RIGOLETTO
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Staatsoper
20. Dezember 2014
Premiere

Dirigent: Myung-Whun Chung

Regie: Pierre Audi
Ausstattung: Christof Hetzer
Licht: Bernd Purkrabek
Choreographie: Christian Herden



Herzog - Piotr Beczala
Rigoletto - Simon Keenlyside
Gilda - Erin Morley
Sparafucile - Ryan Speedo Green
Maddalena - Elena Maximova
Giovanna - Donna Ellen
Monterone - Sorin Coliban
Marullo - Mihail Dogotari
Borsa - James Kryshak
Graf Ceprano - Marcus Pelz
Gräfin Ceprano - Lydia Rathkolb
Page - Hila Fahima


Enttäuschende Premiere

(Dominik Troger)

Die Wiener Staatsoper hat einen neuen „Rigoletto“ – und diese Neuproduktion hat ihr kein Glück gebracht. Querelen im Vorfeld, ein erkrankter Sänger, ein langweiliges Dirigat und das wahrscheinlich schäbigste Bühnenbild, das die Staatsoper jetzt ihr Eigen nennen darf, summierten sich zu einem enttäuschenden Premierenabend.

Da war schon im Vorfeld auf höchster Führungsebene des Hauses ein Streit um die Premierenbesetzung der Gilda entbrannt, da verabschiedete sich der Generalmusikdirektor Anfang der Saison von all seinen Pflichten – wie eben dieser „Rigoletto“-Premiere – und es musste schnell Ersatz gefunden werden, da machte eine Verkühlungswelle den Sängerinnen und Sängern die Proben schwer. Zudem löste bei Teilen des Stammpublikums schon im Vorfeld der Gedanke an eine Neuproduktion des „Rigoletto“ Magenkrämpfe aus. Die „alte“ Inszenierung war zwar schon 30 Jahre alt, aber immer noch sehr respektabel, ein stimmiges Bühnenbild in historisch passendem Renaissancestil, in dem Sängerinnen und Sänger auch mit mäßigen stimmlichen und schauspielerischen Mitteln recht gute Erfolge feiern konnten und die Handlung klar und nachvollziehbar erzählt wurde.

Die Neuproduktion ist vor allem auf die schauspielerischen Fähigkeiten des „Rigoletto“ (in diesem Fall Simon Keenlyside) abgestimmt – und sonst bleibt da nicht mehr viel übrig. Keenlyside ist bekannt für seine intellektuelle Rollengestaltung, bei ihm wird alles immer sehr „interessant“, aber sein etwas heller, in der Tiefe wenig „unterfütterter“, Liedgesang erprobter Bariton ist gerade für den Rigoletto zu „leichtgewichtig“. Davon konnte sich das Staatsopernpublikum schon in der Vergangenheit überzeugen. An diesem Abend sang und spielte sich Keenlyside schweißgebadet die Seele aus dem Leib, war aber offenbar schon krank in die Vorstellung gegangen. Nach dem „Cortigiani ...“ machte sich zuerst durch Husten eine schwere Indisposition bemerkbar, der Sänger verschwand dann sogar von der Bühne. Für den dritten Akt sprang als Zweitbesetzung ein solider Paolo Rumetz ein, der bereits die Generalprobe gesungen hatte. Rumetz zeigte sich als fast konträrer Sängertyp: überraschend hausbacken in der Darstellung (man sollte meinen, er habe die Proben mitgemacht und das Regiekonzept „inhaliert“), mehr rundlich gebaut im Gegensatz zum schlank-sportiven Keenlyside, und stimmlich sonorer und insofern rollendeckender.

Viel zu leidenschaftslos geriet das Dirigat Myung-Whun Chungs, das wenig Spannung erzeugte, den rhythmischen Schwung dieser Musik kaum auf Touren brachte. Das Staatsopernorchester spielte mit dazu passender, etwas kühler Brillanz und kammermusikalischer Neigung. Wirklich einprägsam gelang eigentlich nur das Finale, am schwächsten das erste Bild, weil musikalisch und szenisch die große Linie fehlte – und alles auf das exaltierten Gehabe von Rigoletto zugeschnitten war, der in dieser Produktion schon beim Vorspiel verkrümmt auf der Bühne zu stehen hat.

Mit Piotr Beczala scheint Regisseur Pierre Audi wenig gearbeitet zu haben, so undurchtrieben (und ausstaffiert wie ein Räuberhauptmann) bewegte sich dieser als Herzog über die Bühne. Beczala hatte zudem gesanglich nicht seinen allerbesten Tag, wurde vielleicht durch die Tempi des Dirigenten auch daran gehindert, mehr Feuer und Lockerheit in seine Arien zu legen. Sein Tenor klang in der Höhe etwas eng, färbte sich leicht fahl und verlor damit an Eleganz, was dem Gesamteindruck, der stark von diesem vermüllten Bühnenambiente bestimmt wurde, wenig zuträglich war.

Die Gilda von Erin Morley ließ einen hübschen, etwas hell timbrierten, nicht sehr großen, aber gut geführten Sopran hören, bei den Spitzentönen schon etwas gepresst. Sie zeigte eine einnehmende Bühnenerscheinung. Die Regie hat dieser Gilda eine gewisse Widerspenstigkeit gegenüber Rigoletto mitgegeben und sie spielte die Rolle recht selbstbewusst. Gilda war schon am Beginn des zweiten Aktes zu sehen, später stand sie oben auf der Treppe, die zu diesem „Pfahlbau“ hinauf führt, die Spannung, die ihr Auftritt erzeugen sollte, in dem sie in die Arme des Vaters stürzt, ging dadurch verloren. Nervenstärke hat die Sängerin jedenfalls bewiesen, als ihr im Duett im zweiten Akt plötzlich Rigoletto abhanden kam, weil er die Bühne verließ. Hätte die Vorstellung in diesem Moment unterbrochen werden sollen? Keenlyside kam nach langen Schrecksekunden schließlich doch noch auf die Bühne zurück und quälte sich in vollster Selbstentäußerung bis zum Aktschluss. So muss für Sänger die Hölle beschaffen sein.

