RIGOLETTO
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Wiener Staatsoper
25.6.2006

Dirigent:Vjekoslav Sutej

Herzog - Rolando Villazón
Rigoletto -
Leo Nucci
Gilda - Diana Damrau
Sparafucile - Ain Anger
Maddalena - Nadja Krasteva
Giovanna - Zsuzsanna Szabo
Monterone - Janusz Monarcha
Marullo - Eijiro Kai
Borsa - Cosim Ifrim
Graf Ceprano - Clemens Unterreiner
Gräfin Ceprano - Asa Elmgren
Page - Laura Tatulescu

Doch ein Herzog für Rolando!
(Dominik Troger)

Ein begeistertes Publikum feierte bei Saunatemperaturen eine bestens disponierte „Rigoletto“-Aufführung. Rolando Villazón sang nach dem Debüt am Donnerstag seinen zweiten „Herzog“ im Haus am Ring.

Rolando Villazón hat die Fähigkeit in Rollen zu schlüpfen wie in eine zweite Haut. Plötzlich verwandeln sich der naive, gutgläubige Nemorino und der stolze, liebesversehrte Romeo in einen jugendlichen, von den Anstrengungen eines ausschweifenden Lebenswandels noch kaum gezeichneten Herzog. Er sieht blendend aus in dem Renaissancekostüm. Er versteckt seine Zudringlichkeit hinter der Galanterie eines Fürsten. Bei den meisten seiner Liebschaften wird er kaum auf Gegenwehr stoßen. (Nur deren Männer fühlen sich auf zynische Weise gehörnt.)

Die Unschuld Gildas ist für ihn eine verlockende Herausforderung – und die arme Gilda hat natürlich nie den Funken einer Chance. Die Liebesschwüre sind so heiß wie die Küsse, die Tarnung des Verführers entspricht perfekt den romanhaften Sehnsüchten seines Opfers: ein armer Student, der noch dazu gut aussieht, der vielleicht gerettet werden kann, durch die Hinterlist erster, unschuldiger Liebe. (Vielleicht glaubt er, der Herzog, in diesen Augenblicken selbst daran, wenn er mit seinem dunklen Timbre schmachtend, aber stets ohne Übertreibung, in einschmeichelnder Phrasierung seine Zuneigung beschwört.) Das Ambiente der Schenke färbt zwar ein wenig auf den Herzog ab, doch nichts ist dabei vulgär. Wenn er Maddalena berührt, spricht aus wenigen Gesten das ganze Vokabular eines verführerischen Flirts, der in keinem Moment zu einer peinlichen Tändelei ausartet. Wie könnte Maddalena hier widerstehen und über ihren Beruf ihre Leidenschaft für diesen Mann vergessen?

Villazón schien zudem in bester Verfassung, geizte nicht mit hohen Tönen, (und man konnte an ihm lernen, dass ein kurzer prägnanter Arienabschluss weit mehr Wirkung erzeugt, als ein überlang gehaltener Schlusston, der dann ziemlich rasch die Fasson verliert... -> siehe die Rigolettoaufführung vom 18.6.) Villazon singt keinen reißerischen Herzog, durch sein dunkles, etwas schwermütiges Timbre gewinnt die Rolle aber eine ganz eigene, perfide Art: hinter einer sich schwerblütig gebenden romantischen Liebessehnsucht lauert eine verspielte, triebhafte, kleinkatzenartige Raubtiernatur – und die Beute fällt ihr wie von selbst ins Maul.

Diese Doppelbödigkeit des Charakters, bei der Villazon sein Timbre beste Dienste leistet, nimmt einen vom ersten Bühnenaugenblick gefangen. Es scheint das besondere und eigentlich gewinnende an Villazons Bühnenkunst zu sein, dass er in keiner Sekunde in plakativ ausdeutendes Psychologisieren verfällt. Er lebt auf der Bühne die Person an sich, in ihrer ganzen subtilen Wandlungsfähigkeit.

Doch diese sentimentale Operngeschichte erzählt zu haben, das war nicht nur Villazóns Verdienst: Diana Damrau hat viel dazu beigetragen, Gildas Opfer nachvollziehbarer zu machen. So groß ist ihre Liebe, so unreflektiert, dass sie den Zorn auf ihren Geliebten gegen sich selbst richtet. Diana Damrau ist eine moderne Singschauspielerin, mitreißend und im Ausdruck stark von der Bühnensituation bestimmt – im Gegensatz zu Elena Mosuc, der Gilda in den ersten beiden Rigoletto-Vorstellungen dieser Serie. Mosuc könnte man als mehr „klassische“, im italienischen Koloraturfach beheimatete Sängerin einstufen. (Man braucht nur ihre Elvira als Maßstab zu nehmen, die sie letzte Saison mit viel Erfolg an der Staatsoper gesungen hat.) Ein kurzwelliges Vibrato, das bei Damrau immer wieder auftauchte, könnte als störend empfunden worden sein – je nach Gusto.

Leo Nucci bot wieder eine Glanzleistung als Rigoletto – er steht gerade an jenem Punkt, wo die lange Bühnenerfahrung noch die stimmlichen Mittel findet, um beispielgebend zu wirken. Bei ihm gibt es kein Mitleidheischen, tragödischer Ernst waltet vor, der einen als Zuseher mit Erschrecken über dieses Schicksal erfüllt. Er war das Zentrum, um den sich der Abend drehte – wie es auch der Werktitel verspricht. Sein Spiel war bestens auf den Effekt berechnet, ohne seine Missgestalt zu übertreiben. Seine Rachgefühle äußerte er mit elementarer Wucht.

Weil auch Sparafucile (Ain Anger) und Maddalena (Nadja Krasteva) ihr Bestes beitrugen, der Monterone, Janusz Monarcha, eindrucksvoll verfluchte, und das Orchester insgesamt deutlich ambitionierter wirkte als letzten Sonntag, war der große Jubel am Schluss – deutlich über 10 Minuten – nur zu verständlich.