SIMON BOCCANEGRA
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Wiener Staatsoper
24.2.2013

Dirigent: Evelino Pidò

Simon Boccanegra - Placido Domingo
Jacopo Fiesco - Michele Pertusi
Amelia - Maija Kovalevska
Paolo - Marco Caria
Pietro - Dan Paul Dumitrescu
Gabriele Adorno - Roberto De Biasio
Hauptmann - Carlos Osuna
Dienerin Amelias - Simina Ivan



„Menschliche Tragik “
(Dominik Troger)

Placido Domingo ist wieder als Simon Boccanegra an der Wiener Staatsoper zu Gast. Die dritte Aufführung der laufenden Serie war zugleich die 65. Aufführung in dieser Inszenierung.

Placido Domingo hat mit dem „Simon Boccanegra“ die (!) Rolle für seine sehr langsam ausklingende Karriere gefunden. Ob Bariton oder Tenor, letztlich siegt immer die künstlerische Überzeugungskraft: Stimme, Spiel und körperliche Erscheinung zu einem glaubwürdigen Gesamtpaket geschnürt.

Domingos Stimme klang an diesem Abend sehr frisch und gar nicht nach 70+ – und ein überzeugender Bühnendarsteller ist der Sänger ohnehin schon immer gewesen. Domingo machte sogar als jugendlicher Boccanegra, mit schwarzem Haar und Bart, beste Figur, und er schien hier mit hellerer Farbgebung zu singen als im nachfolgenden Teil. Sein „wahres“ Alter und sein ergrautes Haupt spielen dem väterlichen Anspruch der Partie ohnehin in die Hände.

Domingos Boccanegra hat viel von einem Familienvater, der sich um „Kind und Kegel“ kümmert, für alle nur das Beste möchte, und dann trotzdem sterben muss, hinterhältig ermordet. Und man vermeint eine ehrliche, fast naive Anteilnahme zu spüren, wenn dieser Boccanegra seine Tochter wieder findet – oder wenn es ans Sterben geht. Dann trotzt Boccanegra dem Gift, das schon in seinen Eingeweiden nagt, eine segnende Würde ab, aus der man einen humanistischen Anspruch herauslesen darf. Dadurch entsteht eine „menschliche Tragik“, die bereits über das Theater hinausgreift.

Mit Domingos starker Bühnenpräsenz konnte sich an diesem Abend sonst niemand messen. Michele Pertusi gelangen in ruhigeren Bühnenmomenten sehr schön gesungene Passagen, aber als düsterer Gegenspieler zu Boccanegra konnte er sich in meinen Augen nicht profilieren: dafür gab er sich zu „bühnenzahm“ und undramatisch.

Maija Kovalevska wurde wegen einer Erkältung angesagt: Ihr Sopran klang auch den ganzen Abend über sehr flackrig, mit scharfen Spitzentönen und in den lyrischen Momenten zu stark forciert. Im Spiel pflegte sie eine leichte Affektiertheit – etwa im ersten Akt in der Szene mit Boccanegra.

Amelias Liebster, Roberto De Biasio, hat mit dieser Aufführungsserie sein Staatsoperndebüt gegeben: eine nicht zu breite, aber fundierte Tenorstimme, mit einem leichten nasalen Beiklang. In der Höhe öffnete sie sich an diesem Abend aber nicht so richtig, und ich vermisste das „Spinto-Metall“. Marco Caria hat den Paolo an diesem Abend ein bisschen zu sehr mit „Samthandschuhen“ angefasst. Als Pietro ist Dan Paul Dumitrescu (wie in vielen anderen Partien) für die Staatsoper eigentlich schon unverzichtbar geworden.

Das Orchester unter Evelino Pidò bot eine „runde" Leistung, immer wieder stimmungsvoll in den Streichern, die aufwühlenden Stellen nicht überhitzt, aber mit der gebotenen Energie.

Zum finalen Applaus gab es wieder das übliche Ritual: eine knappe halbe Stunde Applaus (ich stoppte 28 Minuten), Blumenwürfe, Herablassen des Eisernen Vorhangs, und Winken von Domingo und weiteren Mitwirkenden von seitlich der Bühne in den Zuschauerraum. Der weitaus größte Teil des Publikums war da aber schon lange entfleucht.