SIMON BOCCANEGRA
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Wiener Staatsoper
27.5.2011

Dirigent: Myung-Whun Chung

Simon Boccanegra - Andrzej Dobber
Jacopo Fiesco - Roberto Scandiuzzi
Amelia - Fiorenza Cedolins
Paolo - Marco Caria
Pietro - Sorin Coliban
Gabriele Adorno: Francesco Meli
Hauptmann - Carlos Osuna
Dienerin Amelias - Simina Ivan


„Empfehlenswerte Aufführung“
(Dominik Troger)

Die laufende „Simon Boccanegra“-Serie an der Wiener Staatsoper sollte man nicht versäumen. Schon von der ersten Aufführung am 24. Mai hörte man viel Gutes – und diese positive Einschätzung kann nach dem Besuch der zweiten Aufführung nur geteilt werden.

Im Zentrum des Abends stand der koreanische Dirigent Myung-Whun Chung, ehemals Assistent von Carlo Maria Giulini und langjähriger Leiter des Philharmonieorchesters von Radio France. Er dirigierte mit ökonomisch-klarer Zeichengebung, konzentrierter Souveränität und auswendig. Chung zeigte die Fähigkeit, Musik zu verdichten so wie ein Tiger im Sprung all seine Energie in die Muskel packt und dabei trotzdem geschmeidig bleibt, umflort von einer kühlsinnlichen, modernen Ästhetik. Das Ergebnis lässt sich, wenn mich meine Erinnerung nicht trügt, ein wenig mit dem zupackenden „Verdi-Sound“ des frühen Giuseppe Sinopoli vergleichen.

Das Klangbild war leicht trocken, aber elastisch und gar nicht spröde. Zudem waren die Instrumente bestens aufeinander abgestimmt. Das war spannend anzuhören – und durch das philharmonische Spiel des Orchesters wob sich sogar noch ein Schimmer von sinnlich-südländischer Schwermut hinein. Chung fand zudem die richtigen Tempi für die Verdi’sche Gefühlsschaubahn, zwischen sich zügig aufbauender Spannung oder verhaltenem Verklingen.

Dass er den dritten Akt mit einem zurechgestutzten Rosenstiel in der Hand dirigierte, wird in die Anekdotensammlung der Staatsoper eingehen. Chung war nach der Pause ohne „Staberl“ erschienen und hatte nur mit den Händen dirigiert. Nach der kurzen Umbaupause vor dem dritten Aufzug lag plötzlich eine rote Rose auf dem Pult und Chung hielt einen neuen, „frischergrünten“ Taktstock in der Hand.

Andrzej Dobber war für den erkrankten Leo Nucci eingesprungen und hat alle vier Vorstellungen von ihm übernommen. Dobber zeigte sich als Boccanegra zuerst etwas „hemdsärmelig“, fand aber bald zu Würde und Autorität. Auch seine väterlichen Gefühle gegenüber Amelia konnte er dem Publikum Glauben machen. Stimmlich erschien er mir nicht ganz als „Grandseigneur Verdi’scher Gesangeskunst“, sondern ein bisschen einfärbig, wenn auch ausgesprochen solide und mit guter Bühnenwirkung. Roberto Scandiuzzi debütierte in dieser Serie als Fiesco und gab mit sonorem Bass ein einprägsames Portrait dieses Edelmanns.

Francesco Meli bewies an diesem Abend, dass er sich nach dem weniger überzeugenden Percy in der „Anna Bolena“ auf dem Weg ins „Zwischenfach“ befindet. Er sang einen beeindruckenden Gabriele Adorno, austariert zwischen kräftiger Attacke und notwendigem Stilgefühl. Die Stimme lag auch in der Höhe gut, mit leicht metallischem Forte und entfachte jugendliches Feuer. Nach seiner Arie im zweiten Akt gab es Szenenapplaus und Bravorufe. Trotz dieses Erfolges wäre es zu wünschen, wenn Meli im Aufbau seiner Karriere behutsam fortschreitet.

Fesselnd und mit sattem Bariton gestaltete Marco Caria den Paolo. Caria ist ein neues Ensemblemitglied der neuen Direktion – und muss nach diesem Abend auf die Habenseite gebucht werden. Sorin Coliban als Pietro vervollständigte diesen eindrucksvollen „Herrenabend“.

Mit der Amelia von Fiorenza Cedolins konnte ich mich nicht anfreunden. Hin und wieder blitzte zwar noch zarte Pianokultur auf, aber ihr kühler, phasenweise stark flackernder Sopran, machte auf mich den Eindruck, als würde das „Silber“ schon großflächig abblättern. Der Chor war gut in Form.

Die Inszenierung von Peter Stein hat sich bewährt und passt zum Stück (auch wenn gerade beim „Simon Boccanegra“ Erinnerungen an frühere Produktionen einen sehr langen Schatten werfen).

Unter dem wieder sehr unruhigen Publikum – leises Geflüster begleitete die Orchestereinleitungen zu den einzelnen Akten, zwei Mal meldete sich ein Smartphone mit synthetischem Musikgeplärr – waren genug Fans, um den Schlussapplaus recht kräftig ausfallen zu lassen und auf eine Länge von etwas sechs Minuten auszudehnen. Myung-Whun Chung und das Orchester wurden bereits nach der Pause mit einigen Bravorufen bedacht.