RIGOLETTO
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Volksoper
17.10.2009
Premiere

Dirigent: Manlio Benzi

Regie: Stephen Langridge
Bühnenbild und Kostüme: Richard Hudson
Bühnenbildassistenz: Eva-Maria Schwenkel
Lichtdesign: Fabrice Kebour


Der Duca - Oliver Kook
Rigoletto - Jacek Strauch
Gilda - Jennifer O´Loughlin
Sparafucile - Marek Gasztecki
Maddalena - Zoryana Kushpler
Giovanna - Sulie Girardi
Graf von Monterone - Peter Wimberger
Marullo - Josef Luftensteiner
Borsa - Paul Schweinester
Graf von Ceprano - Einar Th. Gudmundsson
Gräfin von Ceprano -Mara Mastalir
Ein Wachebeamter - Edgard Loibl
Ein Bediensteter - Nora Drimba


Rigoletterl, der Garderobier von der Volksoper
(Dominik Troger)

Johann Nepomuk Nestroy hatte einen tiefen Sinn für die Seichtheiten operaler Tragik. Seine „Tannhäuser“-Parodie, die der Volksoperndirektor so unnachahmlich vorzutragen weiß, ist untrügliches Beispiel für seinen Witz. Ja, ja, der Landgraf Purzl und seine „Konsorten“. Welchen Spass hätten sie wohl daran gehabt, den Rigoletto ein bisschen zu verulken?

Natürlich muss man die veränderten historischen Gegebenheiten berücksichtigen: heute sind die Hofnarren schon ausgestorben, Herzöge gibt es auch nur mehr in England und einen Buckel hat bald jemand, auf dem ihm die anderen hinunterrutschen können. Das schafft keine Konflikte mehr, die Interesse wecken. Nehmen wir also einen Filmstar, der „Duca“ heißt, machen wir Rigoletto zu seinem Garderobier, verpassen wir dem armen Mann noch eine Beinschiene, damit er sich möglichst schlecht auf der Bühne bewegen kann, und erklären wir, dass er in Jugendjahren an Kinderlähmung litt. Lassen wir ihn im Zorn ein paar Sakkos seines verhassten Geldgebers zerknüllen – und am besten wäre es, der Duca würde sich an einer 200 Meter langen, sich dabei abspulenden Filmrolle aufhängen.

Freilich, in Anbetracht der räumlichen Möglichkeiten (so hoch ist die Volksoper nicht, dass sich die 200 Meter ausgehen), begnügen wir uns mit einer Sparversion und verfügen deshalb nur den Selbstmord des Grafen Monterone, der sich eine Kugel in den Kopf schießen darf. Wir führen dem Publikum außerdem eine ökologisch bewusst haushaltende Giovanna vor (Gildas Aufpasserin), die den Hausmüll brav im dafür vorgesehenen Abfalleimer entsorgt und nicht einfach auf die Straße schmeißt. Pädagogisch wirkungsvoller wäre es allerdings, Giovanna würde gezielte Mülltrennung betreiben: also demnächst bitte einen Altpapierkontainer dazustellen und einen für Weiß- und einen für Buntglas.

Das Unterklassenschicksal Rigolettos betonen wir durch die Automarke, die er fährt: es ist ein Kleinstwagen älterer Bauart, immerhin hat er vier Räder und keine drei. Rigoletto vergisst außerdem, die Scheinwerfer abzudrehen, damit es am Schluss des ersten Aktes vor seinem Wohnsitz möglichst dunkel ist. Das streicht den existentiellen Charakter dieser Situation besonders heraus, seine Ausgeliefertheit und seine – nun, das ist der springende Punkt: „Verblendung“! Also doch keine Schmiere: die Scheinwerfer bleiben an!

Wichtig ist natürlich, dass das Publikum immer versteht, worum es geht. Deshalb malen wir Gilda für ihren letzten Auftritt einen schönen roten Fleck auf ihr Gewand und färben auch Rigolettos Finger mit ein bisschen Theaterblut. Ganz wichtig ist natürlich: Wir lassen in deutscher Sprache singen. Und damit die Parodie ihre besondere Wirkung nicht verfehlt, variieren wir den Text zwischen gesungenem Wort und dem angezeigten Untertitel. Rigoletto sucht für den toten Duca einen „Sarg“, der Untertitel verheißt ihm aber ein „Grab“ und ähnliche nette kleine Differenzen, die der Unterhaltung eines aufmerksamen Publikums dienen und für Amüsement sorgen.

