DIE WALKÜRE
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Wiener Staatsoper
31. Mai 2015

Dirigent: Simon Rattle

Siegmund - Christopher Ventris
Hundig - Mikhail Petrenko
Wotan - Tomasz Konieczny
Sieglinde - Martina Serafin
Brünnhilde - Evelyn Herlitzius
Fricka - Michaela Schuster
Helmwige - Donna Ellen
Gerhilde - Ildoko Raimondi
Ortlinde - Hyuna Ko
Waltraute - Margaret Plummer
Siegrune - Ulrike Helzel
Grimgerde - Monika Bohinec

Schwertleite - Carole Wilson
Roßweiße - Juliette Mars



„Starke Emotionen, herausgeforderte Stimmen“

(Dominik Troger)

Auf das „Rheingold“ folgt bekanntlich die „Walküre”, so auch im zweiten Durchgang des „Rattle-Rings” an der Wiener Staatsoper. Die Vorstellung hinterließ phasenweise einen emotional dichten, in der musikalischen Umsetzung aber zwiespältigen Eindruck.

Spannend war diese Aufführung. Spannend war auch, dass der kammermusikalische Ansatz des „Rheingolds” nur mehr punktuell zum Tragen kam. Simon Rattle knüpfte vielmehr beim etwas derb und trocken musizierten „Rheingold”-Finale an - und setzte in der „Walküre” noch eines drauf, so wie er durch die Schlusstakte des ersten Aufzugs „tobte“. Von „englischer Ironie” oder Understatement war da nichts mehr zu spüren. Gleichzeitig wurde aber auch klar, dass dieser Dirigent und dieses Orchester in Sachen „Ring” wohl erst beim Zusammenwachsen sind. Die etwas unausgewogene Einbindung des Blechs, die manchmal fast überfallsartigen Temposteigerungen – das war schon im „Rheingold” auffallend – mit denen Rattle plötzlich alles vorwärtsstürmen ließ wie ein Rennpferd in Ascot, das alles hätte wohl noch eines etwas längeren gemeinsamen „Beschnupperns” bedurft.

Schon im Vorspiel zum ersten Aufzug kamen die rauen Konturen deutlich heraus, die Rattle der „Walküre” angedeihen ließ, auch wenn in den ruhigeren Passagen noch die teils „impressionistisch“ anmutende Klangregie des „Rheingolds“ zum Tragen kam. Rattle gewann mit seinem griffigen Wagner jedenfalls einen großen Teil des Publikums für sich, ein Besucher ließ allerdings gleich nach dem verklungenen Feuerzauber einen Buhruf hören.

Wer den „Thielemann-Ring“ gehört hat, diese Wagner-Kathedrale aus Tönen, den hat Rattles „Nacherzählen“ wahrscheinlich nicht in Verzückung versetzt. Aber die Geschichte, die hier erzählt wird, ist doch ziemlich brutal, Rattle ist nur der Handlung gefolgt, ohne Überhöhung, ohne Berauschung. Die Aktschlüsse eins und zwei brachte er jedenfalls zur Gluthitze, den dritten Aufzug trieb Rattle – mit einer leichten Verflachung in der langen Wotan-Brünnhilden-Szene – pragmatisch dem Ende zu. Aber sein Dirigat hat polarisiert.

Tomasz Koniecznys markant auftrumpfender Wotan ist auch eine Frage des Geschmacks – obwohl ihm die „Walküre“ besser liegt als das „Rheingold“. Aber der Sänger gewinnt durch seine unerschöpflichen Energiereserven, die es ihm ermöglichen, diese Partie bis zum Schluss mit befeuernder Durchschlagskraft zu singen, ohne dass er dabei hörbar mehr aus seiner Stimme herauspressen müsste, als sie hergibt. Außerdem gelingt es ihm – wie an diesem Abend auch – Wotans Begierden und Nöte auf den Punkt zu bringen: etwa der Zusammenbruch im zweiten Akt, da stimmt das Timing, und Koniezcny weiß, was er tut, und er tut das mit Überzeugungskraft.

Stimmlich das genau Gegenteil war die Brünnhilde der Evelyn Herlitzius, die an darstellerischer Energie vielleicht alle Mitwirkenden an diesem Abend übertroffen hat – von einer „frechen” und noch ganz jugendlichen Walküre bis zum tragisch-hingebungsvollen Tochterschicksal im Finale des dritten. Aber es fiel (mir) nicht leicht, über ihren vernarbten Sopran hinwegzuhören, über diese immer wieder stark forcierte Stimme, aus der sich an diesem Abend viel zu deutlich heraushören ließ, dass die Sängerin seit Jahren gleichsam ohne Rücksicht auf Verluste im hochdramatischen Fach unterwegs ist.

Martina Serafin stand in Einsatz und emotionaler Überzeugungskraft Herlitzius kaum nach, aber auch sie trieb ihren Sopran, der ohnehin oft von einem unterschwelligen metallischen Flackern begleitet wurde, immer wieder über den „grünen Bereich” hinaus. Derart wurde zwar die extreme Situation deutlich, die Sieglinde letztlich zum Erkennen des „hehrsten Wunders” treibt, das aber überforciert, alle andere als aufblühend erklang.

Michaela Schuster trat wieder für Elisabeth Kulman an, deren wohltönende, verführerische Fricka fürs erste wohl Operngeschichte ist. Schuster machte ihre Sache gut, ausdrucksstark, wenn auch ihr Mezzo in fordernderen Passagen leichte „Wirkung” zeigte. Christopher Ventris ist ein bewährter Siegmund. Sein angenehm gefärbter Tenor besitzt „lyrisches Metall" und der Abend gelang ihm sehr gut – und vor allem bleibt er mit seiner Stimme seit seinem Hausdebüt vor über zehn Jahren im Rahmen der Möglichkeiten und hält konstant sein Niveau.

Bleibt noch – neben den „soliden“ Walküren – der Hunding von Mikhail Petrenko, der in der Stimmfärbung und im Ausdruck zu weit von einem Hunding „herkömmlicher Statur“ entfernt war. Da war für meinen Geschmack wenig „Schwarzes“, kaum „Bedrohliches“ aus der Stimme des germanischen Sippenchefs herauszuhören. Allerdings hat auch Rattle das bedrohliche Potenzial des Hunding-Motivs ziemlich verschenkt – wie schon das Riesenmotiv im „Rheingold“.

Die Länge des Schlussapplauses dürfte wieder so um die zehn Minuten betragen haben. Bis auf den schon genannten Widerspruch fiel der Beifall stark und positiv für alle Beteiligten aus.