I VESPRI SICILIANI
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Wiener Staatsoper
15. September 2012

Dirigent: Gianandrea Noseda

Guido di Monforte - Gabriele Viviani
Arrigo -
Gregory Kunde
Giovanni da Procida - Ferruccio Furlanetto
Elena - Angela Meade
Sire de Bethune - Alexandru Moisiuc
Vaudemont - Hans Peter Kammerer
Ninetta - Alisa Kolosova
Danieli - Marian Talaba
Tebaldo - Carlos Osuna
Roberto - Tae-Joong Yang


„3. Vorstellung der laufenden Serie“

(Dominik Troger)

Der Start in die neue Saison verläuft für die Staatsoper ziemlich holprig. Jetzt war auch die „I vespri siciliani“-Serie von Umbesetzungen betroffen. In der dritten Aufführung sprang Gregory Kunde für den erkrankten Burkhard Fritz ein.

Holprig verläuft auch die Einführung einer neuen Ansage, die das Publikum in Deutsch, Englisch und Japanisch bittet, die Handys auszuschalten und nicht zu fotografieren. In anderen Häusern schon seit einigen Jahren erprobt, ist dergleichen für die Staatsoper noch eine Innovation. Am ersten Tag der Saison wurde diese Ansage „präsentiert“, um gleich darauf wieder „abgesetzt“ zu werden. Jetzt gibt es neue Versuche. Sie erschallte nicht nur am Beginn der Vorstellung, sondern auch nach den beiden Pausen. Vom Inhalt verstand man wenig, weil das Publikum munter weiterplauderte. Eventuell sollte man mit der Einspielung warten, bis der Saal abgedunkelt ist, weil es dann weniger Nebengeräusche gibt. Übrigens: Das erste Handy meldete sich fröhlich rund eine Viertelstunde nach Vorstellungsbeginn.

Die Vorstellung selbst nahm mit dem Ende des ersten Aktes gehörig an Fahrt auf. Gregory Kunde ließ als Arrigo nichts „anbrennen“. Der Sänger war vor einem Monat in Sachen Rossini („La donna del lago“) noch im Theater an der Wien eingesetzt – und hat dort vor allem durch Lautstärke aufgetrumpft. Dieser Abend bewies, dass Kunde eigentlich schon den Fachwechsel vom Belcantisten ins Spinto-Fach vollzogen hat. Mit seiner robusten und voluminösen Stimme kann er selbst die Staatsoper reichlich ausfüllen. Sein Tenor besitzt die Eigenart, in der höheren Lage wie mit zugeschaltetem Megaphon zu klingen. Wenn er voll „durchzieht“, hört man ihn auch in den Chorensembles und bei vollem Orchester noch markant heraus. Die Mittellage klang etwas ungeschliffen, die heikleren Passagen in der Arie im vierten Akt meisterte er mit Routine. Die Spitzentöne erklangen sicher und wie aus Erz gegossen und schwangen lautstark und martialisch durchs Auditorium. Schauspielerisch rettete sich Kunde als Einspringer in altbewährte (und manchmal schon etwas amüsant anzusehende) Opernposen.

Angela Meade brillierte im vierten Akt mit abwärtsgefädelten Pianoketten und ein paar feingewirkten Spitzentönen. Selbstsicher präsentierte sie hier die beeindruckenden Qualitäten ihrer Stimme, die wohl noch in die Richtung eines (lyrischen) Koloratursoprans tendiert. Den revolutionären Energien der Elena würden aber etwas mehr Spannkraft und ein etwas breiter und „kerniger“ klingender Sopran nicht schaden. Darstellerisch hatte Meade wenig zu bieten. Das hat nichts mit ihrem (wohlbeleibten) Aussehen zu tun, sondern scheint zuerst einmal eine Frage der emotionalen Anteilnahme. Aber eine Verdi-Primadonna, die beim Singen eines Freiheitsliedes vor allem gemütlichen Charme verbreitet, ist irgendwie noch nicht ganz dort angekommen, wo sie eigentlich hin sollte. Insofern bleibt der Eindruck, den Meade bei ihrem ersten Auftritt an der Wiener Staatsoper hinterlassen hat, eine Spur zu unausgegoren.

Über Ferruccio Furlanetto braucht man eigentlich nichts zu schreiben, das hieße einen „Procida nach Palermo tragen“. Stimmlich ist Furlanetto derzeit wieder sehr gut disponiert – und seine Bühnenpräsenz ist sowieso von starker Überzeugungskraft. Gabriele Viviani sorgte erneut für einen eleganten „Bösewicht“ mit Führungsqualitäten, hart aber herzlich seinem Sohn Arrigo gegenüber, der froh darüber wäre, nicht der Sohn dieses Vaters sein zu müssen.

Der Staatsopernchor trug einen großen Anteil zum insgesamt recht ansprechenden Gesamteindruck bei, den dieser Abend hinterließ. Das Orchester unter Gianandrea Noseda spielte stellenweise etwas laut, brachte Verdis Musik aber flüssig und mit ausreichendem Spannungsbogen zu Gehör. Dass man das Werk im Ausdruck noch mehr zuspitzen könnte, um ihm die Impulsivität zu verleihen, die ihm eigentlich innewohnt, steht auf einem anderen Blatt.

Das Publikum spendete allen Beteiligten viel Applaus – wobei Furlanetto und der für sein gelungenes Rollendebüt am Haus und sein Einspringen bedankte Kunde am stärksten beklatscht wurden.