RIGOLETTO
Aktuelle Spielpläne
Forum
Opernführer
Chronik
Home
Verdi-Portal

Staatsoper
4. Mai 2019

Dirigent: Giampaolo Bisanti





Herzog - Joseph Calleja
Rigoletto - Christopher Maltman
Gilda - Andrea Carroll
Sparafucile - Jongmin Park
Maddalena - Nadia Krasteva
Giovanna - Margaret Plummer
Monterone - Alexandru Moisiuc
Marullo - Igor Onishchenko
Borsa - Leonardo Navarro
Graf Ceprano - Marcus Pelz
Gräfin Ceprano - Lydia Rathkolb
Page - Ileana Tonca
Huissier - Konrad Huber


Überzeugender Rigoletto und tenorales Missgeschick

(Dominik Troger)

Die Wiener Staatsoper hat Giuseppe Verdis „Rigoletto“ in der untauglichen Inszenierung von Pierre Audi wieder in den Spielplan aufgenommen. Christopher Maltman sang den vom Schicksal gebeutelten Hofnarren, Andrea Carroll seine Tochter, und als Herzog trat Joseph Calleja an.

Christopher Maltman gab in dieser Aufführungsserie ein überzeugendes Hausdebüt als Rigoletto. Er erzählte die Geschichte „schnörkellos“, passend zu seinem etwas nüchtern timbrierten, festen Bariton, der an diesem Abend kaum einmal ins Focieren kam. Unter diesen Voraussetzungen zeigte sich Maltmans Rigoletto nicht als „sinnliches“ Geschöpf eines romantischen Melodrams aus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, sondern er ertrug sein unabänderliches Schicksal mit einer aus unbeugsamem Hass genährten heroisch ertragenen Verzweiflung, die mehr einer klassischen Tragödie gerecht wurde.

In die neurotisch-psychischen Grenzregionen, in denen sein älterer Landsmann Simon Keenlyside so gern mit sportlichem „Bühnenexhibitionismus“ seine Operncharaktere verankert, ist Maltman nur mit Einschränkungen vorgedrungen, auch wenn einige Parallelen zwischen beiden Sängern spürbar waren: Beide haben diesen Bühnencharakter mehr „intellektuell“ angelegt und ihm eine starke Sentimentalität versagt. Rigoletto ist bei ihnen vor allem ein Getriebener, seine körperliche Behinderung und die Äußerlichkeiten seines Hofnarrentums werden von den seelischen Qualen überdeckt, die er erleidet. Keenlyside hat den Hofnarren in der Premiere der genannten Produktion mit nacktem Oberkörper gespielt, das hat ihm Maltman nicht nachgemacht.

Als frauenlüsterner Herzog trat Joseph Calleja in den „Ring“. Calleja hat den Herzog schon vor 15 Jahren in Wien gesungen, ein Jahr nach seinem Hausdebüt. Callejas Tenor hat diese Zeitspanne recht gut „überstanden“, was keine Selbstverständlichkeit ist. Zuletzt hat er an der Staatsoper vor sechs Jahren den Gabriele Adorno gegeben – und vor kurzem einen Soloabend gestaltet. In den letzten zwei Jahren hat der Sänger den Cavaradossi seinem Repertoire hinzugefügt und eine Verdi-CD veröffentlicht, die vielleicht schon einen Ausblick auf zukünftige Partien ermöglicht: Radames zum Beispiel. Nach dem Eindruck dieses Abends hat der Sänger bis ins Verdi’sche Bühnenägypten aber noch ein paar Kilometer zurückzulegen.

Calleja gab einen selbstbewussten, im Spiel mehr konventionellen Herzog, ohne psychologische Fallstudien zu betreiben. Seine Statur, seine Stimme vermochten die Partie gut auszufüllen. Manch feinsinniges Diminuendo, manch Piano bezeugte Gestaltungswillen. Das unterschwellige, schnelle Vibrato seines Tenors, das ihm zugleich die besondere, nicht unumstrittene Individualität verleiht, setzte für den Herzog eine passende „Duftmarke“ aus Zigarrenrauch und Moschus – leicht nasal umspielt – Virilität und Unberechenbarkeit versprechend. Calleja hatte dieses „Zittern“ recht gut im Griff, erst im letzten Bild gewann es fatal die Oberhand, als ihm der finale Spitzenton beim „La donna e mobile“ beide Male (!) daneben ging. Dieses Missgeschick warf naturgemäß einen Schatten über Callejas Leistung.

Das Opfer seiner Verführungsambitionen wurde von Andrea Carroll gesungen, vor drei Jahren noch als Page besetzt. Sie gab eine hübsche, naive, schwärmerische Gilda, mit einem warmunterfütterten, wendigen, in den dramatischen Passagen stabilen Sopran ausgestattet, die vom Publikum schnell ins Herz geschlossen wurde. Carroll hat als Gilda Aida Garifullina vertreten, und ihre Chance genützt. Jongmin Park gab einen auf Verbrecherehre sehr bedachten, (zu) seriösen Sparafucile, während Nadia Krasteva wieder einmal ihre von deutlicher Erotik getriebene und mit dunklen Mezzotönen um das Leben des Herzogs kämpfende Maddalena dem Wiener Publikum präsentieren durfte.

Giampalolo Bisanti fand am Pult nach und nach zu einem differenziert gestalteten und sängerorientierten Spiel. Zwar köchelte die Spannung vor der ersten Pause noch etwas dahin, danach gewann der Abend zunehmend an Kontur. Das Publikum spendete rund fünf Minuten langen Applaus, und verhielt sich auch Calleja gegenüber fair, so weit ich das von meinem bühnennahen hinteren Logenplatz, auf den es mich verschlagen hatte, beurteilen konnte.

PS: Statistiken sind vor allem dazu da, um Fehler zu machen (oder um Fehler zu finden). Die laut Programmzettel 27. Aufführung in dieser Inszenierung ist in Wirklichkeit schon die 28. Aufführung gewesen, wie sich anhand des Onlinearchivs der Wiener Staatsoper nachweisen lässt. (Dieser Fehler auf den Programmzetteln hat sich anscheinend schon letzte Saison eingeschlichen.)