DIE WALKÜRE
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Wiener Staatsoper
21. Mai 2017

Dirigent: Peter Schneider

Siegmund - Robert Dean Smith
Hundig - Jongmin Park
Wotan - Thomas Johannes Mayer
Sieglinde - Camilla Nylund
Brünnhilde - Petra Lang
Fricka - Mihoko Fujimura
Helmwige - Regine Hangler
Gerhilde - Caroline Wenborne
Ortlinde - Hyuna Ko
Waltraute - Margaret Plummer
Siegrune - Ulrike Helzel
Grimgerde - Monika Bohinec

Schwertleite - Ziryana Kusphler
Roßweiße - Rosie Aldrige



„Walküre am 21. Mai 2017“

(Dominik Troger)

Der zweite „Ring“-Durchgang an der Wiener Staatsoper ist bei der „Walküre“ angekommen. Mit Thomas Johannes Mayer präsentierte sich dem Wiener Publikum nach der Absage von Bryn Terfel ein neuer Wotan.

Thomas Johannes Mayer hat vor einem Jahr an der Staatsoper als Telramund sein Hausdebüt gegeben. Mayers Wotan zeigte zwar nicht die sehr markante, „phonstarke“ stimmliche Präsenz eines Thomas Koniecny, dem maßgeblichen Wiener Wotan der letzten Jahre, dafür war sein Stimme im Timbre etwas heller und fülliger und agierte wortdeutlicher. Mayers Wotan war facettenreich im Ausdruck, man könnte auch sagen „menschlich“: von hoffnungsfroh bis grübelnd-verzweifelt, vom Zornausbruch bis zum mit väterlicher Herzlichkeit gestalteten Brünnhilden-Abschied. Dem Sänger, der auch für das Finale noch über genug Reserven verfügte, gelang der „Walküren“-Wotan überzeugend – und er hinterließ einen deutlich besseren Eindruck als im „Rheingold“ am Tag zuvor (wie mir Besucher beider Vorstellungen erzählten).

Petra Langs Brünnhilde fühlte sich in der „Walküre“ wohler, als im „Siegfried“ – und als „Walküren“-Brünnhilde ist Langs locker-mädchenhafte Rollenzeichnung natürlich besser am Platz. Die Sängerin schwang sich am Beginn des zweiten Aufzugs kreuzfidel in die „Hojotoho-Schaukel“ und driftete ihre Stimme über die Intervallsprünge in die Höhe wie auf einer Hochschaubahn. Das Amüsement der Wotan-Tochter am ausgelassen-amazonenhaften Kriegsruf hat sich dermaßen gewiss auch dem Publikum vermittelt. Die Mittellage klang an diesem Abend fester als schon gehört und damit war viel gewonnen. Ich würde ihre Stimme aber trotzdem nach wie vor nicht unter „hochdramatisch“ einreihen. Ihre kecke Art, mit der sie Siegmund in der Todesverkündigung Nothung abluchste und gegen ihn richtete, war erfrischend. Im dritten Aufzug wusste sie unverblümt Wotans Herz um ihren Tochterfinger zu wickeln. Lang verschaffte Brünnhilde ein noch leicht kindliches Gemüt, das der geharnischten Schlachtenjungfrau ein belebendes „naseweises Lächeln“ aufsetzte.

Weniger „erfrischend“ war allerdings der erste Aufzug geraten, in dem sich Sieglinde und Siegmund gesanglich mustergültig, aber zu leidenschaftslos ihre Liebe gestanden. Robert Dean Smith entwickelte trotz langer Wälserufe nur eine sehr gleichförmige Wirkung: ein Siegmund ohne Steigerungspotenzial über den ganzen Aufzug berechnet, in seiner sängerischen Gestaltung ausgesprochen seriös und beständig, aber zu wenig mitreißender, durchschlagskräftiger Held. Bei Camilla Nylund entwickelte sich der Abend ein bisschen ähnlich, folgte sie Siegmund mit ihrem etwas kühlen hellen Sopran, der mir das Lodern der Leidenschaft nicht so recht gegenwärtig machte, und in der Höhe ließ sich dann doch ein wenig bei nachlassender Leuchtkraft die Ausdünnung ihres dramatischen Potenzials erahnen.

Mihoko Fujimura sang wieder die Fricka. Sie hat die Partie im kleinen Finger, weiß mit ihr bestmöglichen Effekt zu machen. Ihr Mezzo klang schon etwas kantiger als früher. (Die Sängerin hat an der Staatsoper im Jahr 2000 als Brangäne debütiert.) Jogmin Park gab einen starken, präsenten Hundig. Bei den unverwüstlichen Walküren war Zoryana Kusphler für Bongiwe Nakani eingesprungen.

Das Dirigat von Peter Schneider hat sich nicht „verschnellert“. Die dramatische Zuspitzung des ersten Aufzugs blieb fast bis zum Schluss ausgespart. Zumindest wenn Siegmund sein Schwert endlich in der Hand hält, sollte einen ein unablässiger Schwung bis zu den Schlusstakten mitnehmen – muss musikalisch doch spürbar werden, dass das jetzt auf einen Zeugungsakt hinausläuft, der den hehrsten Helden der Welt (!) zum Ziel hat. Schon die Erzählungen Siegmunds und Sieglindens waren wenig konturstark begleitet worden, und sollte das Erschallen von Hundigs Hornrufen den Zuhörern nicht bis in die Knochen fahren? Was dem ersten Aufzug im dramatischen Sinne eher zum Nachteil geriet, wandelte sich aber ab dem zweiten Aufzug zum Vorteil: das geruhsame Gestalten brach nirgends den Fluss der Erzählung, die nach der dramaturgisch zugespitzten Liebesgeschichte des ersten Aufzugs an epischer Breite gewinnt. Vielleicht der Höhepunkt des Abends war die wunderschön ausmusizierte Todesverkündigung.

Fazit: Um zehn Uhr (also nur eine Viertelstunde später, als die von der Staatsoper angegebene Spieldauer) starker, minutenlanger Beifall.

PS: Die Inszenierung von Sven-Eric Bechtolf wird heuer im Dezember 10 Jahre alt. Langsam könnte man daran gehen, für die Staatsoper an einem neuen „Ring“ zu basteln.