DIE WALKÜRE
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Wiener Staatsoper
22. Juni 2023

Dirigent: Franz Welser-Möst

Siegmund - Daniel Frank
Hundig - Ain Anger
Wotan - Tomasz Konieczny
Sieglinde - Simone Schneider
Brünnhilde - Ricarda Merbeth
Fricka - Tanja Ariane Baumgartner
Helmwige - Regine Hangler
Gerhilde - Jenni Hietala
Ortlinde - Aurora Marthens
Waltraute - Alma Neuhaus
Siegrune - Isabel Signoret
Grimgerde - Monika Bohinec

Schwertleite - Noa Beinart
Roßweiße - Daria Sushkova



„Umbesetzungen sorgen für spannende Walküre“

(Dominik Troger)

Der aktuelle Staatsopern-„Ring“ nahm eine unerwartete Wendung: Ein bewährter und gut bekannter Wotan machte sich auf nach Wien, um die „Walküre“ zu retten. Und das Publikum bereitete ihm beim Schlussvorhang eine Ovation. Die Rede ist von Tomasz Konieczny, der an diesem Donnerstagabend seinen 18. (!) „Walküren”-Wotan an der Wiener Staatsoper gesungen hat.

Tomasz Konieczny war, wie der Staatsoperndirektor am Beginn der Vorstellung dem Publikum erläuterte, noch in der Nacht von den Bayreuther Festspielproben mit dem Auto nach Wien gefahren, um auszuhelfen. Am Vortag im „Rheingold“  hatte noch Eric Owens den Wotan gegeben, war aber auf Grund von Keislaufproblemen angesagt worden. Owens und Konieczny stehen für zwei ganz unterschiedliche Sängertypen: Owens Stimme ist eigentlich „profunder“, besitzt das schönere, dunklere Timbre, von einer feinen cremigen Noblesse umschmeichelt – aber der Sänger konnte jetzt bei seinen Staatsopernauftritten diese Vorzüge nie richtig ausspielen, wirkte stimmlich „müde“ und unstet, konnte sich auch darstellerisch nicht als „göttlicher“ Mittelpunkt in Szene setzen. Sein Wotan blieb statisch, mutete manchmal fast lethargisch an.
 
Tomasz Konieczny hingegen befeuerte die Rolle mit unerschöpflich scheinenden Energiereserven, verband Spiel und Gesang zu einem ausdrucksvollen musikdramatischen Gesamterlebnis, bei dem sein markant-raubeiniger Bassbariton Wotans Siege und Niederlagen mit kraftvoller Emphase auf die Bühne stellte. Sein Wotan wusste mitzureißen, sei es mit kluger textbezogener Gestaltung in der langen Erzählung im zweiten Aufzug oder dank seiner nie versiegenden Kraft, mit der er beispielsweise im Finale herrisch den loheschaffenden Loge beschwor. Zwölf Jahre nach seinem ersten Wiener Wotan ist ihm diese Figur zur zweiten „Haut“ gereift, wobei sich der „Schopenhauersche Anteil“ am Figurencharakter etwas erhöht haben dürfte. Bei seinen ersten Wiener Auftritten als Wotan Anfang der 2010er-Jahre obsiegte er mit einer jugendlichen Energie, einem „Sturm und Drang“-Wotan, der  jetzt  einem reflektierteren Rollenporträt gewichen ist.

Als Siegmund stellte sich an diesem Abend erneut ein Hausdebütant vor: Daniel Frank hat die Partie von
seinem Gesangeskollegen Giorgio Berrugi übernommen, der bei seinem Staatsopern-Erstauftritt als Siegmund Anfang Juni etwas glücklos agiert hatte. Frank singt sich seit rund zehn Jahren an kleineren Häusern mit Erfolg quer durchs Heldenrepertoire und seine Stimme hat es, wie an diesem Abend von ihm bewiesen wurde, ausgehalten. Trotzdem hätte ich nach dem ersten Höreindruck auf einen noch mit lyrischer Grundierung versehenen Zwischenfachtenor getippt. Das Timbre war deutlich heller als das von Berrugi, ließ auch etwas Metall hören, manchmal ganz leicht grell färbend. Die „Wälserufe“ wurden lange gehalten, doch sein gesangliches Ausdruckspotential war insgesamt etwas limitiert. Darstellerisch wirkte Frank zu unbedarft. Simone Schneider war Siegmund wie in der Vorstellung am 4. Juni wieder eine stimmstarke und die Handlung vorantreibende Schwester und Geliebte.

Ricarda Merbeth fand in der Brünnhilde eine zu Herzen gehende menschliche Ebene, war mehr Tochter als Walküre,  intensiv und überzeugend im Zusammenspiel mit Tomasz Koniecznys Wotan. Die Sängerin verfügte über die notwendigen Spitzentöne, Brünnhildes Schlachtgesang ging ihr leicht von den Lippen, die Mittellage könnte etwas breiter sein, der Todesverkündigung fehlten die satteren Farben einer autoritär das Heldenschicksal bestimmenden Wotanstochter. Ain Anger war wieder ein gefährlicher Hundig, Tanja Ariane Baumgartners Fricka ging mit passendem Nachdruck in den Ehestreit. Die Walküren waren wichtiger Bestandteil eines packenden dritten Aufzugs, in dem sich das Geschehen zu einem mitreißenden Opernabend rundete.

Das Orchester unter Franz Welser-Möst spielte sehr engagiert, begann den ersten Aufzug mit losstürmendem Vorspiel, um dann etwas spannungslos durch die nächste halbe Stunde zu steuern, bis es von der Geschwisterliebe wieder angefacht wurde. Die  Spannung hielt dann über weite Strecken an und kulminierte in einem großartigen (phasenweise auch etwas lautstarken) dritten Aufzug. (Dass dem Feuerzauber kurz eine paar
Holzbläserfunken verloren gingen, war zwar etwas seltsam, aber vielleicht hat sie Brünnhilde heimlich ausgepustet?)

Der Gesamteindruck war viel besser als nach der bereits erwähnten Aufführung am 4. Juni. Das Publikum war enthusiasmiert, der Schlussbeifall dauerte eine knappe Viertelstunde. Das Ensemble zeigte sich schlussendlich sogar noch einmal seitlich rechts an der Bühnenrampe, weil der Eiserne Vorhang etwas voreilig  herabgelassen worden war.