OTELLO
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Wiener Staatsoper
26.1.2012

Dirigent: Dan Ettinger


Otello - Peter Seiffert
Jago - Franco Vassallo
Cassio - Marian Talaba
Roderigo - Peter Jelosits
Lodovico - Dan Paul Dumitrescu
Montano - Eijiro Kai
Desdemona - Krassimira Stoyanova
Emilia - Aura Twarowska
Herold - Ion Tibrea


„Gefangen im Netz der Intrige“
(Dominik Troger)

Einen Abend vor Verdis 111. Todestag gab man an der Wiener Staatsoper die vierte und letzte Vorstellung einer „Otello“-Aufführungsserie mit Peter Seiffert in der Titelpartie.

Die aus dem Jahr 2006 stammende „Otello“-Inszenierung von Christine Mielitz hat bekanntlich die Handlung um einen stilisierten Boxring angesiedelt - und Otello statt einem Schwert einen goldenen Boxhandschuh „in die Hand“ (und dem Publikum „aufs Aug“) gedrückt. Aber wie der Zufall so spielt, war Peter Seiffert in seiner Jugend Amateur-Boxer im Schwergewicht, großgewachsen, mit proportional passender Schulter- und Reichweite. Entsprechend athletisch trat sein Otello auf, eine Anführerpersönlichkeit, die unter den Soldaten furchteinflößenden Respekt genießt. Wenn Otello solcher Art gleich zu Beginn für Ordnung sorgt, dann hat das Gewicht.

Schon Jahrzehnte ficht Seiffert seine „Kämpfe“ nur mehr auf der Opernbühne aus. Den Otello hat er sich hier in Wien zum ersten Mal vorgenommen und als physisch sehr präsente und gesanglich zupackende Figur geformt. Zudem ist schon seit einigen Jahren sein hell timbrierter, im deutschen Fach „aufgewachsener“ Tenor in der „obersten Gewichtsklasse“ angekommen. Seinem Otello merkt man diese sängerische „Sozialisation“ natürlich an, aber er fügt sich mit dieser Leistung in eine ganze Reihe großer Heldentenöre, die am Otello – zum Glück für das Publikum – nicht „vorübergehen“ wollten. Seiffert erweckte in der Figur einen archaischen, leidenschaftlichen Zug, der sich von einem kräftigem „Esultate!“ bis zum Finale erstreckte und auch in der Liebe ein soldatisches Schild vorantrug. Die Außenseiterposition dieses Kriegsmannes wurde dadurch deutlich unterstrichen – auch die Ursprünglichkeit seiner Gefühlswelt.

Leider begann im Finale eine stimmliche Ermüdung hörbar zu werden, vielleicht hat Seiffert auch eines der vier schwarzen Netze aus der Konzentration gerissen, die in der Schlussszene aus dem Schnürboden herabfallen – wobei eines genau über ihm zusammenschlug, so dass Otello wie in einer Großwildfalle gefangen schien. Seiffert streifte die unliebsame Überraschung ab, aber von diesem Moment an war der sängerische „Flow“ gebrochen.

Sein Gegenspieler, Franco Vassallo, zehrte in der Bühnenpräsenz von Otellos Gegenwart. Denn in Seifferts Figurenportrait spiegelte sich Jagos Intrige so vortrefflich, dass die „intimen“ Zwiegespräche der beiden durchaus spannend zu verfolgen waren. Vassallos Bariton erwies sich zudem als gut geführt und angenehm anzuhören. Doch das „Glaubenskenntnis“ geriet ihm viel zu harmlos und undämonisch. Als sich unerbittlich in Otellos Psyche schraubende Triebfeder des Bösen wird man diesen Jago nicht in Erinnerung behalten.

Die Vorzüge der Desdemona von Krassimira Stoyanowa sind seit der Premiere dieser Produktion bekannt. Ihre Interpretation der Schlusszene ist jedesmal erneut berührend und mitreißend, nadelt Desdemonas Seele fest wie einen zarten Schmetterling, getrieben von naiver Schicksalsergebenheit und hoffnungslosem Aufbegehren. Neben Otellos großer Gestalt sah Desdemona diesmal noch verletzlicher und schutzbedürftiger aus – die beiden so unterschiedlichen Charaktere grenzten sich sowohl optisch als auch gesanglich sehr passend voneinander ab.

Der Cassio von Marian Talaba klang etwas hart erfochten und weniger nach potentiellem Liebhaber. Das restliche „Personal“ des Stücks spielt mehr eine periphere Rolle – und das war an diesem Abend kein Nachteil.

Dan Ettinger am Pult stieg ziemlich brutal in das Stück ein und forcierte eine nicht unbeträchtliche Lautstärke, die diesem Otello ein martialische und forsche Begleitung verpasste. Den Sängern tat das weniger gut.

Der Stehplatz war mäßig gefüllt, aber es waren viele Stammbesucher zugegen. Seiffert, Vassallo und Stoyanova erhielten bei ihrem Solovorhang starken Applaus und viele Bravorufe. Es war die 27. Aufführung dieser Produktion.