Als Rigoletto wählen wir außerdem einen Sänger, der eine möglichst laute Stimme hat (das kann nie schaden) und den deutschen Text so deklamiert, als handele es sich um den „Fliegenden Holländer“, der mit seinem Schicksal hadert. Als Herzog und als Gilda wählen wir außerdem eine Erstbesetzung, die knapp vor der Premiere im Duett erkrankt – das schafft eine gewisse Aufmerksamkeit in den Medien – und lassen dann die Zweitbesetzung ran. Für den Orchesterleiter ist es wichtig, dass er einen italienisch klingenden Namen hat, das sorgt bei einem auf Deutsch gesungenen Rigoletto nämlich für Authentizität. Als besonderes Gustostückerl darf der Tenor die „trügerischen Frauenherzen“ in italienischer (!) Sprache besingen - wer erkennt den Unterschied?

Zu den ersten Orchestertakten bauen wir der Glaubwürdigkeit unseres Konzeptes wegen eine Filmszene ein, die gerade aufgenommen wird: Einen Mord! Frau in Unterwäsche wird von Mann erdolcht. Ist es Gilda? War es der Herzog? Der Film heißt: „La Maledizione“, natürlich mit dem Duca als mörderischem Star. Das knallt rein, da springt man förmlich in die Handlung. (Ja, ich weiß schon, das war das Grundkonzept: Rigoletto als Film und Society-Drama in der Filmbranche – oder so ähnlich. Das hat Regisseur Stephen Langrige im Programmheft ohnehin erklärt (Zitat): „Das Stück spielt in einer dekadenten Gesellschaft!“ Man sollte für solche Erkenntnisse eigene Preise ausloben und nicht nur immer die „Opernhäuser des Jahres“ herausstreichen. Obwohl, die Volksoper hat sicher Chancen, bald in einer solchen Liste aufzutauchen, wenn sie so weiter macht.)

Parodie oder Wirklichkeit? Wenn man den Narren nicht zum Narren macht, wer wird dann zum Narren gehalten? Das Publikum, die Sänger oder beide? Die Inhaltsangabe im Programmheft und die Besetzungsliste verschweigen geflissentlich die ursprüngliche Aufgabe Rigolettos am Herzogshof. Mache sich jetzt jeder selbst seinen Reim darauf.

Leider barg die musikalische Umsetzung kaum Trostpflaster. Der Gebrauch der deutschen Sprache mag noch bei einer Opera buffa angehen, aber immer wird er das ursprüngliche Naheverhältnis von vokaler Sprachfärbung und Musik zerstören. Insofern ist ihr Gebrauch für das klassische italienische und französische Opernrepertoire längst zum Anachronismus verkommen – noch dazu, wenn der deutsche Text mitläuft. Diese Vorgangsweise begrenzt außerdem den verfügbaren Sängerpool – und rekrutiert weitestgehend nur Mittelmaß. Aber diese Argumente sind dem Herrn Volksoperndirektor sicher bekannt.

Jacek Strauch lieh dem Rigoletto eine laute, grob geführte Stimme, die den Zenit schon deutlich überschritten hat. Seine schauspielerischen Künste litten möglicherweise stark unter den Vorgaben Regie. Der junge koreanische Tenor Oliver Kook brachte den Herzog passabel über die Runden, aber seine uniforme Ausstrahlung und Gesangslinie hat der Rolle kaum Individualität eingehaucht. Die spielerische und verlockende Subversivität des Charakters blieb unentdeckt. Das Timbre ist hell und leicht nasal, es fehlen die Farben, die es interessant machen könnten und die Spitzentöne kamen ziemlich gepresst.

Jennifer O’Loughlin sorgte mit ihrer Gilda dafür, dass man sich als geplagter Premierenbesucher wieder aufrichten konnte. Sie gestaltete diese Figur emotional eindringlich, mit technisch gutem Gesang. Das war ein glaubwürdiges Menschenschicksal im Sinne Verdis – und diese Gilda stach aus dem übrigen Ambiente wie eine Rose aus einem Brachfeld.

Zoryana Kushpler war eine solide Maddalena in schwarzem, verführerischem Kleid, Marek Gasztecki hätte einen grimmigeren Sparafucile abgeben können. Peter Wimberger sorgte für einen kraftvollen und bühnenpräsenten Fluch. Manlio Benzi am Pult ließ nichts anbrennen und bevorzugte eine etwas rauhe Gangart, das Orchester überdeckte des öfteren die Sänger.

Das Regieteam wurde mit einigen Buhrufen belohnt. Bei den übrigen Mitwirkenden gab es nur zustimmenden Applaus.