LA TRAVIATA
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Staatsoper
4. September 2019

Dirigent: Giampaolo Bisanti

Violetta Valery - Ekaterina Siurina
Alfredo Germont - Charles Castronovo
Giorgio Germont - Thomas Hampson
Flora Bervoix - Margaret Plummer
Annina -
Donna Ellen
Gastone - Carlos Osuna
Baron Douphol -
Sorin Coliban
Marquis d'Obigny - Hans Peter Kammerer
Dottore Grenvil - Ayk Martirossian
Giuseppe - Thomas Köber
Kommissionär - Hiro Ijichi
Domestico - Roman Lauder



Saisonstart mit Verzögerung
(Dominik Troger)

Die Wiener Staatsoper startete mit „La traviata“ und fast eine halbe Stunde später in die neue Saison als geplant. Ekaterina Siurina avancierte zur Einspringerin in der allerletzten Sekunde und übernahm die Violetta von Irina Lungu.

Ekaterina Siurina und der Tenor Charles Castronovo sind auch im richtigen Leben ein Paar – nicht nur ein Glücksfall für die Wiener Staatsoper. Im Juli 2018 saß Castronovo im Zuschauerraum als seine Frau am Royal Opera House als Mimi gastierte. Der Rodolfo des Abends erlitt eine Indisposition und Castronovo sprang in der Pause für ihn ein. Er sang die Partie neben der Bühne, während der indisponierte Sänger die Rolle nur schauspielerisch interpretierte.

Wien am 4. September 2019: Charles Castronovo gastiert als Alfredo an der Wiener Staatsoper, seine Frau reist mit ihm nach Wien, ist aber nicht für die Vorstellung engagiert. Irina Lungu, die Violetta der Aufführung, muss während des Einsingens die Vorstellung absagen. Ekaterina Siurina erklärt sich bereit, die Partie zu übernehmen. Die Sängerin hat erst vor wenigen Monaten als Violetta ihr Staatsopern-Rollendebüt gegeben, ihr war deshalb die Inszenierung bereits bekannt – ein doppelter Glücksfall.

Direktor Dominique Meyer teilte am Beginn der Aufführung dem Publikum den Sachverhalt mit und bat um Verständnis, dass die Aufführung rund zwanzig Minuten später beginnen würde. Die neue Violetta müsse erst in ihr Kostüm und sich natürlich ebenfalls einsingen. Das Publikum nahm die Ankündigung gelassen zur Kenntnis, promenierte noch ein bisschen in spätsommerlicher Abendstimmung auf der Terrasse, um danach Ekaterina Siurina mit einem Auftrittsapplaus zu danken.

Die Sängerin brachte ihren festen lyrischen Sopran mit einiger Kraftanstrengung zum „Laufen“. Die Koloraturen fädelten sich noch etwas „kantig“ und es gab keinen krönenden Aufschwung in Sopranstratosphären beim Aktschluss. Im zweiten Akt hatte sich die Stimme „konsolidiert“ und nach einer innig interpretierten Sterbeszene durfte sie sich an einem schönen Publikumserfolg erfreuen. Sie zeichnete die Figur vital und geradlinig, kaum kapriziös oder mit weicher Sentimentalität, woran auch ihre metallisch unterlegte, auf mich etwas kühl wirkende Stimme einigen Anteil hatte.

Charles Castronovo hat bereits 2011 in der Premiere dieser Produktion den Alfredo als „Studie" eines noch sehr naiven, unreifen Burschen verkörpert. Seine leicht baritonal gefärbter Tenor ist seither etwas dunkler und unstetiger geworden. Castronovos Stimme wirkte zuerst etwas träge, das „De' miei bollenti spiriti“ geriet zu schwerfällig. Erst in der emotionalen Aufwallung des mit Schwung, aber ohne hohem Schlusston vorgetragenen „O mio rimorso!“ „lockerte“ sich die Stimme und überraschte mit reizvollem, leicht kupfern-abgedunkeltem Timbre. Dass die Chemie“ zwischen Sopran und Tenor an diesem Abend stimmte, wird nicht überraschen, und machte den dritten Akt trotz seiner szenischen Inferiorität zum überzeugendsten Teil des Abends.

Sein Bühnenvater wurde von Thomas Hampson mit dem gebotenen patriachalischen Charisma, aber schon etwas „abgearbeitet“ klingenden stimmlichen Mitteln gegeben. Der Charme seines Baritons litt für meinen Geschmack zu deutlich unter der Mühen, die dem Sänger abverlangt wurden – und die gesangliche Geschmeidigkeit früherer Jahre wollte sich nicht mehr einstellen.

Das Staatsopernensemble war auch nicht unbedingt ein Lichtpunkt des Abends, ist in der „Traviata“ aber mehr von peripherer Natur. Das Orchester unter Giampaolo Bisanti und der Staatsopernchor fanden immer besser in die Vorstellung hinein. Manche Akzentsetzung des Dirigenten gab dem musikalischen Fluss eine expressive Kontur, die Streicher durften aber auch schön wehmütig Violettas Seele malen – aber insgesamt betrachtet kreuzte die Vorstellung in jenen Gewässern des alltäglichen Repertoirebetriebs, der oftmalige Staatsopernbesucher schwerlich zu Jubelstürmen hinreißt.

PS: Beim Einlass eine Stunde vor Vorstellungsbeginn wurden von den Billeteusen und Billeteuren die Ausweise der Besucher mit den 3-Euro-Stehplatzkarten aus dem Vorverkauf wirklich (!) kontrolliert. Diesbezüglich meint man es also ernst. Der Galeriestehplatz füllte sich bis Vorstellungsbeginn und war sehr gut besucht. Der Touristenanteil war trotz der erheblichen Erhöhung der Preise an der Abendkasse hoch.