SIMON BOCCANEGRA
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Wiener Staatsoper Dirigent:Marco
Armiliato |
Simon
Boccanegra - Thomas Hampson |
An der Staatsoper verwöhnt man das Publikum zu Saisonbeginn mit einer gediegenen Aufführung von „Simon Boccanegra“ – anbei einige Anmerkungen zur zweiten Aufführung der laufenden Serie. Seit der Wiener Premiere dieser Produktion (eine Übernahme von den Salzburger Osterfestspielen 2000) sind fünf Jahre vergangen. Die heutige Aufführung am 8.9. war immerhin schon die 36. dieser Produktion. Thomas Hampson und Ferruccio Furlanetto haben von diesen 36 den Löwenanteil bestritten. Thomas Hampson in seiner stattlichen Erscheinung hat sich die szenische Autorität des Dogen erobert, und wenn ihm die Emotionalität des liebenden Vaters früher näher gewesen sein sollte (wie mir meine Notizen zur Premiere nahe legen), dann ist er inzwischen längst zum Politiker gereift. Die Szene im Ratssaal (1. Akt, 2. Bild) lebte stark von seinem Durchsetzungswillen und mit nahezu hypnotischem Vermögen zwang er seinen perfiden und mit kernigem Bariton ausgestatteten Gegenspieler (Boaz Daniel) zur Selbstverfluchung. Das ganze Werk, das als dunkles historisches Fresko die menschlichen Schicksale eng mit machtpolitischen Grundkonstellationen verknüpft, lebt von dieser szenischen Autorität – denn es ermöglicht den SängerInnen kaum, das Publikum allein durch gesangstechnische Gustostückerln zu begeistern. Vor allem Simon Boccanegra ist stark auf sich selbst gestellt, hat er doch ohne eigentliche „Arie“ den langen Weg vom Seepiraten bis zum einfühlsamen Vater zu gehen, vom Dogen bis zum Sterbenden, dem langsam das Gift die Eingeweide zerfrisst. Hampsons Stimme hält dafür eine gewisse Härte bereit, die mit dem subjektiven Wunsch nach Glückserfüllung streitet, ihr zugleich aber auch die Autorität des Amtes verleiht, mit der er sich als Doge durchzusetzen vermag – solange er Angriffen öffentlich gegenübertreten kann. Das gibt dem Charakter etwas Heroisch-Tragisches – dem sich in dieser Aufführung auch die Amelia von Krassimira Stoyanova zugesellte, die sich selbstbewusst nicht in eine „Mädchenrolle“ abdrängen ließ und deren Stimme an Dramatik gewonnen, aber die zarteren Höhen nicht verloren hat. Ferruccio Furlanetto ist als Fiesco derzeit wohl unerreicht, und die Begegnungen zwischen Boccanegra und Fiesco wurden zu nervenaufreibenden Machtspielen, mit dieser großen Erschütterung und Erkenntnis am Schluss, den heilenden Tränen, die sich erst ihre Bahn durch ein von hartem Schicksal und hierarchischem Dünkel versteinertes Herz brechen müssen. Fabio Sartori ist als Gabriele ebenfalls eine gute Wahl – kein Stilist, aber ein kraftvoller Tenor mit viel Leidenschaft. Boaz Daniel formte aus dem Paolo eine intrigante, gefährliche Persönlichkeit – von Dan Paul Dumitrescu bestens assistiert. Das machte in Summe eine homogene Aufführung auf hohem Niveau – und ganz ohne Schwachstellen auf der Bühne: ein rares Vergnügen. Das Orchester unter Marco Armiliato trieben die wechselnden Wogen zwischen subjektivem Gefühlsausdruck – der sich da und dort schon impressionistische Farben erschließt– und der gewalttätigen, rhythmisch stampfenden Historie. Armiliato hat einen Sinn für das dramatische Potential und sucht nicht den billigen Effekt – zum Beispiel in einem bewusst verhärteten Klangbild, sondern lässt auch eine fülligere Sinnlichkeit gelten. Die Inszenierung ist für das Repertoire eine sichere, unspektakuläre Lösung – insofern mag die Konzeption von Peter Stein aufgegangen sein (siehe auch „Die Wahrheit der Konvention“: Interview mit Regisseur Peter Stein im Programmheft). Das Publikum spendete viel Applaus am Schluss, einen Blumenstrauß gab es für Hampson. Vom Applaus lagen Hampson und Furlanetto ziemlich gleich auf, gefolgt vom Liebespaar – auch Boaz Daniel bekam jede Menge an Bravorufen spendiert, Armiliato ebenfalls. |