IL TROVATORE
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Staatsoper
5. Februar 2017
Premiere

Dirigent: Marco Armiliato

Regie: Daniele Abbado
Bühnenbild: Graziano Gregori
Kostüme: Carla Teti
Licht: Alessandro Carletti
Regiemitarbeit: Boris Stetka
Bühnenbild-Mitarbeit: Angelo Linzalata
Kostümassistentin: Anna Missaglia

Il Conte di Luna - Ludovic Tézier
Leonora - Anna Netrebko
Azucena - Luciana D`Intino
Manrico - Roberto Alagna
Ferrando - Jongmin Park
Ines - Simina Ivan
Ruiz - Jinxu Xiahou
Un vecchio zingaro - Ion Tibrea
Un messo - Wolfram Igor Derntl



„Musikalisch empfehlenswert, szenisch flach“

(Dominik Troger)

Viel Schauerromantik, eine Frau zwischen zwei Männern, ein ungleiches Brüderpaar, abgemischt mit einer Prise Sozialkritik – und fertig ist Giuseppe Verdis „Il trovatore“. Nach 16 Jahren hat die Wiener Staatsoper das Werk jetzt wieder in den Spielplan aufgenommen.

Die letzte „Il trovatore“-Vorstellung ist im Haus am Ring im Jänner 2001 über die Bühne gegangen. Die ungeliebte Produktion von Istvan Szabo aus dem Jahr 1993, die das Werk im Nachkriegs-Wien zwischen zerstörter Staatsoper, Flaktürmen und Bombenschutt verortet hat, war einer der größten Misserfolge der Direktion Ioan Holender. Er hat in Folge keinen Versuch mehr riskiert, die Oper auf die Staatsopernbühne zu hieven. Diese „Troubadur“-Pause sollte schließlich unglaubliche 16 Jahre lang dauern. Immerhin gab es im Jahr 2013 eine Neuproduktion der Oper bei den Wiener Festwochen und an der Volksoper. Zumindest in musikalischer Hinsicht hat die Wiener Staatsoper mit dieser Premiere ihre „Marktbegleiter“ aber weit übertroffen.

Der Premierenabend war ein Beispiel für eine im besten Sinne aus einer romantisch-kapellmeisterlichen Sichtweise entwickelten Aufführung. Marco Armiliato umhegte das Feld sängerischer Selbstdarstellung und gab den großen Emotionen in den Arien fast in zu zelebrierender Weise Raum. In Ensembleszenen, wenn die Einzelinteressen der Figuren sich aneinander zu reiben beginnen, tendierte er zu flotteren Tempi, um die Handlung voranzutreiben. Als Basis dafür diente ihm ein warmer, „süffiger“ Streicherklang, in dem sich die Herzensregungen der Protagonisten wiederfanden.

Ein gutes Beispiel für Armiliatos Handhabe lieferte bereits im zweiten Bild die Kavatine der Leonora „Tacea la notte placida“ als Anna Netrebko mit ihrer Rotweinstimme sich Leonoras Liebesgefühlen ausschweifend hingeben durfte – wobei sich in den Abschluss ein kleiner „Kratzer“ einschlich, der aber in Folge die Sängerin nur noch mehr anzuspornen schien: Netrebko holte sich im vierten Akt begeisterten Szenenapplaus. Ihre Stimme betörte wieder durch ihre dunkle Mittellage, durch die Tiefe im „Miserere“. Die Detailliertheit der Verzierungen wurde allerdings mit einem etwas breiteren Pinselstrich ausgeführt. Netrebko warf sich wie gewohnt mit voller Energie in die Partie, nicht einmal die unvorteilhaften Kostüme konnten ihren mitreißenden Eindruck schmälern. Leonora wurde damit vielleicht mehr zur Kämpferin, als die vielen Triller, denen sie sich widmen muss, vermuten lassen. Insofern hat die Sängerin dieser vom Schicksal verfolgten Frauenfigur einen sehr selbstbewussten Platz neben Tenor und Bariton verschafft.