Ryan Speedo Green sang einen unauffälligen Sparafucile, der besser gekleidet war, als der Herzog. Laut Regisseur Piere Audi ist der Auftragsmörder ein kultivierter Mann und kein Gangster oder Zuhälter. (Womit man als langjähriger Opernbesucher wieder etwas dazugelernt hätte.) Elena Maximova sang eine etwas kühle Maddalena, auch wenn sie einmal verführerisch das Bein ausstreckte, um vom Herzog getätschelt zu werden. Die Personenführung des letzen Aktes war insgesamt wenig überzeugend und zu allem Überfluss wurde Gilda von Rigoletto noch aus ihrem Müllsack gepackt und sie wankte bis zu einer Bühnenwand – um stehend ihren tragischen Tod erleiden zu müssen.

Das Bühnenbild zeigte eine verdreckte Örtlichkeit wie nach einer schweren Überschwemmung: Eine Gruppe von Überlebenden hat offenbar ein Kostümdepot geplündert und stapft durch schwarzen Schlick. Der Herzog lebt in einem notdürftig errichteten Pfahlbau aus Spanplatten, Sparafucile in einem fast schon futuristisch anmutenden Wellblechpilz – und Rigoletto hat immerhin seine Halskrause gerettet. In der auf eine Drehbühne gestellten Kulisse lagen schwarze Müllsäcke herum und ein paar kümmerliche Bäumchen strecken ihre schwarzen Äste in den Himmel. Gilda schwebte im zweiten Bild in einem holzkäfigartigen Zimmer vom Schnürboden herab, von einer großen schwarzen „Comic“-Wolke getragen. Monterone wurde mit einer Hellebarde aufgespießt, von ihm blieb ein großer Blutfleck an der Wand zurück.

Offensichtlichster Interpretationsansatz des Regisseurs war es, Rigoletto als gequälten, sehr „kreatürlichen“ Menschen auf die Bühne zu stellen, der sich mit nacktem Oberkörper unter die seltsame Festgesellschaft im ersten Bild mischt und der sich später auf der schon erwähnten breiten Treppe waidwund windet. Doch trotz der teils überraschend „altmodisch“ und aufwendig gearbeiteten Kostüme des Hofstaates wurde den ganzen Abend über nie klar, in welchem sozialen Rahmen Rigoletto sein Hofnarrentum ausübt beziehungsweise was es mit diesem angeblichen Hofnarren überhaupt auf sich hat.

In der alten Produktion waren die Rollen nachvollziehbar verteilt. Es wurde deutlich, dass Rigoletto als Hofnarr auch über Macht verfügt, dass ihn die Höflinge wegen seiner Späße durchaus fürchten mussten. Rigoletto darf sich deshalb „Schützling“ des Herzogs nennen – und auch wenn er seine eigene Situation überschätzt, so liegt der Clou Verdis und seines Librettisten gerade darin, dass er Rigoletto im ersten Bild durchaus nicht als „Kretin“ zeigt. Die ganze, auch sadistisch gefärbte Doppelbödigkeit des Charakters in seinem Doppelleben als zynischer Hofnarr und als liebender Vater baut darauf auf, und sie bildet die Basis, auf der Monterones Fluch seine Wirkung entfaltet. Wer Rigoletto schon im ersten Bild als gequälte Kreatur und als Opfer auf die Bühne stellt, hat ein Problem mit der Dramaturgie des Stücks.

Als der Direktor nach der zweiten Pause vor den Vorhang trat, um die notwendig gewordene Umbesetzung der Titelrolle anzukündigen, gab es einige Buhrufe. Der Direktor zog das Publikum aber rasch auf seine Seite, in dem er die ganze Sache mit Keenlyside als Unglücksfall darstellte. Laut den Worten des Direktors wurde der Sänger aber bereits in der Generalprobe geschont – weshalb sich die Direktion die Frage gefallen lassen muss, warum Keenlyside überhaupt angetreten ist und warum er nicht angesagt wurde. Dem Sänger wären dann rüpelhafte Missfallensäußerungen seitens Publikums erspart geblieben – und niemand hätte darüber gerätselt, warum der Sänger im ersten Akt stimmlich vorsichtig agierte und angestrengt klang. Hat hier die Direktion, hat hier der Sänger, haben hier beide zu hoch gepokert? Rumetz soll sich übrigens vom Beginn der Vorstellung an im Haus befunden haben, zumindest wurde das auf der Galerie erzählt. Ob es stimmt, weiß ich nicht. Aber alles andere wäre in Anbetracht der Umstände auch fahrlässig gewesen.

Der Zwischenapplaus während der Vorstellung hielt sich in engen Grenzen. Am Schluss gab es den obligaten Jubel, ein paar Missfallensäußerungen trafen den Dirigenten und schon deutlich stärker den Regisseur. Festtagsstimmung kam keine auf, dafür reagierten große Teile des Stammpublikums viel zu verhalten.

Fazit: Schade um jeden einzelnen Cent, den diese Neuproduktion gekostet hat.