DIE WALKÜRE
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Wiener Staatsoper
21.9.2003

Dirigent: Adam Fischer

Siegmund - Christopher Ventris
Hundig -
Kurt Rydl
Wotan - James Morris
Sieglinde -
Evelyn Herlitzius
Brünnhilde -
Deborah Polaski
Fricka - Mihoko Fujimura
Helmwige - Donna Ellen
Gerhilde - Ricarda Merbeth

Ortlinde - Simina Ivan
Waltraute - Daniela Denschlag
Siegrune - Stella Grigorian
Roßweiße - Waltraud Winsauer
Grimgerde - Antigone Papoulkas
Schwertleite - Cornelia Salje


Papierform - mehr oder weniger
(Dominik Troger)

Ein Blick auf den Besetzungszettel enhüllt Opernkundigen so viel wie der Blick auf die Aufstellung einem Fussballfan. Es gibt auch in der Oper so etwas wie eine „Papierform“. Demnach war eine ganz ansprechende „Walküre“ zu erwarten gewesen. Sie wurde es auch – mit Einschränkungen.

Im Grunde genommen wusste man es vorher. Die Besetzung war weitestgehend bekannt und Wien erprobt. Man wusste zum Beispiel, dass Adam Fischer auch bei Wagner gerne der Kammermusik huldigt, was Vor-und Nachteile hat. Wenn man mehr einen „romantischeren Sound“ schätzt, wird man Fischer weniger zugetan sein. Er nimmt das Orchester oft sehr stark zurück, bringt dafür die Motive teilweise sehr plastisch zu Gehör – eine Art von musikalischer Deklamation. Lässt er mal lauter spielen, dann wird es schnell schroff und kantig, dann dringt eine gewisse „veristische“ Gewalttätigkeit durch, die ihre Reize hat, aber nicht unbedingt die Seele wärmt. Diverse Unsicherheiten im Orchester (die man bei den Bläsern halt besonders gut heraushört) verliehen dem Abend nicht den Anstrich eines besonderen Leckerbissens, aber man wird sich darum nicht wahnsinnig grämen, solange es sich in Grenzen hält.

Fischer sorgte jedenfalls dafür, dass man James Morris auch am Schluss noch einigermaßen hörte und meinen konnte, Wotan möchte diesmal seine Brünnhilde besonders innig und sanft in den Schlaf singen. Vielleicht wollte er das auch, vielleicht folgte er aber auch nur den Sachzwängen einer nicht mehr so beanspruchbaren Stimmökonomie. Denn schon im zweiten Aufzug schien Maßhalten angesagt. Trotzdem bestach Morris wieder durch sein ausdrucksstarkes Singen, seine Fähigkeit, so wie Fischer am Pult, die erzählenden Strukturen herauszuarbeiten. Morris ist immer noch ein Wotan-Sänger von Format. (Ich gebe gerne eine paar Phon an Lautstärke für das Gefühl, dass der Sänger mit dem Text, den er singt, auch etwas anzufangen weiß.) Wenn mich meine Erinnerung nicht trügt, hatte Morris das mit dem Schluss bei seinem letzten Walküren-Wotan in Wien auch so gehalten. Aber diesmal ist mir das schon weit „verdächtiger“ vorgekommen...

Auch Evelyn Herlitzius wusste viel mit dem anzufangen, was sie singt. Vom Einsatz und Enthusiasmus stand ihre Sieglinde der einer Waltraud Meier kaum nach. Leider scheint ihre Stimme aber nicht deren Solidität zu besitzen. Herlitzius hätte eine wirklich zu Herzen gehende Sieglinden-Stimme, wenn sie nicht so forcieren müsste, mit einigen unangenehmen Begleiterscheinungen wie starkem Tremolo und Höhen, die man nicht mehr wirklich goutiert.

Christopher Ventris wirkte gegenüber der fordernden Sieglinde von Herlitzius noch ein wenig unbedarft. Er gab nach dem Parsifal im Frühjahr jetzt sein Siegmund-Debut in Wien. Es bestätigte sich wieder, dass er eine schöne Stimme hat. Für die Wälserufe muss er noch ein bisserl trainieren und insgesamt mangelte es da und dort noch an Routine und Stehvermögen. Ventris gehört aber unter die Kategorie vielversprechend. Er sagt über sich: „I'm a strong lyric“ (wie man unter http://www.christopherventris.com/Menu.html nachlesen kann) und seine Stimme besitzt eine helle, angenehm-klingende Grundierung und eine natürliche Kräftigkeit, die auch den Ton in großen Häusern trägt. Das Debut gelang ihm jedenfalls und es war weit mehr als ein Achtungserfolg.

Bei Deborah Polaski hat das mit der Papierform natürlich wieder genau getroffen. Die Höhen waren nie ihre besondere Stärke und ansonsten ist ihre Brünnhilde eine ideale Kombination zwischen gesanglichem und emotionalen Ausdruck.

Die Papierform punktete auch voll bei Mihoko Fujimura als Fricka, die es dem Wotan wieder gegeben hat. Ihre Fricka hat Persönlichkeit, ihre Stimme da und dort schon ein wenig jene Herbheit, die ideal zur Partie passt (und die man hier positiv anmerkt, während sie beispielsweise bei ihrer Brangäne punktuell negativer auffällt). Kurt Rydl, am Vorabend noch im „Barbier“ auf der Bühne, war ein verlässlich grimmiger Hunding.

Der Schlussapplaus war stark, aber möglicherweise hatte der zahme Abschied Wotans nicht die letzten Begeisterungreserven locker gemacht hat.