LA TRAVIATA
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Wiener Opernsommer
16. Juli 2025

Dirigent: Joji Hattori

Inszenierung & Verdis Monologe: Dominik am Zehnhoff-Söns

Bühnenbild, Projektionen, Kostüme: Manfred Waba
Choreographie: Jessica Wurzer


Wiener Kammerorchester, Philharmonia Chor Wien

Violetta Valéry - Cristina Pasaroiu
Alfredo Germont - David Kerber
Giorgio Germont - Stepan Drobit
Flora Bervoix - Ghazal Kazemi
Annina -
Juliette Khalil
Gaston - Aaron McInnis
Baron Douphol - Ejnar Čolak
Marquis d'Obigny - Alexander Dimitrov
Dottore Grenvil - Alexander Dimitrov

Giuseppe Verdi (Sprechrolle): Karl Markovics

Tanzensemble aus je acht Tänzerinnen und Tänzern


Opernsommer in der Heumarkt-Arena
(Dominik Troger
)

Der Wiener Opernsommer bestreitet mit „La Traviata“ seine zweite Saison. Er hat am Heumarkt eine neue Heimstatt gefunden: Auf dem Areal des Wiener Eislauf-Vereins. Wo im Winter die Schlittschuhe ausgepackt werden, wird jetzt in der ersten Julihälfte Oper gespielt.

Das Kulturangebot im Bereich Klassik/Oper ist in Wien in den beiden Sommermonaten  ausgesprochen dürftig. Im letzten Jahr hat der Intendant des Wiener Opersommers Joji Hattori in den ersten Juliwochen diese Lücke mit einer Produktion von Mozarts „Don Giovanni“ am Oberen Belvedere gefüllt – und heuer hat man das Schicksal von Violetta Valérie auf den Spielplan gesetzt und ist auf den Heumarkt übersiedelt. Zwölf Vorstellungen stehen im Zeitraum vom 1. bis zum 19. Juli in zum Teil rotierender Besetzung auf dem Programm. Das Angebot wird seitens des Publikums offensichtlich angenommen, die Vorstellung am 16. Juli war gut besucht. Meine sehr grobe Schätzung geht von rund 2000 Plätzen aus, davon waren etwa dreiviertel belegt.

Die Bühne hat man vor der Seite des Konzerthauses errichtet, sie zeigt eine breite klassizistische Fassade mit Doppeltreppe und schmückenden antikisierenden Figuren versehen, die zu einem mit medaillonartigem Relief geschmückten Portal hinaufführt. Links (vom Zuschauerraum gesehen) hat man einen im Stil angepassten Zubau errichtet, in dem das Orchester untergebracht ist. Dadurch kann die Vorstellung auch bei moderatem Regen stattfinden. Projektionen auf die Konzerthausfassade verstärken den räumlichen Gesamteindruck – was aber erst nach Einbruch der Dunkelheit Effekt macht, und vor allem bei Floras Ball  und im Finale  für gute Wirkung sorgt. Die schönen Kostüme spiegeln die Handlungszeit wieder – also Oper wie anno dazumal?

Mit der Figur des Giuseppe Verdi, der als Erzähler durch die Handlung führt und  Violettas Kampf um Würde und ihr Recht auf selbstbestimmte Liebe anspricht, erspart die Inszenierung von Dominik am Zehnhoff-Söns dem Publikum nicht nur die Lektüre der Inhaltsangabe (das Programmheft kostet  5 Euro), sondern er hat eine „interpretative Ebene
eingezogen, die aber nicht weiter stört (allerdings hätte man Verdi den Text noch etwas kürzen sollen). Im Finale wird der Komponist Violetta bei dem erwähnten Portal erwarten, und beide werden, es gemeinsam durchschreitend, in die „Ewigkeit“ eingehen. Dass die sterbende Violetta noch singend die Treppe hinaufsteigt, lässt man sich dabei gerne gefallen.

Der Regisseur hat im Programmheft für sein Regiekonzept nur 19 Zeilen benötigt, an solch kompakter Kürze könnten sich so manche Berufskolleginnen und -kollegen ein Vorbild nehmen. Das szenische Arrangement funktionierte jedenfalls ohne „Irritationen“. Der Versuch, Violettas Freiheitsdrang im Finale des ersten Aktes durch zudringliche Männer mit nacktem Oberkörper zu verdeutlichen, die die Kurtisane dann locker wegschubst, wirkte in szenischer Hinsicht allerdings etwas „bemüht“.  Beleuchtungstechnisch gut gelöst waren Floras Ball und der mit vielen Kerzen drapierte dritte Akt, der Violettas Tod romantisch verbrämte.

