LA TRAVIATA
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Staatsoper
31. Oktober 2022

Musikalische Leitung: Thomas Guggeis



Violetta Valery - Kristina Mkhitaryan
Alfredo Germont - Dmytro Popov
Giorgio Germont - Amartuvshin Enkhbat
Flora Bervoix - Szilvia Vörös
Annina -
Monika Bohinec
Gaston - Carlos Osuna
Baron Douphol -
Attila Mokus
Marquis d'Obigny - Jack Lee
Dottore Grenvil - Ilja Kazakov
Giuseppe - Dritan Luca



Traviata-Dradiwaberl
(Dominik Troger
)

Die Wiener Staatsoper hat Simon Stones „Traviata“-Ringelspiel wieder angeworfen. Eine teils neue Besetzung ist angetreten, um sich dem Clubbing des Pariser Nachtlebens zu stellen. Der Gesamteindruck blieb unter den Erwartungen.

Die erste Vorstellung der aktuellen Aufführungsserie hat ein Polizeieinsatz wegen eines renitenten Besuchers in die Medien gebracht, dazu gab es an diesem Samstagabend glücklicherweise keinen Anlass. Aber was nimmt man sonst noch von dieser Vorstellung mit nach Hause? Simon Stones Inszenierung erwies sich bei der Zweitbegegnung als optisch aufdringliche Hülle, die mit übergroßen Projektionen ihre schlechte Personenregie übertüncht. Und die Drehbühnenbilder eilen so rasch dahin wie oberflächliches „Durchblättern“ von Instagram-Bildchen: Sektpyramide, Mülltonnen, Neonreklame, roter Traktor, obszöne Kostüme,  Infusionen, Spitalsbett – und nicht einmal beim Sterben hat Violetta ihre Ruhe, sondern muss noch die Drehbühne entlang in den „Himmel“ marschieren.

Dem Staatsoperndebüt von Kristina Mkhitaryan ist als Violetta ein guter Ruf vorausgeeilt, den sie nur im dritten Akt mit hauchzarten Piani einlösen konnte – fein und betörend auf Samt gebettet. Aber über weite Strecken klang mir ihr Sopran zu wenig füllig, bei forcierten Spitzentönen unschön gepresst und zu vage in den Koloraturen des ersten Aktes. Auch darstellerisch konnte sie diese „Influencerin“ nicht wirklich über die Rampe bringen. Mehr jugendliche Unbekümmertheit hätte geholfen, gepaart mit einem guten Instinkt für Selbstdarstellung. Bedroht von der Krankheit ergäbe sich daraus das Spannungsfeld, in dem sich Violetta in dieser, dem „Zeitgeist“ verpflichteten Inszenierung bewegt. Pretty Yende hat das in der Premierenserie sehr gut dargestellt, unter der schillernden Oberfläche des Socialmedia-Stars ihr Herzblut verströmt.

Dmytro Popov hat den Alfredo bereits vor acht Jahren in Wien gesungen. Sein Tenor ist inzwischen über die Partie hinausgewachsen. Er füllte die Lyrismen mit Kraft auf, so als würde er schon für den Otello trainieren. Alfredos Auftreten als jugendlicher Liebhaber hat er dadurch mehr geschadet als genützt. Die Inszenierung hat ihn auch nicht begünstigt: Während der Arie im zweiten Akt muss er in einem Bottich Wein treten: Schuhe ausziehen, in den Bottich steigen, ein paar Mal herumtreten, aus dem Bottich steigen, Schuhe wieder anziehen – eine groteske, im Zusammenhang mit der Handlung sinnlose Bewegungstherapie.

Sein Vater stand die meiste Zeit überhaupt nur herum und beseelte den Giorgio Germont mit dem Pathos eines Nabucco. Amartuvshin Enkhbat ist eine ganz große Hoffnung im (Verdi-)Bariton Fach, aber er verließ sich an diesem Abend vor allem auf seine Stimmkraft, mit der er der Figur nur wenige charakterliche Schattierungen abgewann. Die Inszenierung war ihm dabei keine Stütze und das unscheinbare Kostüm mit Umhängetasche, das den alten Germont zu einem „Allerweltsbüroangestellten“ macht, hat seine familiäre Autorität nicht gerade bekräftigt.

Weitere Mitwirkende waren u.a.: Szilvia Vörös als Flora, Monika Bohinec als Annina, Carlos Osuna (Gaston), Attila Mokus (Baron Douphol) Jack Lee (Marquis von Obigny), llja Kazakov (Doktor Grenville),  sowie der im zweiten Akt buntaufmüpfig kostümierte Staatsopernchor. Am Pult scheint mir Thomas Guggeis bis dato mehr im deutschen Fach zu reüssieren. Zumindest diese „La traviata“ blieb Stückwerk, so als müsste sich der Dirigent emotional erst einmal mit Verdi auf einen gemeinsamen Nenner einigen.

Stammpublikum sah man an diesem Abend wenig, viele Touristen waren im Haus. Gab es beim Schlussapplaus den Versuch von der Galerie, den Dirigenten noch mit einem Buhruf zu verabschieden? Akustisch war das von meinem Platz schwer herauszuhören. Gegen den Einheitsjubel hatte dieser aber ohnehin keine Chance. Nach nicht einmal fünf Minuten war der Beifall vorbei.