LA TRAVIATA
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Staatsoper
20. Mai 2016

Dirigent: Marco Armiliato

Violetta Valery - Marina Rebeka
Alfredo Germont - Dmytro Popov
Giorgio Germont - Placido Domingo
Flora Bervoix - Zoryana Kushpler
Annina -
Donna Ellen
Gastone - Joseph Dennis
Baron Douphol -
David Pershall
Marquis d'Obigny - Il Hong
Dottore Grenvil - Jongmin Park
Giuseppe - Thomas Köber
Kommissionär - Wataru Sano
Domestico - Roman Lauder



Der alte Mann und die Oper
(Dominik Troger)

Die Wiener Staatsoper spielt „La traviata“ und Placido Domingo ist auf dem Weg durch das Bariton-Repertoire beim Giorgio Germont angekommen, also Grund genug für ein ausverkauftes Haus. Berichtet wird hier von der zweiten „Traviata“-Vorstellung der laufenden Serie.

Der große alte Mann und die Oper – eine unzertrennliche Verbindung. Wenn Placido Domingo zum ersten Mal die Bühne betritt, um gleich wieder hinter einem Kulissenstück zu verschwinden, dann gibt es Auftrittsapplaus. Das ganze Haus erfasst er aber nicht, bleibt irgendwo „in der Mitte” hängen, zwischen Stehparterre und den Ranglogen, weil der von rechts im Hintergrund erfolgte Auftritt einem Teil des Publikums wohl zu lange verborgen blieb. Wenn er wenig später für alle sichtbar bühnenmittiger nach vorne strebt, ist der Applaus schon verrauscht.

Domingo wirkte sehr väterlich, das graue Haar, der gemessene Schritt – hätte er Violetta ohne großes Wenn und Aber als neues Familienmitglied begrüßt, es wäre keine Überraschung gewesen. Immerhin zeigte er auf dem Ball entzürnt seinem Sohn die Grenzen auf und dieser Moment vertrieb kurz die allzu deutlich gezeigte Altersgüte, mit der Domingo an der Figur erst gar keine Zwiespältigkeit aufkommen ließ. Die würdevolle Willensstärke eines standesbewussten Familienoberhauptes würde zudem von einer baritonaleren Färbung seiner nach wie vor recht tenoral klingenden Stimme profitiert haben. Die Tiefe geriet ihm etwas flach und sein Vortrag war atembedingt einige Male etwas „unflüssig“. Der Gesamteindruck war in Anbetracht des Alters und abzüglich der naheliegenden Einwände betreffend der Stimmfärbung dennoch beachtlich.

Marina Rebeka sang eine „resche“ Traviata. Ihr Sopran besitzt viel Metall und Kraft sowie genug Agilität für den ersten Akt (den sie ohne hoch gesetzten Spitzenton abschloss) – auch wenn manche Koloratur schon etwas flüchtig geriet. Der (zu) vitale Eindruck, und ein gewisser Mangel an melancholisch-poetischer Gemütsmalerei, den die Sängerin hinterließ, verflüchtigte sich auch im dritten Akt nicht. Dem Applaus nach ist sie mit ihrer energiegeladenen Rolleninterpretation aber voll beim Publikum angekommen.

Dmytro Popow überraschte mit einem cremigen, baritonal-timbrierten Tenor, der mit einer südländischen Wärme aufwarten konnte, die man bei einem Sänger slawischer Herkunft nicht unbedingt erwarten würde. Die Stimme klang ein bisschen „gaumig“, für den Alfredo vielleicht schon eine Spur zu reif. Ein schnelles Vibrato kam nicht immer so deutlich zum Tragen, scheint aber den jugendlichen „Vintage“-Reiz dieses Tenors zu bekräftigen (das ist in diesem Fall kein Widerspruch). Allerdings konnte er aus seiner Arie plus „Oh mio rimorso“ (ohne hoch gesungenen Schlusston) wenig Kapital schlagen.

Zoryana Kusphler bewies als Flora erotische Tanzqualitäten und Jongmin Park gab einen dunkel stimmigen, fast schon luxuriösen Dottore Grenvil. Das Orchester unter Marco Armiliato atmete gleichsam mit Verdi – und sorgte für einen spannenden, aber auch sensibel musizierten Abend. Der Schlussapplaus brachte es durch den unermüdlichen Einsatz der Damen und Herrn des „Domingo-Fanclubs“ auf 22 Minuten, vielleicht waren es auch 23 – und es wurden, wie üblich, wieder die kleinen Blumensträußchen geworfen.

Bleibt noch anzumerken, dass es diese missglückte Inszenierung inzwischen auch schon wieder auf (laut Programmzettel) 43. Aufführungen gebracht hat.