LA TRAVIATA
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Wiener Staatsoper
8. Mai 2013

Dirigent: Marco Armiliato

Violetta Valery - Maija Kovalevska
Alfredo Germont - Vittorio Grigolo
Giorgio Germont - Thomas Hampson
Flora Bervoix -
Lena Belkina
Annina -
Donna Ellen
Gastone - Jinxu Xiahou
Baron Douphol -
Marcus Pelz
Marquis d'Obigny - Il Hong
Dottore Grenvil - Dan Paul Dumitrescu
Giuseppe - Dritan Luca
Kommissionär - Ion Tibrea
Domestico - Franz Gruber



Heißes Blut und laute Stimme
(Dominik Troger)

„La Traviata“ an der Wiener Staatsoper: Der mit vielen Vorschusslorbeeren bedachte Tenor Vittorio Grigolo gab sein Hausdebüt. Außerdem lockten die Rollendebüts von Maija Kovalevska als Violetta und Thomas Hampson als Vater Germont.

Die Aufführung zeigte für die erste Vorstellung einer Serie überraschende Kompaktheit und Spielfreude aller Beteiligten. Marco Armiliato führte am Pult sicher durch den Abend, das Orchester spielte einen animierten Verdi, und auf der Bühne agierte ein persönlichkeitsstarkes SängerInnen-Trio. Die Charaktere wurden intensiv ausgelebt, allerdings von einer mehr oberflächlichen Leidenschaft angespornt. Gesanglich dominierte ein „Dauer-Forte“, dass feinere Seelenregungen oft übertönte.

Maija Kovalevska sang eine selbstbewusste Violetta, die im ersten Akt Alfred umschmeichelte und dann wieder zurückwies, um schlussendlich doch in heftigere Leidenschaft für ihn zu entbrennen. Auf mich wirkte sie insgesamt etwas kühl, im Schlussbild dem eigenen Sterben gegenüber schon zu heroisch und „ungerührt“. Kaum, dass ihr einmal ein flehentliches Piano über die Lippen kam. Kovalevska ließ Violetta keine emotionale Schwäche durchgehen, verlieh ihr ein wenig das Ansinnen einer „eisernen Lady“, die mit veristischem Lebensgefühl in die Katastrophe geht. Das half zwar dabei, die Handlung vorwärts zu tragen, Zwischentöne subtilerer Gefühlsregungen wurden aber überdeckt. Das „Sempre libera“ sang sie flüssig und sicher, auf das berühmte „Es“ verzichtete sie. Aber ob die Sängerin für die Partie inzwischen nicht schon zu viel „spinto“ in der Stimme hat, wäre vielleicht einer Überlegung wert?

Violetta wurde vom Alfredo des Vittorio Grigolo förmlich „belagert“ – körperlich und stimmlich. Grigolos Tenor war an diesem Abend ganz „Heißsporn“ und „unüberhörbar“ – und wahrscheinlich brachte er sich damit um die Früchte einer Stimme, die durchaus mehr zu bieten hätte, als ein publikumswirksames, laut durch das Auditorium schallendes baritonales Timbre. Grigolo sang teils mit schöner Phrasierung, „ging“ mutig beim „O mio rimorso“ auf ein – kurzgehaltenes – „hohes C“. Der Szenenapplaus fiel sparsam aus, dafür wurde der Sänger beim Schlussvorhang umso stärker bejubelt.

Grigolo sang mit viel Körpereinsatz, zeigte nackte Oberarme, die muskelbepackt aus dem weißen Ruderleiberl ragten – unter südlicher Sonne gereiftes Sex-Appeal. So bot er das marketingaffine Gesamtpaket eines italienischen Tenors, der Phantasien weckt, die dem Publikum gefallen. Mir kam er an diesem Abend etwas übermotiviert vor, aber womöglich ist das sein Markenzeichen. In seiner offenen Art, mit der er sich ganz der Rolle und dem Publikum verschrieben hat, zeigte er Ähnlichkeiten mit Rolando Villazon. Hoffentlich ist er im Verschenken seiner Ressourcen nicht genauso freigiebig wie der Mexikaner. Beim Schlussapplaus kommunizierte er ebenfalls wie Villazon ganz locker mit dem Publikum, schickte gestisch sein Herz auf Reisen und trug (!) bei einem weiteren Vorhang sogar Kovalevska auf die Bühne.

Thomas Hampson war der dritte im Bunde einer mehr lautstark gefrönten Sangeskunst. Für mein Gefühl kam Hampsons Germont-Debüt am Haus eigentlich zu spät. Dass Hampson wie ein reicher amerikanischer Onkel ins Liebesnest von Alfredo und Violetta „schneit“, dieser Eindruck hätte sich allerdings auch vor fünf Jahren schwer vermeiden lassen. Doch was der Sänger aus der Rolle herausholte, war durchaus eindrucksvoll: ein „pater familias“, eine Autoritätsperson vom Scheitel bis zur Sohle, die dem Sohn nach der Demütigung Violettas auf dem Fest eine Ohrfeige reibt, bei der einem schon „als Publikum“ der Schädel „raucht“. Solche darstellerische „Kaliber“ braucht diese Inszenierung von Jean-Francois Sivadier, die sonst kaum etwas zu bieten hat. Hampson hielt seinen Bariton gut am Zügel, der weniger „belcantoaffin“ ins „Schwärmen“ kam, sondern die Figur mehr mit Nachdruck zu dem machte, was sie seiner Meinung nach darstellen sollte.

Das „Rundherum“ passte – wie Lena Belkina als Flora oder Dan Paul Dumitrescu als ruhiger, gesanglich überqualifizierter Dottore Grenvil. Marco Armiliato war, wie schon erwähnt, ein sicherer Sachwalter, der dem Abend auch gestalterische Momente abgewann wie zum Beispiel die geschmackvoll realisierten Vorspiele zum ersten und zum dritten Akt. Der Stehplatz war nur mäßig besucht. Der starke Schlussapplaus dauerte knappe zehn Minuten lang und schloss alle Beteiligten ein.

Fazit: Der Abend wurde von starken Bühnenpersönlichkeiten geprägt, gesanglicher Feinschliff war weniger gefragt.