DIE WALKÜRE
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Wiener Staatsoper
22. Mai 2022

Dirigent: Axel Kober

Siegmund - Stuart Skelton
Hundig - Dmitry Belosselskiy
Wotan - John Lundgren
Sieglinde - Lise Davidsen
Brünnhilde - Nina Stemme
Fricka - Monika Bohinec
Helmwige - Regine Hangler
Gerhilde - Aurora Martens
Ortlinde - Tamuna Gochashvili
Waltraute - Margaret Plummer
Siegrune - Ulrike Helzel
Grimgerde - Szilvia Vörös

Schwertleite - Noa Beinart
Roßweiße - Stephanie Maitland



„Seltener Glücksfall“

(Dominik Troger)


Der rosa Zettel beim Abendplakat weckte Befürchtungen, aber er betraf die Siegrune und nicht die Sieglinde. Denn natürlich drehte sich bei dieser „Walküre“ alles um Lise Davidsen, deren Wiener Erstauftritt als Wagnerheldin nach ihrer Absage für die „Walküre“ am 8. Mai umso sehnsüchtiger erwartet wurde.

Das Staatsoperndebüt von Lise Davidsen als Ariadne mit zwei Vorstellungen im Jahr 2017 ist relativ unbemerkt geblieben, fand noch vor dem großen Karriereschub statt, den die Sängerin in den letzten Jahren erleben durfte. An der Staatsoper folgte heuer im Jänner die Ellen Orford – und jetzt ihr Wiener Debüt als Sieglinde. Dass dieses ausgerechnet zu Wagners Geburtstag stattfand, ist sicher ein günstiges Vorzeichen.

Davidsens Stimme ist eine Naturgewalt, flutete die Staatsoper mit einem leicht kühl timbrierten Sopran voll metallischer Brillanz. Aber die Sängerin kann die Stimme genauso zurücknehmen, setzt sie dosiert ein, lässt sie dort Strahlen, wo es der Sache dient, und findet zu ruhigeren und empfindsameren Tönen, wenn die Gefühle nach Zartheit verlangen. Aber es ist schon so, dass das Heroische überwiegt, dass sich in den Gefühlen dieser Sieglinde ein Abglanz von Nothungs Schwertstahl bewahrt.

Den Unterschied kann man gut an der Brünnhilde der Nina Stemme festmachen, die an diesem Abend viel besser disponiert war als vor zwei Wochen (auch bei den „Hojotoho-Rufen“) – und die mit ihrer breiteren, warmtimbrierten Stimme innige Emotionen weckte. Davidsens Sopran ahnt schon das jugendliche Frohlocken der Schlachtenmaid, mit hellem Silberglanz, wo Stemme mit dunkelrotem Herzblut malt. Und deren Brünnhilde reifte zur Verantwortung heran, mit einem Zug mütterlicher Fürsorge um diese junge Frau bemüht, die wegen eines gottverordneten Schicksals, wegen einer hingebungsvollen Liebesnacht, hinausgestoßen wird in drachenbehauste Wälder. Beide Sängerinnen machten den Abend zum Ereignis.

Im Vergleich zur Aufführung vom 8. Mai war allgemein ein deutlicher Qualitätssprung festzustellen: Stuart Skelton sang wieder einen differenzierten Siegmund, die langgehaltenen Wälserufe erklangen ohne Probleme, erst gegen Ende des ersten Aufzugs nahm die Intensität seines Tenors ein wenig ab, mit Schwierigkeiten beim „Wälsungenblut“. Heroisch-innig gelang dann wieder der zweite Aufzug im Zusammenspiel mit Davidsen und Stemme.

John Lundgren wurde nicht angesagt und war besser bei Stimme als vor zwei Wochen. Aber auch an diesem Abend gab es wenig göttliche Strahlkraft. Sein Wotan wirkte etwas ramponiert: Wotan als ausgebrannter Mann, den das Projekt „Walhall“ samt den damit verbundenen geschäftlichen Transaktionen längst ruiniert hat? Vor allem die ruhigeren Passagen wurden schwerfällig vorgetragen, die Stimme war insgesamt mit starkem Vibrato angereichert, bei immer wieder eigenartiger Artikulation. Richtig „gefährlich“ schien es für seinen Bassbariton aber erst bei Wotans Abschied zu werden. Er brachte auch das über die Runden und raffte für die Anrufung Loges alle verbliebenen Kräfte zusammen.

Dmitry Belosselskiy hat seit der ersten Vorstellung ein paar Gramm an hintergründiger Gefährlichkeit zugelegt und Monika Bohinec steuerte wieder die Fricka bei. Das starke Vibrato konnte man dem Figurencharakter zurechnen. Die Walküren spielten erneut „Heldenfangen“ und schienen dabei einigen Spaß zu haben. Axel Kober und das Staatsopernorchester fanden an diesem Abend zu einer bessere Abmischung zwischen breiter genommenen lyrischen Passagen und zupackenderen Momenten – wobei Kober diesmal mehr auf Lautstärke gesetzt haben dürfte.

Der Schlussapplaus erreichte zwar nicht die zehn Minuten Marke, aber vor allem Davidsen und Stemme wurde gehuldigt. Lundgren musste auch Buhrufe hinnehmen, die sich auf meinem bühnennahen Platz aber stark mit Applaus und Bravorufen mischten.