„Noch einmal Walküre“
(Dominik Troger)
Die
zweite „Walküre“ im Staatsopern-Juni 2025 stand wieder im Zeichen eines
starken Wälsungenpaares. Andreas Schager fand dieses Mal für den
Siegmund auch differenziertere Töne. Außerdem wirft ein seltsamer
Vorfall auf dem Galeriestehplatz einige Fragen auf.
Der Siegmund des Andreas Schager
hat etwas von einem jahrmarktähnlichen Wettsingen an sich. Ein aus
Enthusiasmus gespeister sängerischer Überschwang scheint ihn zu locken,
die Wälserufe (der erste dieses Mal auffallend kürzer) werden wie
Trophäen in die Auslage gestellt und sein in der Attacke schon
grenzwertig anmutendes „Wälsungenblut“ fegte von der Bühne wie
ein tenoraler Schwertstreich.
Schager sang aber trotz dieser Kraftbeweise insgesamt differenzierter
als in der ersten „Walküre“-Vorstellung Anfang Juni, was den
Winterstürmen, aber vor allem dem zweiten Aufzug gut tat. Der Moment,
als Schager und Simone Schneider (Sieglinde) nach dem ersten Aufzug
gemeinsam vor den Vorhang traten, entfesselte den Aufschrei eines
völlig faszinierten Publikums. Trotzdem hat mich die Aufführung in der
Meinung bestärkt, dass Schager als Siegfried stimmlich und
darstellerisch einen überzeugenderen Gesamteindruck hinterlässt: Was
bei seinem Siegmund zur „Pose“ wird, macht aus seinem Siegfried einen
„Charakter“.
Viel Charakter hat der Wotan von Iain Paterson
nicht vermittelt – sein Bariton klang leider wieder glanzlos, wenn auch
mit Durchhaltevermögen begabt. Die Stimme – obwohl er eigentlich über
eine gute deutsche Aussprache verfügt – „rutschte“ ihm immer wieder
eigentümlich in die Nase („Vertr~Ä~ge“, „Schw~E~rt“ ...) und ließ eine
tiefere Ausgestaltung des Textes vermissen. Nicht nur der
Wotanserzählung im zweiten Aufzug fehlte die Kontur – und müsste man
bei Frickas Vorhaltungen nicht spüren, in welche Argumentationsnöte
Wotan gerät, wie er – auch später noch – listig versucht, sich selbst
zu belügen? Vielleicht funktioniert sein Wotan besser an einem
kleineren Haus, für die Staatsoper im Juni 2025 waren sein Charisma und
seine Stimme zu wenig ausreichend.
Seine Bühnentochter Anja Kampe
liegt nach den Eindrücken vom ersten „Ring“-Durchgang die „Walküre“ am
besten, auch wenn ihrer Stimme die Karrierejahre anzuhören sind. Das
angenehme Timbre ihres Organs schafft ihr aber viele Sympathien,
erwärmte emotional, wo Siegmund heldisch und Wotan blass mit ihr in
Zwiesprache gerieten – auch wenn mancher Spitzenton nicht mehr so
zielgenau ins Schwarze trifft. Sie vermag auch darstellerisch sich
diese emotionale Wärme zu bewahren, kann den seelischen Konflikt
spürbar machen. Beim Engagement für Sieglinde im dritten Aufzug
überzeugte die Kompromisslosigkeit ihres Entschlusses – und Simone Schneider
mit ihrem festen, klaren Sopran, der genug Kraft bewies, um nicht nur
beim „Hehrsten Wunder“ klangvoll aufzustrahlen, war viel mehr als eine
„Einspringerin“ für Lise Davidsen, sondern kongeniale Bühnenpartnerin.
Im übrigen gefiel mir Kwangchul Youns
Hundig: Er gab den Kerl zumindest so fies, wie ihn sich Wagner
ausgedacht haben dürfte. Die Walküren agierten wieder als kompaktes
Kollektiv. Die szenischen Heldenjagd, die sie am Beginn des dritten
Aufzugs veranstalten, fällt unter die Kategorie von Sven-Eric Bechtolfs
szenischen Spitzbübereien, und manches an der „Walküre“, wie eine
stärkere Bezugnahme auf die Kindheitsgeschichte der Wälsungen, ist
schon bald nach der Premiere entsorgt worden (im ersten Aufzug packt
Sieglinde noch immer Kinderspielzeug aus, ein wegen der vorgenommenen
Änderungen inzwischen „blindes Motiv“).
Seitens des Staatsopernorchesters unter Philippe Jordan
fehlte es am Herausarbeiten von emotionalen Schattierungen: Wenn
Hunding im Orchester anklingt, müsste dann dem Publikum nicht sofort
die Gänsehaut über den Rücken laufen? Man kann – um einen Vergleich zu
wagen – ein Gedicht herunterlesen oder es ausdruckstark rezitieren –
und von dieser Ausdrucksstärke hätte ich mir mehr gewünscht. Wenn es um
den großen Zuschnitt ging, etwa die Vorspiele, dann fanden Jordan und
das Staatsopernrochester zu starker, mehr symphonischer Wirkung. Der
Beginn des dritte Aufzugs hielt lange die Spannung, etwas rau im Klang.
Aber im ersten Aufzug kam die Energie nach meinem Eindruck vor allem
von der Bühne und nicht aus dem Orchestergraben, erst gegen den Schluss
hin zündete dann auch dort der Funken. Und im zweiten Aufzug war es
wieder die Todesverkündigung, die überzeugte, nach einer verflachenden
Wotanserzählung. Manches geriet zu laut, vor allem Wotan konnte sich
nicht immer gegenüber dem Orchester behaupten.
Der Schlussapplaus lag wieder bei knapp über zehn Minuten.
Missfallensäußerungen seitens des Publikums habe ich keine vernommen,
auch wenn der Beifall bei Wotan etwas abflachte.
PS: Wie man mir nach der Vorstellung berichtet hat, und wie inzwischen
auch von anderer Seite („Online Merker“) bestätigt wurde, gab es in der
ersten Pause auf der Galerie einen seltsamen Vorfall. Ein
Stehplatzbesucher, der während des ersten Aufzugs das die Vorstellung
störende Geplauder eines anderen Besuchers mit einem deutlich
vernehmbaren „Ruhe“ erfolgreich abgestellt hat, wurde in der
Pause von Billeteuren unter Hinzuziehung von Polizei (!) des Hauses
verwiesen! Der Vorfall wirft einige Fragen auf: Darf man seinen Sitz-
oder Stehnachbarn während der Vorstellung nicht mehr verdeutlichen,
dass Reden, Flüstern, Handyschauen, Fotografieren,
Zuckerlpapierrascheln etc. die Vorstellung stört? Muss in einem solchen
Fall das Einschreiten von Billeteuren abgewartet bzw. veranlasst
werden? Muss jemand, der auf die Einhaltung der Hausordnung drängt, ab
jetzt befürchten, dass er des Hauses verwiesen wird? Das wäre
allerdings eine „verkehrte“ Welt.
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