OTELLO
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Staatsoper |
Otello
- Andreas Schager |
Der Otello lockt Heldentenöre wie Siegfried der loheumwaberte Brünnhildenfelsen. Jetzt macht Andreas Schager an der Wiener Staatsoper einen „Ausflug“ zu Verdi. Mit Windstärke 12 tost Otellos Eifersuchtsorkan durchs Haus. Wenn Andreas Schager
den Sprung von den „Nordlanden“ ins venezianische Zypern wagt, wird er
erwartungsgemäß den Wagner-Helden schwer verleugnen können. Zulange
schon sammelt er seine Siegfriede und Tristane, als dass sein Tenor
sich in diesem Fach nicht bereits „verfestigt“ hätte. Noch dazu singt
Schager mit viel Freude am Totaleinsatz, überzeugt mit
Durchhaltevermögen und Lautstärke. Die feinsinnigeren Gefühlsäußerungen
der italienischen Oper haben es unter diesen Voraussetzungen schwer,
würde man sich doch auch bei einem Otello etwas mehr an tenoraler
Fülle, Geschmeidigkeit und Stil erhofft haben. Im
Gesamteindruck lebt seine Darbietung von beeindruckenden Spitzentönen,
von Zornausbrüchen, die wie ein Gewitter aufziehen und sich entladen,
die Stimme in der Attacke leicht grell getönt und teils von
langwelligem Vibrato begleitet. Schager stellt sich der Herausforderung
ohne Rücksicht auf Verluste. Im Finale des zweiten Aktes gehen zwei,
drei Töne daneben, aber das ist nur ein „Kollateralschaden“ auf dem
Siedepunkt tenoraler Rachegefühle. Jago muss bei diesem reizbaren
Zeitgenossen keine dicken Bretter bohren, um ihn zu vernichten. Eine
psychologische Entwicklung des Bühnencharakters ist kaum auszumachen
und durch die Inszenierung von Adrian Noble wird diese etwas
schablonenhafte „Otello-Aneignung“ eher noch verstärkt. Vor
vier Jahren hat mit Stephen Gould ein ähnliches Heldentenorkaliber in
dieser Produktion den Otello gegeben (auch nicht auf Mohr geschminkt),
hat aber nach meinem Eindruck die Zeichnung des Charakters als
naiv-bigotten Menschen schlüssiger getroffen. Insofern hatte Gould
mehr anzubieten als den reinen Furor der Eifersucht, dem Schager in
dieser Aufführung ein bisschen „überdeutlich“ verfallen ist. Igor Golovatenko
blieb mit seinem ansprechenden Bariton als Jago ein zu ungefährlicher
Gegenspieler: war vor allem ein Offizier, der sich zurückgesetzt fühlt.
Die von der Figur bemühte Kreativität des Bösen und ihre
philosophischen Überlegungen im „Credo“ beschworen keinen
„gänsehauterzeugenden“ Nihilismus. Nicole Cars große
Stunde schlug im vierten Akt, von Schagers stimmlicher Otello-Präsenz
enthoben, erklangen Weidelied und Gebet Desdemonas mit gebotener, das
Publikum rührender Schicksalsergebenheit. Im dritten Akt ließ sie
selbstbewusst Otellos Demütigung über sich entgehen, die innere
Verzweiflung und Abscheu über die erzwungene Erniedrigung hat sie
überzeugend vermittelt, blasser gerieten der erste und der zweite Akt.
Gegenüber den Genannten und dem übrigen Ensemble fiel nur der Cassio
von Alessandro Liberatore im Verhältnis zur Bedeutung seiner Partie deutlich ab. Am Pult entfachte Giampaolo Bisanto
einen mächtigen Sturm am Beginn der Oper, aber was folgte war kaum mehr
als eine routiniert abgespulte Repertoirevorstellung. Der Applaus war
nach fünf Minuten vorbei und auch die Bravorufe hielten sich in
Grenzen. Die Inszenierung verlegt die Handlung ins britische Empire, was nicht so recht überzeugt, aber zumindest das kerzenerhellte Schlussbild erfüllt Desdemonas Klagen mit optischer Wärme und Melancholie. Die letzte der drei Vorstellungen folgt am Pfingstmontag. Nächste Saison ist kein „Otello“ angesetzt. |