Von der Musik war noch gar nicht die Rede? Die Sängerinnen und Sänger werden natürlich verstärkt, das Orchester wird vom erwähnten Pavillon zugespielt. Die Protagonisten können den Dirigenten auf einer Projektionsfläche sehen, die  gegenüber von der Bühne hinter den Publikumsreihen angebracht ist. Der Klang war gut austariert, nur wenn sich Sänger am rechten äußeren Bühnenrand befanden (Blickrichtung Bühne) klangen die Stimmen wie von einem Echo überlagert  seltsam „verwaschen“. Das störte vor der Pause einige Male, weil dort ein Tisch stand, an dem regiebedingt Violetta, Alfredo und sein Vater mehrmals zu tun hatten.

Joji Hattori, der auch für die musikalische Leitung sorgte, begrüßte das Publikum bei Vorstellungsbeginn um 20.00 Uhr und beruhigte trotz beginnenden Regens – und der Regen hielt sich dann auch in Grenzen, verebbte nach rund einer halben Stunde, um  nach der Pause wieder dezent einzusetzen. (Ausreichenden Regenschutz kann man vor Ort um einen Euro erstehen.) Die Pause hatte man auf zehn Minuten verkürzt, um die Wetterlage nicht auszureizen, und die Vorstellung konnte problemlos zu Ende gespielt werden. Ein Schwarm Mauersegler hat mit seinem Gezwitscher sogar kurz die ländliche  „Idylle“ des zweiten Aktes untermalt – ein Hubschrauber, der einmal über die Stadt flog, war in der Lärmerzeugung weniger idyllisch.

Aufgeboten war eine gut ausgewählte Besetzung: Cristina Pasaroiu als Violetta kann sogar auf Staatsopernerfahrung verweisen, hat dort im September 2016 einspringender Weise drei Vorstellungen als Micaëla gesungen. Ihre Violetta geriet selbstbewusst und kraftvoll, mit kompaktem, flexiblem Sopran.  Sie und der von jugendlicher Liebe getriebene Alfredo des David Kerber bildeten ein überzeugendes Bühnenpaar. Kerber führte einen unbekümmerten und effektbewusst geführten Tenor ins Feld, der mit  „deutschem“ Timbre an Italianità allerdings etwas geizte. Stepan Drobit lieh dem Vater Germont  einen angenehm timbrierten Kavaliersbariton, in der Ausstrahlung doch etwas zu wenig „Familienpatriarch“.

Ghazal Kazemi und Juliette Khalil ergänzten passend als Flora bzw. als Annina nebst weiteren vorwiegend jungen Kräften. Karl Markovics verkörperte einen präsenten Guiseppe Verdi, im Kostüm alten Aufnahmen nachempfunden, mit Zylinderhut und Bart ausstaffiert. Das Tanzensemble und der Philharmonia Chor sorgten für ausreichend Schwung in den Festszenen. Das Wiener Kammerorchester Orchester unter Joji Hattori steuerte sicher durch den Abend, nicht immer mit dem Verve, den man sich vielleicht gewünscht hätte (vor allem Violettas Landaufenthalt geriet zum Teil etwas langatmig).

Am Schluss gab es für alle Beteiligten viel Applaus und zufriedene Gesichter für eine optisch geschmackvolle und vom musikalischen Niveau ansprechende Produktion. Für nächstes Jahr ist am selben Ort „Carmen“ angekündigt. Carmen eignet sich von der Gesamtanlage des Stücks wahrscheinlich ohnehin besser für einen Freiluftevent als „La Traviata“. An dem Termin kann man außerdem ablesen, dass das  Areal  noch eine Schonfrist hat, bevor die Baumaschinen auffahren. Hoffentlich bleiben die UNESCO und Denkmalschutzinitiativen hartnäckig, was den Welterbestatus von Wiens historischer Altstadt betrifft, und verhindern ein überdimensioniertes Hochhausprojekt.

PS: Wer Oper und Handys für unverträglich hält, bleibe der Produktion lieber fern. Die Untertitel wurden seitens des Veranstalters sogar zum Mitlesen auf dem Smartphone  eingerichtet (Deutsch / Englisch / Italienisch). Man musste sich dazu in das zur Verfügung gestellte Gratis-WLAN einloggen – und die Besucher haben natürlich eifrig gefilmt und fotografiert.
An der linken Seite des Platzes sind Imbissstände untergebracht. Ein „La Traviata Kombi-Angebot“ mit dreierlei Brötchen (Lachs / Schinken / Käse) inklusive einem Glas Sekt wird mit 20 Euro ausgepreist. Zur Qualität kann ich nichts sagen, weil ich es nicht verköstigt habe.