„Umbesetzungen sorgen für spannende Walküre“
(Dominik Troger)
Der
aktuelle Staatsopern-„Ring“ nahm eine unerwartete Wendung: Ein
bewährter und gut bekannter Wotan machte sich auf nach Wien, um die
„Walküre“ zu retten. Und das Publikum bereitete ihm beim Schlussvorhang
eine Ovation. Die Rede ist von Tomasz Konieczny, der an diesem
Donnerstagabend seinen 18. (!) „Walküren”-Wotan an der Wiener
Staatsoper gesungen hat.
Tomasz Konieczny
war, wie der Staatsoperndirektor am Beginn der Vorstellung dem Publikum
erläuterte, noch in der Nacht von den Bayreuther Festspielproben mit
dem Auto nach Wien gefahren, um auszuhelfen. Am Vortag im
„Rheingold“ hatte noch Eric Owens den Wotan gegeben, war aber auf
Grund von Keislaufproblemen angesagt worden. Owens und Konieczny stehen
für zwei ganz unterschiedliche Sängertypen: Owens Stimme ist eigentlich
„profunder“, besitzt das schönere, dunklere Timbre, von einer feinen
cremigen Noblesse umschmeichelt – aber der Sänger konnte jetzt bei
seinen Staatsopernauftritten diese Vorzüge nie richtig ausspielen,
wirkte stimmlich „müde“ und unstet, konnte sich auch darstellerisch
nicht als „göttlicher“ Mittelpunkt in Szene setzen. Sein Wotan blieb
statisch, mutete manchmal fast lethargisch an.
Tomasz Konieczny hingegen befeuerte die Rolle mit unerschöpflich
scheinenden Energiereserven, verband Spiel und Gesang zu einem
ausdrucksvollen musikdramatischen Gesamterlebnis, bei dem sein
markant-raubeiniger Bassbariton Wotans Siege und Niederlagen mit
kraftvoller Emphase auf die Bühne stellte. Sein Wotan wusste
mitzureißen, sei es mit kluger textbezogener Gestaltung in der langen
Erzählung im zweiten Aufzug oder dank seiner nie versiegenden Kraft,
mit der er beispielsweise im Finale herrisch den loheschaffenden Loge
beschwor. Zwölf Jahre nach seinem ersten Wiener Wotan ist ihm diese
Figur zur zweiten „Haut“ gereift, wobei sich der „Schopenhauersche
Anteil“ am Figurencharakter etwas erhöht haben dürfte. Bei seinen
ersten Wiener Auftritten als Wotan Anfang der 2010er-Jahre obsiegte er
mit einer jugendlichen Energie, einem „Sturm und Drang“-Wotan,
der jetzt einem reflektierteren Rollenporträt gewichen ist.
Als Siegmund stellte sich an diesem Abend erneut ein Hausdebütant vor: Daniel Frank hat die Partie von seinem Gesangeskollegen Giorgio Berrugi übernommen,
der bei seinem Staatsopern-Erstauftritt als Siegmund Anfang Juni etwas
glücklos agiert hatte. Frank singt sich seit rund zehn Jahren an
kleineren Häusern mit Erfolg quer durchs Heldenrepertoire und seine
Stimme hat es, wie an diesem Abend von ihm bewiesen wurde, ausgehalten.
Trotzdem hätte ich nach dem ersten Höreindruck auf einen noch mit
lyrischer Grundierung versehenen „Zwischenfachtenor“
getippt. Das Timbre war deutlich heller als das von Berrugi, ließ auch
etwas Metall hören, manchmal ganz leicht grell färbend. Die „Wälserufe“
wurden lange gehalten, doch sein gesangliches Ausdruckspotential war
insgesamt etwas limitiert. Darstellerisch wirkte Frank zu unbedarft. Simone Schneider war Siegmund wie in der Vorstellung am 4. Juni wieder eine stimmstarke und die Handlung vorantreibende Schwester und Geliebte.
Ricarda Merbeth fand in
der Brünnhilde eine zu Herzen gehende menschliche Ebene, war mehr
Tochter als Walküre, intensiv und überzeugend im Zusammenspiel
mit Tomasz Koniecznys Wotan. Die Sängerin verfügte über die notwendigen
Spitzentöne, Brünnhildes Schlachtgesang ging ihr leicht von den Lippen,
die Mittellage könnte etwas breiter sein, der Todesverkündigung fehlten
die satteren Farben einer autoritär das Heldenschicksal bestimmenden
Wotanstochter. Ain Anger war wieder ein gefährlicher Hundig, Tanja Ariane Baumgartners
Fricka ging mit passendem Nachdruck in den Ehestreit. Die Walküren
waren wichtiger Bestandteil eines packenden dritten Aufzugs, in dem
sich das Geschehen zu einem mitreißenden Opernabend rundete.
Das Orchester unter Franz Welser-Möst spielte
sehr engagiert, begann den ersten Aufzug mit losstürmendem Vorspiel, um
dann etwas spannungslos durch die nächste halbe Stunde zu steuern, bis
es von der Geschwisterliebe wieder angefacht wurde. Die Spannung
hielt dann über weite Strecken an und kulminierte in einem großartigen
(phasenweise auch etwas lautstarken) dritten Aufzug. (Dass dem
Feuerzauber kurz eine paar „Holzbläserfunken“ verloren gingen, war zwar etwas seltsam, aber vielleicht hat sie Brünnhilde heimlich ausgepustet?)
Der Gesamteindruck war viel besser als nach der bereits erwähnten
Aufführung am 4. Juni. Das Publikum war enthusiasmiert, der
Schlussbeifall dauerte eine knappe Viertelstunde. Das Ensemble zeigte
sich schlussendlich sogar noch einmal seitlich rechts an der
Bühnenrampe, weil der Eiserne Vorhang etwas voreilig
herabgelassen worden war.
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