RIGOLETTO
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Staatsoper
4. September 2015

Dirigent: Evelino Pidò





Herzog - Celso Albelo
Rigoletto - Ambrogio Maestri
Gilda - Aleksandra Kurzak
Sparafucile - Michele Pertusi
Maddalena - Elena Maximova
Giovanna - Margaret Plummer
Monterone - Alexandru Moisiuc
Marullo - Manuel Walser
Borsa - Carlos Osuna
Graf Ceprano - Clemens Unterreiner
Gräfin Ceprano - Lydia Rathkolb
Page - Andrea Carroll


Willkommen im Opernalltag

(Dominik Troger)

Die Sommerpause ist vorbei. Die Wiener Staatsoper startete mit „Rigoletto“ in die neue Saison. Die vom Kinderopernzelt befreite Terrasse war leider abgesperrt.

Darauf haben sich altgediente Opernbesucher vor allem gefreut: Nach rund eineinhalb Jahrzehnten (!) endlich wieder über die große, ringstraßenseitig gelegene Terrasse flanieren zu können. Das Wetter machte zwar nicht mehr so auf „lauschige Abenddämmerung“, aber zu regnen begann es erst nach dem Ende der Aufführung. Doch die Terrassentüren waren versperrt, auch der Zugang auf die Seitenterrassen war nicht möglich. Ein Blick durch das Türenglas hinaus auf den begehrten Pausenplatz verdeutlichte, dass der Rückbau nicht rechtzeitig fertig geworden ist. Einige fehlende Bodenplatten, Absperrungen, Stromkabel bezeugten den Baustellencharakter. Schade.

Mit einem „Rigoletto“ in die Saison zu starten, ist eigentlich eine „sichere Bank“. Aber dieses „Brettldorf“ auf der Staatsopernbühne, flankiert von schwarzen Müllsäcken, war wenig dazu geeignet, die festliche Stimmung im stark von Touristen bevölkerten Auditorium zu heben. Gespielt wurde laut Programmzettel die 11. Aufführung dieser Inszenierung von Pierre Audi (Premiere Dezember 2014). Es gab an diesem Abend insgesamt acht Wiener Rollendebüts, darunter Rigoletto, Gilda, Herzog, Sparafucile.

Dass es sich um eine Produktion aus der letzten Saison handelt, war dem Abend kaum anzumerken. Sogar der Chor im ersten Bild erzeugte keinen Schwung. Die Sänger fanden im Spiel nicht recht zusammen, und Rigoletto, unübersehbar von Ambrogio Maestris „Falstaffkörper“ gespielt, bewegte sich träge zwischen den Höflingen. Ein stärkerer Gegensatz zur expressiven Körperlichkeit eines Simon Keenlyside, der die Premiere gesungen hat, war kaum denkbar. Keenlysides raubtierhaft gespannte Athletik, die sein nackter Oberkörper noch unterstrich, rettete den Premierenabend bis zum fatalen Bühnenabgang des Sängers im zweiten Akt. Aber ohne diesen visuellen Anker für Rigolettos Emotionen verkommt diese Produktion offenbar zu einem Rampensingen, das den Begriff einer Neuinszenierung ad absurdum führt – zumal jeder Regisseur davon ausgehen muss, dass nicht jeder Sänger über sportliche Idealmaße verfügt und beispielsweise dafür geeignet ist, auf einer Stiege eine Stunteinlage zu liefern (wie Keenlyside auf der Palaststiege in der Premiere).

Maestri bemühte sich gesanglich um Differenzierung, aber die leisen, zärtlichen Töne, etwa in den Zwiegesprächen mit Gilda, bereiteten im Mühe, im Finale sogar mit einem kurzen Anflug von Heiserkeit – ehe er noch mit viel Krafteinsatz den seelischen Zusammenbruch Rigolettos unterstrich. Dass sein Organ sehr laut tönen kann, bewies er nicht nur hier. Insgesamt mangelte es an einer weicheren, noblen und farbenreichen Abschattierung seines Gesanges, um das psychologisch komplexe Doppelleben der Figur entsprechend auszumalen. Maestri ist ein heroischer Amonasro, ein witziger Falstaff oder Dulcamara, aber sein Hofnarr zu Mantua entbehrt für meinen Geschmack in Stimme und Spiel jener Aura des Mitgefühls, die die Tragik dieser Bühnenfigur erst begreifbar macht. Das Ergebnis war eine geschäftsmäßige Routine, die bei mir kaum Begeisterung hervorrief.

Celso Albelo, für Joseph Calleja eingesprungen (der schon Ende letzter Saison seine Mitwirkung abgesagt hatte) sang einen in der verdischen Melodie durchaus verwurzelten Herzog, der in der Eleganz und Erotik des Timbres und der Ausführung aber einige Wünsche offen ließ. Die Spitzentöne wurden jedenfalls zu nachdrücklich serviert, der Schluss der „beweglichen Frauenherzen“ war für meinen Geschmack an der Grenze zur Outrage.

Die Gilda der Aleksandra Kurzak profitierte von der gesanglichen Virtuosität der Sängerin und einigen schönen, lang gehaltenen Piani, die etwa dem Schlussteil des „Caro nome“ ein verträumtes, arabeskes Flair verliehen – das vom leicht kühlen Timbre ihres Soprans und von teils nicht mehr so „lupenreinen“ Spitzentönen aber wieder etwas entzaubert wurde. Das Finale gelang selbstbewusst in der Aufopferung und mit einem Schuss Heroik. Kurzak, von burschikosem Aussehen, war von darstellerischer Präsenz, und ihr Rollenporträt für mich der gelungenste Teil dieses Abends.

Elena Maximova (Maddalena) hat mich schon bei der Premiere nicht mit südländischem Temperament zu begeistern vermocht – und Michele Pertusi gab den Sparafucile als schönsingenden, harmlosen „Notar“: Möge der Sänger in den Reprisen den Meuchelmörder in sich entdecken.

Bei den Nebenrollen gab es wie üblich Licht und Schatten, ein darstellerisch überraschend zurückhaltender Clemens Unterreiner (Ceprano) war zum Beispiel gegenüber der Premierenbesetzung ein „Upgrading“, der Monterone von Alexandru Moisiuc eher ein „Downgrading“. Evelino Pidò am Pult zeigte sich engagiert, hauchte dem Werk mehr Leben ein, als Myung-Whun Chung in der Premierenserie, allerdings bei deutlich weniger instrumentalem Raffinement.

Sechs Minuten Schlussapplaus und ein in Summe unübertriebenes Bravoverhalten waren der im Gesamteindruck durchschnittlichen Aufführung angemessen.