OTELLO
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Wiener Staatsoper
27.01.2001
100. Todestag von Giuseppe Verdi


Dirigent:
Marcello Viotti

Otello, ein Mohr, venezianischer Feldherr - José Cura
Desdemona, Otellos Gemahlin - Soila Isokoski
Jago, Fähnrich - Renato Bruson
Cassio, Hauptmann - John Dickie
Emilia, Jagos Gemahlin - Margarethe Hintermeier

José Cura Showmaster
(Dominik Troger)


Buhs gab es an diesem Abend nur für den Direktor höchstpersönlich, der zu Beginn unvermutet vor den Vorhang trat. Die erwartete Indispositionsankündingung entpuppte sich dann als fünfminütiger Lehrvortrag über Verdis Tod und seine Bedeutung für die Oper. Nachdem der Direktor des Hauses das Publikum derart zu Tränen gerürt hatte "300.000 Menschen wohnten Verdis Begräbnis bei..." etc. konnte es losgehen - und Marcello Viotti am Pult ließ es gleich mal richtig losknallen!

Die Spannung im ausverkauften Haus war zum Greifen, die Stimmung durch diverse Zeitungsberichte aufgeheizt. Und nachdem das erste Bild noch mehr dem allgemeinen Einsingen gedient hatte, schlug beim Liebesduett Othello-Desdemona die erste Stunde der Wahrheit. José Cura, dem diese ganze Aufmerksamkeit hauptsächlich galt, entpuppte sich rasch als showmasterartig über die Bühne schreitender Laufsteg-Othello. Weil man dahinter aber auch eine verliebte Geckenhaftigkeit des venezianischen Feldherrn vermuten konnte, stört es zu Beginn noch nicht sonderlich. Curas Stimme ist nicht ohne diesem gewissen, schwer zu definierenden Etwas, dass Tenöre einfach haben müssen, um populär zu werden. Es ist eine Sache des Timbres und der allgemeinen Erscheinung. Es ist - zumindest bei Cura - keine Sache der Technik. In seinem "Drauf-los-Singen" entpuppt er sich als Naturtalent. Nun hat aber, was manche im Vorfeld angezweifelt haben, Cura diesen Othello ohne Zweifel "gesungen" und das durchaus passabel, wenn man es an den produzierten Noten mißt. Dass seine Technik sehr ungeschliffen ist und man fürchten muss, dass er sich bei weiterem expansiven Singen innerhalb weniger Jahre ruiniert, steht auf einem anderen Blatt.

Vor allem der Vergleich mit Renato Bruson (Jago) und Soila Isokoski (Desdemona) zeigte diesen Par-force-Ritt, der hier gewagt wurde. (Ja, warum tut er das wirklich und singt den Othello schon jetzt?) Renato Bruson ist als Jago ein bisserl zu brav, er fand erst im Laufe des Abends zu schärferen Konturen, hinterließ aber zuletzt - wie immer möchte man schreiben - einen hervorragenden Eindruck. Soile Isokoski überzeugte als hingebungsvolle Desdemona und mit einem sehr weich gesungenen Weide-Lied vor ihrem bitteren Ende, das innig und verhalten zugleich, durch das gespannt-lauschende Auditorium wehte.

Marcello Viotti ließ des öfteren nicht von zu heftiger Lautstärke ab und nahm den Othello überhaupt sehr veristisch, knallig. Das Orchester war willig und ließ sich da und dort zu einem differenzierten Spiel hinreißen, was man im italienischen Fach leider immer seltener zu hören bekommt. Zu guter Letzt war das Publikum zufrieden, der Applaus verteilte sich ziemlich gleichmäßig über die drei Hauptdarsteller, auch der Dirigent wurde gefeiert. Die ganze Aufregung im Vorfeld muß freilich einer gut geölten PR-Maschinerie zugerechnet werden, zumindest da scheint Cura weltmeisterlich zu sein.

Geteilte Kritiken gabs in den Medien: "Zum Todestag Verdis gab man in der Wiener Staatsoper "Otello" - und zwar durchwegs so, daß dem aufmerksamen Beobachter um die Zukunft der Oper bange werden müßte", befand beispielsweise Wilhelm Sinkovic in der Presse. Für ihn ist Cura ein "brillant vermarkteter, in seiner stimmlichen Präsenz aber höchst eindimensionaler Sänger", dem es an der nötigen Differnzierung mangelt.

Monika Mertl in den Salzburger Nachrichten vom 29.1. notiert hingegen: "Nun ist Cura längst mehr als nur eine Hoffnung, und seine große, prächtige Stimme mit ihren satten, dunklen Farben entspricht nahezu perfekt jenem Typ der "voce scura", die den idealen Verdi-Tenor ausmacht."

Peter Vujica konnte sich im Standard vom 29.1. die Bemerkung nicht verkneifen, dass wegen des Jubels die "Wiener Cura Enthusiasten beinah glanzvoller als dieser in seiner Partie" brilliert hätten. Wobei er Cura grundsätzlich einen "eindrucksvollen Otello" zugesteht. Zwar klangen"im ersten Akt manche Töne so, als wären sie noch auf Herbergsuche zwischen Kopf und Brust", aber Curas psychologische Darstellung als "kriegsmüder Heimkehrer" hätte das weitgehend neutralisiert. Viel Lob auch für das Orchester und Marcello Viotti.