SIMON BOCCANEGRA
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Staatsoper
10. Mai 2018

Dirigent: Evelino Pidò

Simon Boccanegra - Thomas Hampson
Jacopo Fiesco - Dmitry Belosselskiy
Amelia - Marina Rebekka
Paolo - Orhan Yildiz
Pietro - Ryan Speedo Green
Gabriele Adorno - Francesco Meli
Hauptmann - Carlos Osuna
Dienerin Amelias -
Lydia Rathkolb


„Dogenleid und Frauenpower“
(Dominik Troger)

An der Wiener Staatsoper steht wieder einmal das Schicksal des Genueser Dogen „Simon Boccanegra“ auf dem Programm. Thomas Hampson singt die Titelpartie. Die Produktion in der Inszenierung von Peter Stein erlebte an diesem Abend (so der Programmzettel) ihre 82. Aufführung.

Thomas Hampson hat bereits in der Premiere 2002 die Titelpartie verkörpert – und der Befund von damals ist in groben Zügen immer noch gültig: Was der Stimme in der Ratsszene an Durchschlagskraft fehlt, wird durch ihre Noblesse wieder wett gemacht. Hinzugesellt hat sich die Erfahrung des Alters, die dem Dogen den Konflikt zwischen Herrscher und liebendem Vater in reichhaltigen Facetten erschließt und in diesem Fall vor allem auf die menschlichen, gefühlvolleren Aspekte abzielte.

Hampsons Bariton versprühte einen hellen lyrischen Glanz, der über einem inzwischen grobkörniger strukturierten Kern schwebte. Eine gute Portion Pathos und eine starke Bühnenpräsenz sprangen ein, wenn die stimmlichen Ressourcen schon ein wenig mit Vorsicht handzuhaben waren. Das betraf vor allem die Senatsversammlung, in der der Sänger den über seine ganze Karriere gelebten Ausgleich zwischen gesanglichem Anspruch und stimmlicher Beanspruchung nicht mehr ganz wahren konnte. Der lyrischen Grundhaltung seiner Stimme treu bleibend, ließ er sich aber nicht zum Forcieren verleiten – und sorgte vor allem nach der Pause für ein innig ausgelebtes Rollenporträt, das man so richtig genießen konnte.

Dmitry Belosselskiy, der altersmäßig schwerlich der Vater der Mutter der Tochter hätte sein können, avancierte als Fiesco im Laufe des Abends zu einem überzeugenden Gegenspieler Boccanegras. In der Tiefe fehlte es seinem Bass an tragender Fülle, seine Textur war insgesamt etwas rau und süffiger „Italianità“ ein wenig abhold. (Es wirkte ein bisschen, als habe es Boris Godunow mit seinem „slawischen Pathos“ ins 14. Jahrhundert verschlagen.) Aber zwischen Boccanegra und Fiesco sprühten schnell die Funken. Belosselskiy brachte die Hassgetriebenheit Fiescos sehr gut heraus, seine Verschlagenheit, und im Finale die große emotionale Erschütterung.

Marina Rebeka hat 2012 als Donna Anna an der Wiener Staatsoper debütiert, ihr Sopran hat sich seither stark entwickelt: eine kühle Stimme mit viel dramatischem Potenzial, von einer starker Persönlichkeit getragen. Die sinnlichen Lyrismen, die Verdi von Amelia einfordert, kamen zu kurz, aber die emotionale Emphase, mit der sie schon in der Ratsszene ihre ganze Liebe und weibliche Autorität in die Waagschale warf – das hatte „Frauenpower“ und füllte mühelos das Haus.

Francesco Meli hat erstmals 2011 den Gabriele Adorno an der Wiener Staatsoper gesungen. Sein Tenor hat seither an Metall zugelegt, wurde in den letzten Jahren gleichsam auf einen Spinto „zurechtgeschneidert“, wobei gehaltvollere Nuancen und die Fähigkeit zu einer reichhaltigeren Dynamik ein wenig der „Trimmschere“ zum Opfer gefallen sind. Aber abgesehen von dieser gewünschten gesanglichen Luxusausstattung hat Meli sehr gut zu Rebekas Sopranmetalll gepasst und sich der Aufgabe in Summe souverän entledigt – zumal er für die Partie auch genug Stilgefühl mitbrachte. Das junge Ensemblemitglied Orhan Yildiz sang einen darstellerisch guten, gesanglich noch etwas ausbaufähigen Paolo.

Am Pult stand wieder Evelino Pidò, der zusammen mit dem Orchester, den Protagonisten und dem Staatsopernchor für eine spannende Repertoireaufführung sorgte. Der Schlussapplaus hielt rund acht Minuten lang an.