OTELLO
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Otello
- Aleksandrs Antonenko |
Die Wiener Staatsoper hat einen neuen „Otello“. Die ungeliebte Inszenierung von Christine Mielitz wurde zu Fronleichnam ab 16:00 Uhr zu Grabe getragen, die Deutung von Adrian Noble und die neue Ausstattung von David Bird ließ einen darob aber kaum frohlocken: Zypern ist jetzt eine britische Kolonie. Der neue Otello spielt am Beginn des 20. Jahrhunderts, durch die zylinderbehüteten Choristenreihen und die Kinder im Matrosenanzug weht ein Hauch von „Oliver Twist“. Regisseur Adrian Noble hat die Handlung wenig überzeugend im Kolonialreich des britischen Empire angesiedelt. Es handelte sich nach „Alcina“ und „Hänsel und Gretel“ bereits um die dritte Produktion des studierten Anglizisten an der Wiener Staatsoper. Das Bühnenbild wurde durch mächtige, meist schräggestellte Seitenwände dominiert, die den Blick auf den Hintergrund (z.B. auf ein angedeutetes Meer) frei ließen. Dieser Raum wurde je nach Bedarf mit Requisiten bestückt: Otello und Desdemona im Liebesduett händchenwärmend an einem großen, von inwendigem Feuer erhitzen Metallkübel; oder eine Parkbank, die hereingetragen wird; oder Otello an einem Tisch vor einem leeren Teller sitzend, oder das große von weißen Kerzenreihen umrahmte Doppelbett im Finale (optisch der gelungenste Einfall). Zumindest auf der rechten Seitenwand sah man öfters Schatten, die bedrohlich verzerrend die Bewegungen der Protagonisten abbildeten – wenn Jago beispielsweise von seinem Traum berichtet. Dieses künstlerische Element wäre vielleicht „ausbaubar“ gewesen, um den wenig effektvollen und mit „viktorianischen“ Kostümen und Tropenhelmen aufgemotzten Bühnenrealismus zu durchbrechen. Viel psychologisches Feingefühl hat Noble den Figuren nicht angedeihen lassen: Vordergründige Eifersucht bestimmten den Charakter des – politisch korrekt und dramaturgisch falsch – nicht auf „dunkel“ geschminkten Titelhelden. Schon kleine Irritationen entzürnten ihn schwer, und Jago musste wenig Raffinement aufbieten, um Otello „einzukochen“. Der Abend hatte eigentlich nur zwei „starke“ Bühnenmomente: Am Schluss des dritten Aufzugs wischte Jago theatralisch seine schmutzigen Intrigantenfinger in Desdemonas Taschentuch ab – und Otello robbte im Finale der Oper sterbend im Doppelbett zu Desdemona, um ihr noch einen Abschiedskuss abzuringen. Doch was soll ich von einem Regisseur „Großartiges“ berichten, der Jago beim „Credo“ auf einem Bett liegend Zeitung lesen lässt? Jago entwickelte keine „dämonischen“ Züge, bediente die Intrige mehr subaltern-mechanisch, ohne sich dabei szenisch großartig zu profilieren. Und Desdemona ist ohnehin immer ein „Engel“ (der aber mangels soziokultureller „Awarness“ leider nicht kapiert, wie es um Otello wirklich steht). So nahm denn auch an diesem Abend die betrübliche Geschichte ihren Gang – und Noble hatte schlussendlich (bis auf ein paar nicht sehr eindrückliche Buhrufe) das Publikum hinter sich, das ihm und seinem Team (wenn auch nicht gerade enthusiastisch) applaudierte. Gesanglich schickt die Premierenserie eine verlässliche „Zweitbesetzung“ ins Rennen: Aleksandrs Antonenko hat den Otello schon 2008 bei den Salzburger Festspielen gesungen, 2010 an der Wiener Staatsoper. Er besitzt einen Tenor mit kräftiger, nicht allzu farbenreicher Mittellage, mehr pathetisch als psychologisch interpretierend (notierte ich damals und sah meine Meinung an diesem Abend bestätigt). In den letzten Jahren hat sich bei ihm allerdings das stimmliche „Kraftmeiern” verstärkt. Für sängerische Feinheiten war auch diesmal wenig Platz, und das Liebesduett im ersten Akt verursachte ihm stimmlich einige gröbere Probleme. Auch Olga Bezsmertna hat die Desdemona bereits an der Staatsoper gesungen. Sie steuerte einige schöne Piani bei, blieb aber im Ausdruck eher unter den Erwartungen – vor allem ihre schon etwas „unrund“ klingenden Spitzentöne wollten zur engelsunschuld Desdemonas nicht so recht passen. Vladislav Sulimsky lieferte bei seinem Hausdebüt als raustimmiger Jago sein „Pflichtteil” ab. Er war der Partie mehr Anwalt als großrtiger Gestalter. Jinxu Xiahou (Cassio) und Jogmin Park (Lodovico) ergänzten mit Niveau, Margarita Gritskova gab eine im Schlussbild etwas hysterisch wirkende Emilia. Phasenweise dürfte das unsensible Dirigat von Myung-Whun Chung die sängerischen Ausdrucksmöglichkeiten zu stark limitiert haben: forsch und straff manövrierte er mit dem Staatsopernorchester durch die Partitur, wobei er immer wieder viel zu laut und grell aufspielen ließ, ohne dadurch aber Spannung oder „Rührung“ zu erzeugen. Der Schlussapplaus von ca. elf Minuten Länge hat mich dann doch überrascht. |