LA TRAVIATA
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Staatsoper
13. September 2024

Musikalische Leitung: Domingo Hindoyan

Violetta Valery - Lisette Oropesa
Alfredo Germont - Juan Diego Flórez
Giorgio Germont - Ludovic Tézier
Flora Bervoix - Alma Neuhaus
Annina -
Stephanie Maitland
Gaston - Carlos Osuna
Baron Douphol - Attila Mokus
Marquis d'Obigny - Leonardo Neiva
Dottore Grenvil - Ilja Kazakov
Giuseppe - Dritan Luca
Kommissionär - Slaven Abazovic
Diener bei Flora - Wolfram Igor Derntl



Traviata-Kleeblatt
(Dominik Troger
)

Die Wiener Staatsoper hat heuer den Saisonbeginn kulinarisch gut abgeschmeckt. Eine lebenshungrige „Carmen“ wurde mit einer melancholischen „Traviata“ und der ewig jungen Liebesgeschichte von „Romeo und Julia“ zusammengespannt: alles Opern, die eine dem Publikum zu Herzen gehende Geschichte zu erzählen haben. Den vier Vorstellungen von „La traviata“ dabei die Rolle des „Gustostückerls“ zu.

Die Besetzung der Hauptpartien war mit den Aufführungen vom letzten Oktober ident: Wieder trafen sich neben Ludovic Tézier als Vater Germont, Lisette Oropesa in der Titelpartie und Juan Diego Floréz als Alfredo zum gesangsharmonischen „Traviata“-Stelldichein auf der Staatsopernbühne. (Tézier, der die ersten beiden Vorstellungen krankheitsbedingt hatte absagen müssen, war in selbigen von Étienne Dupuis vertreten worden.)

Lisette Oropesa bestach wieder durch ihre innige Rollengestaltung. Sie verliert sich auch in diesem Regiekonzept, das Violetta als „Influenzerin“ auf die Bühne bringt, nicht in der Oberflächlichkeit einer von Wunscherfüllung schimärenden „Scheinwelt“ virtueller Versprechungen, die Regisseur Simon Stone mit viel großformatiger Videounterstützung optisch aufdringlich auf die Staatsopernbühne gestellt hat. Oropesas gepflegter lyrischer Sopran klang im ersten Akt allerdings leicht angestrengt, war an diesem Abend mehr eine Violetta des zweiten und dritten Aktes, feinfühlig die Figur mit jener reizvollen Melancholie versehend, die den bitteren Abschied mit einer letzten Liebeshoffnung täuscht.

Juan Diego Floréz hat sich als Alfredo wieder mit aller tenoraler Kunstfertigkeit wunderschön durch die Partie „phrasiert“. Allein wie er seine Liebe zu Violetta im ersten Akt mit schüchtern-bestimmter Erwartungshaltung unterlegt, muß Herzen zum Schmelzen bringen. Die bekannte Arie krönte er mit Stretta samt hohem Schlußton, allerdings bei geringer Durchschlagskraft. Floréz macht seinen Tenor aber klugerweise nicht größer als er ist. Sein Fachwechsel dauert jetzt schon einige Jahre, seinen ersten Wiener Herzog hat er zum Beispiel im Jänner 2016 (!) gesungen – aber irgendwie hat sich seither nicht wirklich viel Substantielles verändert. Das beweist einerseits wie kalkulierend Floréz mit seiner kostbaren Stimme umgeht, andererseits klingt der Sänger als „Verdi“-Tenor nach wie vor zu „leichtgewichtig“.

Ludovic Tézier verfügt von den drei genannten über die kräftigste Stimme, füllt auch bei aller Geschmeidigkeit seines Baritons ohne Probleme das Haus. Leider bietet ihm die Inszenierung darstellerisch kaum Möglichkeiten, sich zu profilieren. Simon Stone hat in Alfredos Vater offensichtlich einen neurotischen „Buchhalter“ gesehen, der sich im Gespräch mit Violetta die ganze Zeit an seine Aktentasche klammert – und Tézier konnte diesen Eindruck nicht einfach so „wegretuschieren“.

Vater Germont ist nicht das einzige Opfer von Stones Regieidee, Dottore Grenvil zum Beispiel wurde von ihm kurzerhand zum Kokainschnupfer erklärt. Aber das sind schon „Nebenschauplätze“, die in ihrer mehr oder weniger routinehaften Ausführung dem „Traviata-Kleeblatt“ nicht die Show stehlen konnten. Erwähnt werden soll aber trotzdem Ilja Kazakov als eben dieser kokainschnupfende Doktor, weil er wie schon zu Saisonbeginn als Zuniga mit seinem Bass gute Figur gemacht hat. Und der Chor gab wieder sein Bestens, um aller Routine entgegenzuwirken.

Das Orchester unter Domingo Hindoyan fungierte mehr als „impulslose“ Begleitung, in der Lautstärke zurückgenommen, wovon Orpesa und vor allem Floréz profitierten. Das Dirigat setzte nicht auf den typischen „Verdi-Jargon“, sorgte eher für eine „sachliche“ Durchhörbarkeit und der erste Akt hätte mehr „Champagnerperlen“ gut vertragen.

Der starke Schlussapplaus brachte es auf rund neun Minuten.