DIE WALKÜRE
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Wiener Staatsoper
2.4.2000

Dirigent: Donald Runnicles

Siegmund - Poul Elming
Hundig - Matti Salminen
Wotan - John Tomlinson
Sieglinde - Waltraud Meier
Brünnhilde -
Gabriele Schnaut
Fricka - Marjana Lipovsek


Walküre hymnisch!
(Dominik Troger)

Manchmal gibt es wirklich Aufführungen, die halten, was der Besetzungszettel verheißungsvoll verspricht. Dann wird zum Beispiel das wonnige Liebesweben der Walküre wirklich von der unerbittlichen Dynamik des Schicksals durchbohrt, wie Siegmund von Hagens Speer - und am Schluss verpulversiert sich das Handlungsknäuel im Feuerzauber zu einem vermeintlichen Ende, das eigentlich nichts anderes ist als ein waberndlohender Vorgriff auf die Götterdämmerung.

Vorher hat Wotan (John Tomlinson) aber seine Brünnhilde (Gabriele Schnaut) noch auf Gesanges-Rosen gebettet, im wahrsten Sinne des Wortes, nachdem er innerlich vor ihrem göttlich-heldischen Sinn kapitulieren musste. Ja, das ist schon ein Gradmesser für die unterschiedlichen Brünhilden-Interpretationen, die man hören und sehen kann. Die Schnaut kann sich natürlich ihr (ein wenig kapriziöses) Heldentum dank ihrer stimmlichen Durchschlagskraft leisten, und sie ist deshalb immer eine sehr selbstsichere Brünnhilde, ganz im Gegensatz etwa zu den Brünnhildens einer Hildegard Behrens oder Deborah Polaski, die ihren Weg als Weg des Mit-Leidens und Zweifelns gehen und - sozusagen - schon vor der Bekanntschaft mit Siegfried eine Art von menschlichem Gemütsanteil bewusst in sich tragen. Aber das sind Nuancen, denen man glücklicherweise nachspüren kann, wenn es keine Zweifel an der stimmlichen Integrität gibt.

Und Wotan? Seit Theo Adam hat niemand mehr mit solcher stimmlicher Prägnanz, noblem Timbre und ausgestaltender Wortdeutlichkeit den Wotan in Wien gesungen. Das war ein Maßstab für die nächsten zehn Jahre, der hier konstituiert worden ist. Tomlinson durchmaß die ganzen Tiefen der Wotan Erzählung, nachdem ihm Fricka (Marjana Lipovsek) in einem packenden Ehedrama ihre Meinung gesagt hatte, er geriet voll in Zorn über Brünnhildens Ungehorsam, und er ließ sich von ihr dann doch in seiner gewalttätige Strafe irritieren, fand in Wotans Abschied zurück zu einem milden, schmerzvollen Ausdruck, ehe er dank Loges Feuer den schützenden Flammenring um seine schlafende Tochter legte - um kraftvoll und beschwörend das "Wer meines Speeres Spitze fürchtet..." nachzusetzen. Dass er diesen umfassenden stimmlichen Anforderungen auch noch eine intensive Rollengestaltung abgewinnen konnte, unterstreicht seine Könnerschaft.

Und Sieglinde? Waltraud Meier war wieder voll Ekstase, aber - und es schmerzt das zu schreiben - mit ersten Sprüngen in ihrer stimmlichen Konsistenz. Möglicherweise handelte es sich aber auch nur um eine ganz natürliche Abtönung der stimmlichen Klangfarbe, die das strahlende Aufjubeln der Sieglinde, das aus früheren Jahren mir noch im Ohre klang, vermissen ließ. Aber auch das sind Marginalien, die ihr packendes Spiel, ihre verzückte Hingabe an die Rolle im nächsten Augenblick vergessen machte.

Und Siegmund? Poul Elming benötigte praktisch den ganzen ersten Aufzug, um sich mit dem großen Haus anzufreunden (obwohl das nicht sein Wien-Debut war). So geriet ihm der Siegmund im ersten Aufzug mehr zu einem braven Gesangsvortrag, denn zu einem leidenschaftlichen Helden. Leider wurde dadurch die dynamische Entwicklung des ersten Aufzugs doch empfindlich gestört, weil er dem Enthusiasmus von Waltraud Meier nicht nachzugeben vermochte. Und so zog er auch das Schwert mehr lässig als kraftvoll aus "der Esche Stamm", was man in diesem Zusammenhang - aufgewühlt von der Musik - als nicht so passend empfinden mußte. Vor dem prächtig disponierten Hunding (Matti Salminen) wirkte er denn auch mehr betreten als herausfordernd. Das mag auch an seiner kleineren (nicht kleinen!) Stimme liegen, die mehr die lyrischeren Qualitäten der Partie herausstreichen kann, als die heldischen forcieren. Vielleicht war es aber auch nur eine unbestimmte Nervosität, denn den zweiten Aufzug - der seinem Stimmcharakter aber auch näher kommt - gestaltete er um ein Vielfaches packender.

Bleibt zum Abschluss nur eines: nämlich eine weitere Lobeshymne auf das Orchester und Donald Runnicles zu singen. Erstens zeigte sich wieder einmal das ungeheure Potential dieser Musiker, die praktisch aus dem Stand jeden Repertoireabend zu einem Hörgenuss ersten Ranges machen können - und zweitens, dass Runnicles es wirklich schafft, von einer sehr intellektuellen, motivstruktur-durchforschenden Basis aus, die Wagnersche Partitur zu wahren Klanggemälden auszuspannen, und dabei - und das ist essentiell - diese schon angesprochene unerbittliche Dynamik, die nicht nur für die Walküre werkbestimmend ist, auch wirklich auf das Orchester zu übertragen. Schafft es ein Dirigent nicht, diese dynamischen Bögen zu spannen, dann kippt die Walküre in eine seichte, über weite Strecken recht langatmige Angelegenheit (das beste Beispiel ist die Interpretation von Daniel Barenboim, der zwar klangschön aber viel zu schlaff musizieren ließ). Einer dieser Bögen spannt sich beispielsweise vom ersten Takt des Walkürenritts (3.Aufzug) bis zum abschließenden Wotan-Brünnhilden Zwiegespräch, und Runnicles schaffte es wirklich, diesen Bogen hörbar zu machen, in atemberaubender Intensität, bis dieses Schicksalswogen vor der entscheidenden Aussprache der beiden Hauptprotagonisten Pause macht. Und dann entsteht ein neuer Bogen sehr langsam, der sich dann in der Überleitung zu Wotans Abschied in einer unglaublich breitgefassten Klangwelle auflöst, die dann über alles und alle wie das Fatum selbst hereinbricht, gleichsam wie eine letzte Gemütsaufwallung in Wotans Innerem selbst, ehe er, aber das hatten wir schon, seine Gesangesrosen für Brünnhilde ausstreut.

Der lange Applaus nachher - beigemischt diese dankbare Ekstase mit der die Gläubigen ihren Göttern huldigen - war durchaus angebracht.