dürfte. Die Walküren agierten wieder als kompaktes Kollektiv. Die szenischen Heldenjagd, die sie am Beginn des dritten Aufzugs veranstalten, fällt unter die Kategorie von Sven-Eric Bechtolfs szenischen Spitzbübereien, und manches an der „Walküre“, wie eine stärkere Bezugnahme auf die Kindheitsgeschichte der Wälsungen, ist schon bald nach der Premiere entsorgt worden (im ersten Aufzug packt Sieglinde noch immer Kinderspielzeug aus, ein wegen der vorgenommenen Änderungen inzwischen „blindes Motiv“).

Seitens des Staatsopernorchesters unter Philippe Jordan fehlte es am Herausarbeiten von emotionalen Schattierungen: Wenn Hunding im Orchester anklingt, müsste dann dem Publikum nicht sofort die Gänsehaut über den Rücken laufen? Man kann – um einen Vergleich zu wagen – ein Gedicht herunterlesen oder es ausdruckstark rezitieren – und von dieser Ausdrucksstärke hätte ich mir mehr gewünscht. Wenn es um den großen Zuschnitt ging, etwa die Vorspiele, dann fanden Jordan und das Staatsopernrochester zu starker, mehr symphonischer Wirkung. Der Beginn des dritte Aufzugs hielt lange die Spannung, etwas rau im Klang. Aber im ersten Aufzug kam die Energie nach meinem Eindruck vor allem von der Bühne und nicht aus dem Orchestergraben, erst gegen den Schluss hin zündete dann auch dort der Funken. Und im zweiten Aufzug war es wieder die Todesverkündigung, die überzeugte, nach einer verflachenden Wotanserzählung. Manches geriet zu laut, vor allem Wotan konnte sich nicht immer gegenüber dem Orchester behaupten.

Der Schlussapplaus lag wieder bei knapp über zehn Minuten. Missfallensäußerungen seitens des Publikums habe ich keine vernommen, auch wenn der Beifall bei Wotan etwas abflachte.

PS: Wie man mir nach der Vorstellung berichtet hat, und wie inzwischen auch von anderer Seite (
Online Merker) bestätigt wurde, gab es in der ersten Pause auf der Galerie einen seltsamen Vorfall. Ein Stehplatzbesucher, der während des ersten Aufzugs das die Vorstellung störende Geplauder eines anderen Besuchers mit einem deutlich vernehmbaren „Ruhe“ erfolgreich abgestellt hat, wurde  in der Pause von Billeteuren unter Hinzuziehung von Polizei (!) des Hauses verwiesen! Der Vorfall wirft einige Fragen auf: Darf man seinen Sitz- oder Stehnachbarn während der Vorstellung nicht mehr verdeutlichen, dass Reden, Flüstern, Handyschauen, Fotografieren, Zuckerlpapierrascheln etc. die Vorstellung stört? Muss in einem solchen Fall das Einschreiten von Billeteuren abgewartet bzw. veranlasst werden? Muss jemand, der auf die Einhaltung der Hausordnung drängt, ab jetzt befürchten, dass er des Hauses verwiesen wird? Das wäre allerdings eine „verkehrte“ Welt.