DIE WALKÜRE
Aktuelle Spielpläne
Forum
Opernführer
Chronik
Home
Wagner-Portal

Wiener Staatsoper
8. Mai 2022

Dirigent: Axel Kober

Siegmund - Stuart Skelton
Hundig - Dmitry Belosselskiy
Wotan - John Lundgren
Sieglinde - Simone Schneider
Brünnhilde - Nina Stemme
Fricka - Monika Bohinec
Helmwige - Regine Hangler
Gerhilde - Aurora Martens
Ortlinde - Tamuna Gochashvili
Waltraute - Margaret Plummer
Siegrune - Isabel Signoret
Grimgerde - Szilvia Vörös

Schwertleite - Noa Beinart
Roßweiße - Stephanie Maitland



„Ring-Zeit an der Staatsoper“

(Dominik Troger)

Mit den letzten Winterstürmen hat sich – wie es scheint – die Pandemie verzogen. FFP2-Maskentragen wird im Haus zwar empfohlen, dürfte aber uncool sein. Der Stehplatz wurde wieder „rückgebaut“, die Bestuhlung entfernt. Genussvolles Geplauder auf der Terrasse sorgte während der beiden „Walküre“-Pausen für das Socializing: ein Opernbesuch, ganz so wie damals.

Die Wiener Staatsoper befindet sich mitten im ersten „Ring-Durchgang“. Über das „Rheingold“ vom Mittwoch hat man nicht nur Positives lesen und hören können, auch über der „Walküre“ hing trotz Wonnemond noch ein kleiner Unglücksstern. Aufgeklärt wurde das Publikum aber erst nach der zweiten Pause, als ihm mitgeteilt wurde, dass Wotan an einer Allergie leide, und dass er schon die „Rheingold“-Vorstellung indisponiert gerettet habe. Die Erklärung kam, was das „Rheingold“ betrifft, zwar zu spät, aber besser spät als nie. Und John Lundgren hat sich bei seinem Wiener Rollendebüt wacker durch die „Walküre“ gekämpft und ihm wurde seitens des Publikums dafür mit Applaus und Bravorufen gedankt.

Nina Stemme hat an der Staatsoper zwar vierzehnmal die „Siegfried“-Brünnhilde gesungen, aber nur zweimal die „Walküren“-Brünnhilde (Gastspiele nicht eingerechnet). Ihr letzter Wiener Auftritt als unbekümmertes Wotans-Kind liegt acht Jahre zurück. Brünnhildes jauchzend-frohlockende Schlachtenrufe erklangen an diesem Abend gesetzter und mit einiger Mühe. Danach verlieh sie dank ihrer fülligen Mittellage der Partie jene emotionale Intensität, die man sich erhofft hatte. Ihre Stimme scheint mir schwerer geworden zu sein, das Vibrato stärker.

Der australische Tenor Stuart Skelton hat seit seinem letzten Staatsopernauftritt im Jahr 2004 (!) eine bedeutende internationale Karriere hingelegt. Seine Stimme besitzt Individualität und Differenzierungsvermögen, ist in der Mittellage baritonal gefärbt, mit beigemischtem Metall, das sich aber auch unangenehm in der Vordergrund drängen kann – wie etwa bei den sehr lange gehaltenen, schon zu übermotiviert vorgetragenen Wälserufen. Wagemutig ließ er im Finale des ersten Aufzugs auch das „Wälsungenblut“ tenoral aufkochen – und hätte dabei fast Schiffbruch erlitten.

Dass ein bisschen weniger oft mehr ist, bezeugte sein stimmiger zweiter Aufzug, die Szenen mit Sieglinde und die Todesverkündung zählten zu den Höhepunkten der Aufführung. Skeltons Tenor betont in seiner Gesamtwirkung mehr den herben Leidensanteil der Wagnerschen Helden, weniger ihre heroisch-verklärende Strahlkraft. Das erklärt vielleicht, warum er derzeit als weitweit bester Interpret des Peter Grimes gehandelt wird: Auch bei seinem Siegmund spürt man intuitiv, dass das Leben kein Honiglecken ist.

Simone Schneider war für Lise Davidsen eingesprungen. Schneider überzeugte wie schon vor vier Jahren mit einer intensiven Darstellung von Sieglindes Liebe und Leid, gestützt auf einen leicht metallischen, schlanken, aber belastbaren Sopran. Die Fricka der Monica Bohinec beharrte nachdrücklich auf ihrer Meinung und Wotan wären auch ohne allergischer Beeinträchtigung bald die Argumente ausgegangen.

Trotz Simone Schneider und Stuart Skelton entwickelte sich der erste Aufzug etwas spannungslos. Der zu „gemütliche“ und stimmlich zu wenig tiefgründige Hunding von Dmitry Belosselskiy (ebenfalls Rollendebüt am Haus) verbreitete kaum Bedrohungspotenzial. Außerdem schien Axel Kober am Pult mehr auf einen gefühlvollen Wagner zu setzen, schön in den Streichern nachvollzogen, aber es fehlte an der dramatischen Zuspitzung. Und weil es noch ein paar Kleinigkeiten an der Präzision auszusetzen gab: insgesamt ein Abend mit Steigerungspotenzial.

Die Inszenierung von Sven-Eric Bechtolf schreibt wenigstens nicht die Handlung um und bietet dem Publikum im Finale der „Walküre“ ein videoerzeugtes Flammenmeer, das zu den besseren szenischen Lösungen seines „Ring“-Entwurfes zählt. Dass dabei die Pferde der Walküren wie abgehalfterte Denkmäler herumstehen, nun irgendwie muss man die Bühne anscheinend füllen – doch sie verschaffen der aufflammenden Videoprojektion zumindest eine räumliche Struktur. Es gab starken, rund acht Minuten langen Schlussapplaus.

PS: Für den Stehplatz sind in der kommenden Saison massive Veränderungen geplant. Laut Homepage werden die Stehplätze mit dem Rückbau der COVID-Maßnahmen von 567 auf 449 reduziert, angeblich damit für die Besucher mehr Platz bleibt. Es fallen über 100 Plätze weg! Die Preise werden erhöht, die Plätze werden nummeriert. Nur wer seine persönlichen Daten dem Kundenkartenprogramm der Bundestheater zur Verfügung stellt, zahlt weniger und hat eine Vorverkaufsmöglichkeit.
Siehe: https://wiener-staatsoper.zendesk.com/hc/de/articles/360018605378-Stehplatz