LA TRAVIATA (remixed)
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Kammeroper
27. September 2016
Premiere

Musikalische Leitung: Kalle Kuusava

Inszenierung: Lotte de Beer
Ausstattung: Clement & Sanou
Video: Finn Ross

Remixed von Moritz Eggert
Orchestrierung Moritz Eggert & Jacopo Salvatori

Wiener KammerOrchester

Violetta Valéry - Frederikke Kampmann
Alfredo Germont - Julian Henao Gonzalez
Giorgio Germont - Matteo Loi
Flora / Annina - Anna Marshaniya
Grenvil / Douphol - Florian Köfler



„Verdi als Smartphone-Beat“
(Dominik Troger)

Das Theater an der Wien in der Kammeroper hat eine modernisierte „La traviata“ präsentiert. Die Koproduktion mit Operafront Amsterdam wurde im August beim Grachtenfestival gezeigt und ist jetzt in neuer Besetzung an den Fleischmarkt übersiedelt.

Verdis Oper wurde auf knapp eineinhalb Stunden (ohne Pause) gekürzt und der Orchesterpart „remixed”. E-Gitarre, Bass, Beats, aber auch das inzwischen offenbar unvermeidliche Akkordeon und ein bläserlastiges Orchester verliehen dieser „Traviata” einen streicherarmen, grellen DJ-Sound, mit dem der kleine Saal der Kammeroper über Lautsprecher in einigermaßen moderater Lautstärke beschallt wurde (bezogen auf meinen bühnenfernen Sitzplatz).

Für Komposition & Arrangement der Neufassung zeigte Moritz Eggert verantwortlich, der dabei von Jacopo Salvatori unterstützt wurde. In einem Beitrag im Programmheft stellt Eggert überraschender Weise die Frage in den Raum, ob eine so erfolgreiche Oper wie „La traviata“ einen „Remix“ überhaupt nötig habe. Und die Antwort nach diesen knapp eineinhalb Stunden lautet aus meiner bescheidenen Perspektive: Nein, „La traviata” hat wirklich keinen „Remix” nötig – zumindest nicht in dieser Form.

Die „Remixed“-Version verströmte (inklusive der Inszenierung von Lotte de Beer) den Charme einer x-beliebigen Teenagerserie, frisch vom Videoprovider aufs Smartphone gestreamt. Dass die Protagonisten auf der Bühne dabei oftmals auf ein Smartphone starrten, versteht sich von selbst. Natürlich wurden an diesem Abend auch E-Mails geschrieben und Fotos bzw. Videos „hochgeladen“ und zwischen der eifrig geführten elektronischen Kommunikation gerieten die Charaktere ziemlich blass – untermalt von ein paar wummernden Beats. Es gab erhebliche Brüche (auch musikalische) zwischen den gekürzten Szenen, die Verdis wohldurchdachten Spannungsaufbau durchlöcherten. Von der kunstvoll-rührend entwickelten Kurtisanen-Story blieb nur mehr das Rohgerüst der Handlung übrig.

Bei Beer erregt die kranke, unterhaltungssüchtige Hure Violetta öffentliches Interesse, weil ihre Beziehung zu Alfredo eine Politiker-Familie kompromittiert (soweit den auf die Bühne projizierten „Headlines“ zu entnehmen war). Alfredos Vater wurde zu einem (szenisch sehr „milchbärtigen“) Bruder (!) umfunktioniert, der sich in die Familienangelegenheiten einmischt und außerdem Violetta an die „Wäsche“ geht. (Man kann vom alten Germont halten, was man will, aber bei Verdi ist der Herr ganz Vertreter seiner Klasse und besitzt Würde und persönlichen Stil – und nur auf diese Weise ist die ganze Geschichte auch glaubwürdig.) Die Bühnenkonstruktion war geschickt als Bühne auf der Bühne gelöst, die sozusagen selbst ein „Smartphone“ darstellte und mit einer Trennwand geöffnet oder verschlossen wurde, die an die Blende eines Fotoapparates erinnerte.

Das Personal des Stückes war reduziert und auf fünf Mitwirkende verteilt worden. Neben den Stichwortgebern Anna Marshaniya und Florian Köfler standen natürlich Violetta, Alfredo und Giorgio im Zentrum des Interesses. Von der Bühnenwirkung war Frederikke Kampmann am eindringlichsten, für deren leichten Koloratursopran die Partie aber auch einiges an „Arbeit“ zu erfordern schien. Julian Henao Gonzalez hatte als Alfredo „nur“ den verträumten „Sunny-Boy“ zu spielen und zu singen, dem dann die Sicherungen durchbrennen. Auch sein lyrischer Tenor war gefordert und gab mehr einen „naiven“ Nemorino als einen virilen Alfredo. Matteo Loi war als „Bruder“ mit der Vater-Partie des Giorgio Germont von der Regie auf verlorenen Posten gestellt worden. Mit seinem lyrischen, in der Tiefe etwas blassen Bariton, hat er die Autorität Giorgios nicht gerade befördert und wirkte als Bühnencharakter mehr nach „Schein“ als nach „Sein“. Es ist wenig überraschend, dass sich bei mir bald das Gefühl einstellte, alle drei Stimmen wären mit ihrem eloquenten, jugendlichen Charme und ihrer lyrischen Frische bei Mozart oder Rossini o.ä. derzeit noch besser aufgehoben, als bei Verdi.

Das Premierenpublikum jubelte.