I VESPRI SICILIANI
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Wiener Staatsoper
23.9.2006

Dirigent: Fabio Luisi

Guido di Montforte - Leo Nucci
Arrigo - Francisco Casanova

Giovanni da Procida - Roberto Scandiuzzi
Elena - Sondra Radvanovsky
Sire de Bethune - Dan Paul Dumitrescu
Vaudemont - Clemens Unterreiner
Ninetta - Daniela Denschlag
Danieli - Marian Talaba
Tebaldo - Peter Jelosits / am 2.10. Cosim Ifrim
Roberto - Eijiro Kai

Dritte Vorstellung am 2. Oktober 06

Auch durch die dritte Aufführung der laufenden „I vespri siciliani“-Serie glühte das Feuer des jungen Verdi, transmutierte die etwas inhomogen wirkenden Zugaben der französischen Oper, wie die extremen Stimmungsumschwünge der Handlung oder die großangelegte Ouvertüre, zu kurzweiligen dreieinhalb Opernstunden. Die Orchester schien mir diesmal dynamisch deutlich besser abgestuft, schon in der heterogenen Ouvertüre mit guter Balance und bestens kalkuliertem Effekt. In der Folge sorgte Fabio Luisi für viel Spannung und manch schöne Orchesterphrase. Die SängerInnen agierten mit viel Einsatz und Temperament. Leo Nucci ergänzte durch seine Bühnenpersönlichkeit und sängerisches Charisma, wo die Stimme seinem jahrzehntelangen Sängertum Tribut zollen musste, Roberto Scandiuzzi verlieh dem Procida diesmal ein schärferes Profil und Francisco Casanova verstärkte, wie in der ersten Aufführung, mit tenoralem „Sturm und Drang“ die Bühnendramatik. Der Spinto-Sopran von Sondra Radvanovsky hat schon viele Fans gewonnen, die Stimme ist ein bisschen ungeschliffen, aber diese Verdi-Heroinen sind ohnehin von etwas rauherer Natur, Elena eine Enkelin von Abigaille oder Odabella.

Von der zweiten Vorstellung wurde mir eine nette Pointe berichtet. Ein älterer Besucher, der offenbar aufgrund seines bereits eingeschränkten Hörvermögens die leisen Einleitungstakte der Ouvertüre nicht mehr vernehmen konnte, soll ganz laut und deutlich hörbar in die Musik hinein gesagt haben: „Haben die schon angefangen? Geht es schon los?" Dezentes Gelächter – auch beim Dirigenten...

„Erfolgreiche Wiederaufnahme “
(Dominik Troger)

Mit Erfolg wurde an der Staatsoper „I vespri siciliani“ wieder aufgenommen: bewährte Stars und ein gelungenes Hausdebüt sorgten für einen ansprechenden Verdi-Abend.

Leicht zu besetzen sind auch die „I vespri siciliani“ nicht. An der Staatsoper tat man mit dem Hausdebüt von Sondra Radvanovsky einen guten Griff– ein Verdisopran mit dramatischen Qualitäten, die Stimme in der Mittellage schwerer, die Spitzentöne markant, aber nicht überscharf. Über ihr kurzwelliges Vibrato wird es unterschiedliche Meinungen geben, ich persönlich finde, dass die Stimme dadurch noch an Charakter gewann. Radvanovsky ist eine Sängerin mit viel Energie und die braucht es auch in dieser Rolle.

Verdi setzt stark auf Duette, die die Handlung in exemplarischen Konflikten weitertreiben. Sie erfordern vollen Einsatz – und wenn Fabio Luisi am Pult die verdische Ekstase sucht, dann überhaupt. Luisi ging es schon in der Ouvertüre etwas laut an. Das Klangbild war insgesamt nicht sehr durchgestylt. Aber er suchte immer wieder heißes „Sizilianerblut“ und das kann bei dreieinhalb Opernstunden (inklusive zweier Pausen) zumindest nicht der falsche Weg sein. Die französisch-italienische Mischung der „I vespri siciliani“ (Uraufführung in Paris) ist allerdings schon von Haus aus nicht ganz ausgewogen. In Wien fehlt überdies das lange Ballett im dritten Akt.

Doch würde das Bühnenbild – eine die ganze Bühnenbreite einnehmende, nach dem Hintergrunde zu steil ansteigende Treppe – dafür wenig geeignet sein... Diese Treppe ist das „Ach und Weh“ dieser Produktion (für die der bereits verstorbene Herbert Wernicke verantwortlich zeichnete), man kommt ihr keine Sekunde lang aus, man bangt mit den SängerInnen und Choristen. Die Treppe degradiert den Abend zu einer konzertanten Aufführung im Kostüm.

Dass trotzdem ein über weite Strecken sehr intensiver Opernabend zu Stande kam, daran hatten die SängerInnen der Hauptpartien und der Chor entscheidenden Anteil. Neben der schon gewürdigten Radvanovsky sang Leo Nucci den Gouverneur, sozusagen mit jedem Zoll seiner Bühnenerscheinung. Roberto Scandiuzzi brachte seine Heimatfanatismus überzeugend zur Geltung, allerdings wegen seines helleren Timbres weniger abgründig als vielleicht wünschenswert. Francisco Casanova sang den Arrigo mit unermüdlichem Vorwärtspowern, meisterte souverän diese teils relativ hoch und ziemlich reißerisch angelegte Partie. Die etwas ruhiger gefasste Arie im vierten Akt lag seinem Stimmtypus weniger. Der Chor legte sich ebenfalls mächtig ins Zeug. Die Nebenrollen glänzten nur bedingt.

Das sehr positiv gestimmte Publikum erklatschte immerhin zwei Durchgänge von Einzelvorhängen. Dass „I vespri siciliani“ trotzdem mehr ein Werk für Liebhaber sind, liegt wohl in ihrer Nähe zur großen französischen Oper begründet – und an dem Übergangscharakter der ihnen innerhalb von Verdis Oeuvre zukommt.