Mit dem Tenor lief es nicht ganz so gut: Roberto Alagna schien die Stimme an diesem Abend schon recht „offen“ und kraftgeleitet zu führen, wobei er die Stretta nicht zum begeisternden Höhepunkt seiner Darbietung nutzen konnte. Alagna war an diesem Abend mehr der sympathische tenorale „Arbeiter“, bühnenpräsent, aber trocken klingend und insgesamt ein wenig der draufgängerischen Lockerheit ledig, die ich mir für dieser Partie gewünscht hätte. Dass er vor der Stretta einen Schluck aus einem Flachmann nahm, war auch nicht so zwingend. (In einigen Besprechungen ist zu lesen, dass den Sänger eine Erkältung geplagt habe.)

Sein Gegenspieler, der Graf Luna, fand in Ludovico Tézier eine prächtige, kraftvolle Baritonstimme mit metallischem Kern und lyrischer Nuancierungsgabe. Er brachte sowohl die nötige Verhaltenheit und Stimmkontrolle für das „Il balen del suo sorriso“ mit, als auch genug bösartigen „Biss“ für alles Weitere. Allerdings hörte man diesen Biss vor allem aus der Stimme, darstellerisch war davon weniger zu merken. Griffig gestaltete sich auch die Azucena der Luciana D`Intino: ein satter, durchschlagskräftiger Mezzo, der vor allem das dramatische Potenzial der Partie für sich entdeckte, wobei die Spitzentöne nicht mehr immer ganz „rund“ klangen. Jogmin Park färbte den Ferrando mit seinem Bass in passendes „Schwarz“. Auch der Chor nutzte seine gewinnenden Auftritte.

Die Besetzung bot im Wesentlichen, was Opernbesucher heutzutage von einem hochkarätigen Verdiabend erwarten dürfen – die Inszenierung von Daniele Abbado hinterließ hingegen einen flachen und insgesamt wenig inspirierten Eindruck. Schon der Aufbau des Bühnenbildes hatte seine Tücken. Selbiges stellte einen großen Saal dar, mit Arkaden auf der Seite und sehr viel leerem Raum in der Mitte. Dieser Saal diente als Einheitsbühnenbild und war als „Theater auf dem Theater“ etwas zurückversetzt und mit einem eigenen Zwischenvorhang versehen. Außerdem zeigte er sich weit in die Bühnentiefe gebaut und oben an der Bühnenrampe wurde das Bühnenbild durch eine weit herab reichende Blende abgedeckt. Bereits Seitenplätze auf dem Balkon ermöglichten nur mehr eine mangelhafte oder gar keine Sicht in den Bühnenhintergrund, wo sich beispielsweise einmal ein Scheiterhaufen zeigte und später ein Altar. Vom Parterre soll das Bühnenbild durchaus Wirkung machen.

Abbado hat die Handlung in den spanischen Bürgerkrieg verlegt, was sich vor allem an den Kostümen zeigte: die Proletarier gegen die schwarz gewandeten Faschisten um Grafen Luna. Diese Kostümierung wurde um ein paar Effekte angereichert: Fahnenschwingen, Gefangene mit Genickschuss exekutieren, eine Flammenwand aufzügeln lassen, das Ambosshämmern des Zigeunerchores wurde zu einer Waffenverteilung genützt etc. Solche illustrierenden Elemente mischten sich mit einer statischen Chor- und Personenführung. Dazu kam eine mir nicht immer nachvollziehbare Lichtregie (aber in einem Saal lässt sich schwer ein nächtlicher Palastgarten simulieren, der von einem wolkenverhangenen Mondlicht beschienen wird). Nach dem Fahnenaufmarsch von Lunas Mannen wurde sogar ein Zwischenvorhang eingezogen, offenbar um dem Chor einen reibungslosen und ungesehenen Abgang zu ermöglichen. Im Schlussbild wirkten Azucena und Manrico in dem leeren Saal wie verloren. Die düstere Atmosphäre der Oper kam in dem meist eher hell ausgeleuchteten, von Brauntönen beherrschten Bühnenbild kaum zur Geltung.

Das Publikum war sehr zufrieden und der Schlussapplaus wurde von einigen unermüdlichen Opernfans 20 Minuten lang durchgehalten. Das Regieteam musste deutlich hörbare Missfallensbezeugungen über sich ergehen lassen.