RIGOLETTO
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Staatsoper Dirigent: Evelino Pidò
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Herzog
- Juan Diego Flórez |
„Rigoletto” an der Wiener Staatsoper: In Mantua herrschte an diesem Abend viel Gesangeswonne, aber die Inszenierung von Pierre Audi ist leider immer noch dieselbe. Sie erlebte an diesem Abend bereits ihre 16. Aufführung. Die Unmoral hat Mantua derart heruntergewirtschaftet, dass der Herzog in einer Pfahlbauhütte aus Pressspanplatten haust. Müllsäcke zieren den Rand der Drehbühnenlandschaft. Aber leider besitzt diese Produktion nicht nur eine verwahrloste Szene, sondern sie ist auch dramaturgisch schlecht gearbeitet. Die übertriebene Darstellung der existentiellen Nöte Rigolettos, der gleich am Beginn halbnackt auf dem Souffleurkasten zu posieren hat, um drohend in das Publikum zu starren, presst die Figur in ein Schema, für dessen Schicksalserfüllung es eigentlich keinen Fluch mehr braucht. Wozu also die Geschichte dann überhaupt noch erzählen? Carlos Álvarez hat in der Vorstellung am 22. Jänner sein Hausdebüt als Rigoletto gegeben. Er hat sich auf die Inszenierung ganz eingelassen (sogar mit nacktem Oberkörper im ersten Bild wie Simon Keenlyside in der Premiere) und Rigoletto als jene dauergequälte Kreatur gespielt, die die Regie vorgibt. Alvarez revanchierte sich für die desaströse Optik der Szene mit seinem stimmschönen Gesang, den er mit seinem kernigen Bariton fast schon eine Spur zu eloquent vortrug. Das kreatürliche Leiden vermochte man zwar ebenso herauszuhören, wie im ersten Bild da und dort eine hingeworfene Bösartigkeit, aber an die „Archetypik” dieses Operncharakters hat Alvarez für meinen Geschmack erst in der Schlussverzweiflung gestreift. (Das hatte auch mit dem Dirigat zu tun, doch davon später.) Der Gesang von Juan Diego Flórez als Herzog (ebenfalls mit Rollendebüt am Haus in dieser Aufführungsserie) war so belcantesk und herrlich gewoben wie ein meterlanger, kostbarer Seidenschal. Der beidseitig hingebungsvoll exekutierte „Kadenzen-Pas-de-deux” im Duett mit Gilda war diesmal nicht gestrichen worden, und Flórez hat den Stretta-Teil seiner Arie am Beginn des zweiten Aktes in voller Länge zelebriert. Herrlich austariert in der verfeinerten, genussvollen Darbringung gelangen die „beweglichen Frauenherzen” mit einem lange gehaltenen, sicheren Spitzenton als abschließendem „Konfekt“. Dabei marschierte Florez allerdings an die Rampe und das hatte einen guten Grund: denn so bewunderswert perfekt und elastisch wie Florez’ Gesang auch sein mochte, das durchschlagskräftige „Squillo“ eines „klassischen” Verditenors ließ er dann doch nicht hören. Und da konnte es schon sein, dass sein Schlusston neben dem Sopran einfach unterging. Doch auch im Spiel suchte das Publikum einen erotomanischen Herzog vergebens. Nicht dass es an Feuer gefehlt hätte, aber es loderte nur sehr kontrolliert, es fehlte jener begierdengetriebene Vulkanismus, der in der angeblichen Beweglichkeit der Frauenherzen die Ausrede für die eigene Manie sucht. Dritte im Bunde der durch den Herzog durcheinandergewirbelten Familienaufstellung war Olga Peretyatko. Sie hat die Gilda bereits 2013 in Wien gesungen und agierte diesmal viel selbstsicherer als bei ihrem Hausdebüt. Ihre im Betragen mehr „rosinahafte“ Gilda war im Aussehen sehr attraktiv und in ihrem Spiel und in ihrem Gesang verströmte ihr lyrischer Sopran die Aura einer jungen, liebenden Frau und weniger die eines schüchternen, eben zur Liebe wachgeküssten Mädchens. Ihre Stimme deckte die Partie bis auf ein paar Kleinigkeiten (z.B. Spitzenton im Finale 2. Akt oder einige Triller im „Caro nome“) sehr gut ab, ihr Timbre gab sich im Verein mit den südländisch weicher gestimmten Stimmen von Alvarez und Flórez allerdings eine Spur kühler. Ain Anger war ein entschlossener, etwas grüblerisch-geheimnisvoll wirkender Sparafucile, Nadja Krasteva die sehr um verführerische Würze bemühte Maddalena. (Welcher Herzog würde sich von ihren nackten Beinen nicht becircen lassen?) Krasteva ist mit ihrem sattem Mezzo in dieser Partie schon seit Jahren sehr gut aufgehoben und eine verlässliche Größe. Der stimmkräftige Sorin Coliban musste sich wieder auf offener Bühne mit einer Hellebarde meucheln lassen. So sieht das diese Inszenierung eben vor. In Anbetracht der bereits gewürdigten Gesangesleistungen klang das Orchester an diesem Abend mehr nach „Alltagsrepertoire“. Evelino Pidò gab phasenweise ein mir schon zu flottes Tempo vor, das nahm vor allem Rigoletto die Chance, sich mehr in seine Rolle emotional zu vertiefen und ebnete die Stimmungsumschwünge zu stark ein. Das erste Bild hingegen wirkte auf mich insgesamt etwas lustlos exekutiert und noch nicht im Banne vollster Aufmerksamkeit abgewickelt. Der Schlussapplaus für die vor allem gesanglich gelungene Vorstellung tönte elf Minute lang. |
Anmerkungen zur vierten und letzten Aufführung der Serie am 31.1.: Diesmal
Stehplatz Galerie Halbseite. Carlos Alvarez im Spiel weniger überzeichnend als Keenlyside in der Premiere, mglw. hat er sich selbst im Vergleich zum 25. leicht zurückgenommen. Die Stimme ist keine "Röhre", schön timbriert, trägt gut, klingt dabei meist locker und findet guten Kompromiss zwischen Ausgestaltung und Emotion. Die Inszenierung macht es Rigoletto zudem schwer: diese Palaststiege auf und ab, oder auf einer Leiter stehend (die offenbar nicht weiter befestigt ist?) den Schmerz über Gildas Entführung singen müssen. Olga
Peretyatko war an diesem Abend weniger gut in Form: vor allem
das "Caro nome" machte ihr Mühe, Intonationsprobleme,
die Triller merkwürdig langsam und wie zu tief in den Hals gerutscht.
Vielleicht ist die Stimme hier schon eine Spur zu schwer. Finaler Spitzenton
im "Si vendetta" wieder zu früh - also offenbar
Absicht, diesmal etwas länger gehalten als am 25. wie mir scheint.
Einige schöne Piani seien auch noch vermerkt. Ain Anger ein eigentlich doch recht blasser Sparafucile.Sorin Coliban wirkungsmächtiger als in der zweiten Vorstellung. Orchester unter Evelino Pidò in der Flottheit etwas gezügelter, aber insgesamt sehr rational gedacht, kaum ausmalend: zum Beispiel erste Begegnung Rigoletto Sparafucile - die ganze Düsternis dieser nächtlichen Szene wurde kaum vermittelt, auch die Streicher hier ohne tiefgründigere Farbbeimischung. Viel Schlussapplaus wieder 11-12 Minuten lang. Auch der Stehplatz so dicht gedrängt wie schon lange nicht mehr. |