RIGOLETTO
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Staatsoper
8. April 2013

Dirigent: Jesús López Cobos


Herzog - Matthew Polenzani
Rigoletto -
Simon Keenlyside
Gilda - Olga Peretyatko
Sparafucile - Kurt Rydl
Maddalena - Elena Maximova
Giovanna - Donna Ellen
Monterone - Sorin Coliban
Marullo - Tae Joong Yang
Borsa - Pavel Kolgatin
Graf Ceprano - Hans Peter Kammerer
Gräfin Ceprano - Lydia Rathkolb
Huissier - Ion Tibrea
Page - Bryony Dwyer


Ein kluger Narr

(Dominik Troger)

Vom Wozzeck zum Rigoletto: Simon Keenlyside macht an der Staatsoper eine „Außenseiter“-Tour quer durch die Jahrhunderte. Wie sein Wozzeck war auch der Rigoletto ein Wiener Rollendebüt des Sängers.

Doch zuvor noch ein kurzer Blick auf die Statistik: Es war die 100. Aufführung dieser „Rigoletto“-Produktion, die im März ihr 30-jähriges Bühnenjubiläum gefeiert hat. Das opulente Renaissance-Bühnenbild (Bühne: Pantelis Dessyllas) bot einen passenden Hintergrund für Keenlysides Rigoletto-Künste, die bewiesen, dass man nicht nur in schäbigem Ambiente (wie heute meist üblich) Charaktere interessant und modern gestalten kann.

Simon Keenlyside spielt einen Hofnarren, der sich sogar dazu herablässt, seinem Herrn die Stiefel zu lecken (1. Bild), ohne dabei aber „devot“ zu wirken. Er transformiert die „Narrheit“ viel mehr zu einer Form des geistigen Widerstandes, der die Hofgesellschaft als System ironisiert und aufs Korn nimmt. Umso mehr muss es ihn treffen, wenn Gilda, sein Heiligtum, von dieser Gesellschaft usurpiert wird.

Keenlyside im Narrenkostüm machte im ersten Bild noch mehr Mätzchen, hüpfte beispielsweise beidbeinig über die zwei oder drei Stufen, die vom Saal nach vorne zur Bühne führen. Der Buckel war ihm keine Behinderung, obwohl er sich dann und wann ein wenig krümmte, sondern er wirkte körperlich agil: wie ein Rad, das ein wenig „eiernd“ läuft.

Keenlyside hat den Charakter des Hofnarren auseinandergenommen und wieder zusammengesetzt. Er vermittelte Details, die oft hinter einer etwas „robusteren“ Darstellung verschwinden: etwa Rigolettos Erregung im Finale, wenn er es kaum erwarten kann, den Sack mit dem toten Herzog von Sparfucile in Empfang zu nehmen. Eine fiebrige Erregung schlägt hier in Triumph um und kurz darauf in eiskaltes Grauen, wenn der vermeintlich Tote plötzlich aus der Ferne sein „Frauenherzen-Liedchen“ trällert.

Stimmlich war Keenlyside nicht ganz so präsent: er schien wieder dazu gezwungen, seinen Bariton etwas breiter zu machen, zu forcieren, ihm ein „natürliches Gewicht“ zu verleihen, damit Rigolettos Seelendrama in etwas sattere Farben taucht. So hat sich bei diesen großen Verdi-Partien, die Keenlyside im Lauf der letzten Jahre an der Staatsoper gesungen hat, für mich eine Gemeinsamkeit herauskristallisiert: Seine Stimme ist für Macbeth, Rodrigo, Rigoletto eigentlich eine Spur zu schlank und zu hell timbriert. Und was der Stimme an „natürlicher Sinnlichkeit“ abgeht, wird vom Sänger durch „Kalkül“ ersetzt. Dadurch entsteht eine Diskrepanz zur Musik, die oft mit dem Ausdruck „intellektuell“ umschrieben wird.

Olga Peretyatko gab an diesem Abend ihr Hausdebüt: Ihre Gilda weckte als „Gesamtpaket“ von Gesang und Aussehen viele Sympathien beim Publikum: Sie ließ eine lyrische Stimme hören, noch etwas schlank, aber voller Freude am Ziergesang. Das „Caro nome“ sang sie hübsch, mit gebotener Verträumtheit, vielleicht dem Anlass ihres Hausdebüts wegen eine Spur zu zurückhaltend und auf Sicherheit bedacht. Im zweiten Akt fand sie auch zu leidenschaftlicheren Tönen – der Teil ab dem „Mio padre“ gelang insgesamt sehr stimmig, Peretyatko und Keenlyside schienen gut zu harmonieren.

Matthew Polenzani stellte sich zum ersten Mal dem Wiener Publikum als Herzog vor. Er sang die Partie differenziert und mit Geschmack, setzte aber keine eigentlichen Höhepunkte. Die Spitzentöne schienen ihm etwas Mühe zu bereiten, auf das „hohe D“ als Abschluss der Cabaletta ließ er sich erst gar nicht ein.

Kurt Rydls Sparafucile war von einer furchteinflößenden Abgebrühtheit: Dieser Mann betreibt sein zwielichtiges Business seit so vielen Jahren, das man die Leichen kaum mehr wird zählen können, die den Fluss von seiner Spelunke weg den Mincio hinuntergetrieben sind. Die Maddalena der Elena Maximova zeigte ein bisschen viel Bein, stimmlich blieb das Ergebnis ein wenig flüchtig. Sorin Coliban sang einen stimmkräftigen Monterone.

Das Orchester unter Jesús López Cobos sorgte für eine routinierte, manchmal etwas „knallige“ Begleitung. Das Publikum spendete rund sieben Minuten langen Schlussapplaus und war von der Aufführung recht angetan.