RIGOLETTO
Aktuelle Spielpläne
Forum
Opernführer
Chronik
Home
Verdi-Portal

Staatsoper
4. April 2014

Dirigent: Jesús López Cobos


Herzog - Piero Pretti
Rigoletto - Leo Nucci
Gilda - Valentina Nafornita
Sparafucile - Dan Paul Dumitrescu
Maddalena - Nadia Krasteva
Giovanna - Juliette Mars
Monterone - Alexandru Moisiuc
Marullo - Manuel Walser
Borsa - James Kryshak
Graf Ceprano - Mihail Dogotari
Gräfin Ceprano - Lydia Rathkolb
Huissier - Ion Tibrea
Page - Hila Fahima


Einfach authentisch

(Dominik Troger)

Mit dieser „Rigoletto“-Aufführung wurde an der Wiener Staatsoper ein ganz besonderes Jubiläum begangen: Leo Nucci verkörperte den buckligen Hofnarren zum 500. Mal in seiner Karriere – davon über 30 Mal auf der Staatsopernbühne.

Direktor Meyer trat am Beginn der Vorstellung vor den Vorhang und erläuterte kurz Nuccis „Rigoletto“- und Wien-Statistik. So erfuhr das Publikum auch, dass Nucci an diesem Abend zu seinem 222. Staatsopernauftritt antrat. Der Sänger hat 1979 als Figaro in Rossinis „Barbier“ am Haus debütiert. Seinen ersten Wiener Rigoletto sang er im Jänner 1980: Mit Ileana Cotrubas als Gilda und Alfredo Kraus als Herzog (laut Online-Archiv der Staatsoper). Meyer bat außerdem um Nachsicht, weil die Gilda des Abends, Valentina Nafornita, gesundheitlich angeschlagen sei, sich aber trotzdem bereit erklärt habe, diese Vorstellung zu singen.

Leo Nucci ist als Rigoletto nach wie vor von elementarer Wirkung. Er erzählt die Geschichte ohne intellektuelle oder neurotische Brechung, wobei er der Figur aber einen gewissen Heroismus zugesteht. Mit leicht trippelnd-tänzelnden Schritten durcheilte er wie ein monströser Fremdkörper die Reihen der elegant-galanten Höflinge, sein Narrenstöckchen, das ihm die historisierende Renaissance-Ausstattung dieser Produktion zugesteht, drehend und wendend, werfend und fangend, als Teil eines perfekt „choreographierten“ Rollenbildes. Dieser Rigoletto liegt immer auf der Lauer, er zieht geschickt seine Fäden, die Hofgesellschaft ist sein Biotop, in dem er handwerksgemäß und roh seine Fallstricke auslegt, um dem Herzog eine pikante Unterhaltung zu verschaffen.

Aber dann passiert diese Sache mit Monterone. Die Reaktion auf Monterones Fluch spielte Nucci gar nicht hintergründig, sondern fast naiv – ein kindliches Unverständnis zeichnete sich auf Rigolettos Zügen ab – ehe sich Monterones Worte tief in seine Seele gruben, um darin weiterzuwühlen. Von diesem Moment an wurde Rigoletto zu tragischen Figur – und das Publikum fühlte sich bald zur mitfühlenden Anteilnahme an Rigolettos Schicksal hingezogen.

In Nuccis Gestaltung blieb Rigoletto den ganzen Abend über dieser einfache, vom Schicksal geprüfte Mensch, der gelernt hat, sich mit instinkthafter Schlauheit seinen Platz am Hof zu erkämpfen – und der in seiner Tochter gleichsam sein besseres Ich und seine persönliche Würde vor der Welt beschützen möchte. Im Fortgang der Handlung brach der ganze Zorn der gequälten Kreatur aus ihm heraus und die unter die Haut gehende Wirkung, die Nucci dabei entfachte, verfehlte auch an diesem Abend ihre Wirkung nicht.

Stimmlich setzte Nucci seine Ressourcen geschickt ein. Natürlich hat sich das Timbre seines Baritons schon etwas abgeschliffen, aber die Stimme klang kräftig und für die lange Karrieredauer überraschend kompakt, auch im Piano flexibel, sowie fähig zu energiegeladenen Spitzentönen wie etwa das Finale des zweiten Aktes eindrucksvoll bewies. Der Sänger durfte sich nach dem „Cortigiani“ über langen Szenenapplaus erfreuen.

Als Herzog ist in dieser Aufführungsserie der junge italienische Tenor-Shooting-Star Piero Pretti für Francesco Meli eingesprungen und kam so zu seinem Staatsopern-Debüt. Pretti hinterließ einen sehr guten Eindruck – ein noch mehr lyrischer Tenor mit einem leicht körnigen Timbre, das der Stimme Fülle und eine leichte Rauheit verleiht, ohne ihren Tenorcharakter aber deutlich baritonal einzufärben. Der Sänger überzeugte zudem mit Stilsicherheit und selbstbewusst und lang gehaltenen Spitzentönen.

Darstellerisch tat Pretti mehr das Notwendigste, als dass er Akzente gesetzt hätte. Immerhin ließ er sich von Nadia Krasteva dazu verleiten, Maddalenas Oberschenkel zu „befühlen". Aber eine erotisch aufgeladenere Maddalena als die von Nadia Krasteva wird sich schwer finden lassen: Allein ihr Dekollete müsste dem Herzog schon alle Sinne rauben, toll, wenn er dann immer noch alle Noten beisammen hat. Und Krastevas Mezzo lieferte stimmlich die passende erotische Abrundung zu dieser einem recht eindeutigen Beruf nachgehenden Maddalena. Dan Paul Dumitrescu gesellte eine gemütlichen Sparafucile hinzu, der allerdings nicht unterschätzt werden sollte: ein Meuchelmörder, der mit Gemütsruhe seine Job versieht, so wie andere ins Büro gehen.

Valentina Nafornita hatte als Gilda dort ihre Stärken, wo ihre leicht dunkel timbrierte und leuchtende Mittellage mit lyrischer Verhaltenheit die Liebessehnsucht dieser jungen Frau kolorierte. Die Sängerin schien allerdings vor allem im ersten Akt recht vorsichtig zu agieren – und das „Caro nome“ verströmte nicht unbedingt die erhoffte Klarheit und Leichtigkeit, mit der sich Gildas Sehnsucht in zart erstrahlendem Virtuosentum den Holzbläsern hinzugesellt. In der Höhe verlor die Stimme an Reiz, klang härter und teils forciert. Nafornita ist übrigens als Gilda für die „Rigoletto“-Premiere in der nächsten Spielzeit angesetzt – einer Premiere, über deren Sinnhaftigkeit zwischen Direktion und großen Teilen des Stammpublikums ganz erhebliche Meinungsunterschiede bestehen dürften.

Alexandru Moisiuc steuerte einen etwas „rustikalen“ Graf Monterone bei. Chor und Solisten sorgten insgesamt für einen ansprechenden Abend, das Orchester unter Jesus López-Cobos spielte animiert und eilte oft recht flott dahin. Nach der Vorstellung wurde Nucci auf offener Bühne kurz geehrt, dem Sänger wurde Rigolettos Narrenkostüm überreicht. Das Publikum applaudierte heftig, garniert mit vielen Bravorufen.