OTELLO
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Wiener Staatsoper
26.1.2010

Dirigent: Adam Fischer


Otello - Aleksandrs Antonenko*
Jago - Lado Ataneli*
Cassio - Gergely Németi
Roderigo - Wolfram Igor Derntl*
Lodovico - Sorin Coliban*
Montano - Hans Peter Kammerer
Desdemona - Krassimira Stoyanova
Emilia - Nadia Krasteva
Herold - Hiro Ijichi

(* Rollendebüt)

„Otello und Jago als Debütanten“
(Dominik Troger)

Die erste von vier Otello-Vorstellungen an der Staatsoper brachte eine Reihe von Rollendebüts. Als hautschwarzer Feldherr und als seelenschwarzer Jago stellten sich Aleksandrs Antonenko und Lado Ataneli dem Wiener Publikum vor.

Der lettische Sänger Aleksandrs Antonenko ist eine Neuentdeckung der letzten Jahre. 2008 war er bei den Salzburger Festspielen zu Otello-Ehren gekommen. Liest man die damaligen Kritiken, scheint sich der Sänger inzwischen deutlich weiterentwickelt zu haben. Er besitzt einen charakteristischen Spinto-Tenor, der mit kräftiger, nicht allzu farbenreicher Mittellage, einen „opernhaften“ Zug ins Pathetische pflegt. Antonenkos Otello besitzt die Ungeschlachtheit eines militärischen Anführers, der sich mit den Ränken der menschlichen Psychologie nicht auskennt.

Zweifelsohne liebt er Desdemona, aber er kann auf das sich zuspitzende Geschehen wohl nur im Rahmen seines militärischen Ehrenkodex reagieren. Deshalb gibt es von ihm am Schluss auch kein verinnerlichendes Schluchzen: das Gefühl übermannt ihn nicht, er geht erschüttert, aber standesbewusst in den Tod. Unglücklicherweise quälte Antonenko bei seinem Otello-Debüt eine Verkühlung, und er wurde bei Vorstellungsbeginn angesagt. Er hinterließ trotzdem einen sehr guten Eindruck.

Lado Ataneli gab einen soliden Jago, der im sängerischen gut reüssierte, im Ausdruck aber viel zu harmlos blieb. Bei seinem eher biederen Ränkespiel taten sich keine existentialistischen oder diabolische Abgründe auf. Sein etwas helles Timbre mag auch daran Anteil haben, dass sich kaum tiefgründigere Facetten zeigten: dieser Jago war aus ziemlich einfachem Holz geschnitzt.

Krassimira Stoyanovas große Stunde schlug im vierten Akt. Beim Weidenlied begann sozusagen der Baum zu blühen und tauchte doch schon in die fahleren Farben des Abschieds. Die verhängnisvolle Stimmung, dieses schaurigen Warten auf Otellos Erscheinen wurde von ihr wunderbar eingefangen. Die Kraft ihrer Interpretation zwang einen förmlich in diese Szene hinein. Ihr Sopran fand in diesen Momenten zu schwebender Ruhe, die auch im lyrischen, klagenden Ausdruck vorhielt. Vor der Pause klang ihre Stimme ein wenig unstet und nicht ganz so locker wie gewohnt. Ihr Timbre ist eher fest und klar, verklärt Desdemona nicht mit einer lieblichen, beseelten Süße: das Schicksal dieser Figur wirkt dadurch psychologisch durchgearbeitet und realitätsnaher. Es ging unter die Haut.

Hervorzuheben sind noch Nadia Krasteva, die mit ihrem saftigen Mezzo der Emilia ein ihr gebührendes Maß an Aufmerksamkeit sichern konnte. Gergely Németi teilte das Schicksal der meisten Cassios: sein Sänger ist im Otello nur der „zweite Tenor“. Das Orchester unter Adam Fischer spielte veristisch laut und für meinen Geschmack zu trocken, möglicherweise verfeinert sich die Darbietung in den folgenden drei Aufführungen noch ein wenig.

Die Inszenierung setzt in der 20. Aufführung kaum noch Akzente. Die beständigen Wolkenprojektionen ermüden, das Ambiente ist meist halbdunkel und optisch uninteressant, die Kostüme sind hässlich – auch Desdemona schaut in ihrem weißen Kleide unvorteilhaft aus. Von der Idee mit dem „Boxring“ zeugen noch einige Requisiten, aber so richtig konsequent war das schon in der Premiere nicht durchgezogen: für mich die misslungenste Arbeit von Christine Mielitz an der Staatsoper.

Der Schlussapplaus währte rund acht Minuten, viele Bravos für Stoyanova, etwas weniger für Otello und noch etwas weniger für Jago.