NABUCCO
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Wiener Staatsoper
8. Juni 2024

Dirigent: Giampaolo Bisanti


Nabucco - Amartuvshin Enkhbat
Ismaele - Ivan Magrì
Zaccaria -
Marko Mimica
Abigaille - Anna Pirozzi
Fenena - Szilvia Vörös
Oberpriester - Evgeny Solodovnikov
Abdallo - Agustín Gomez
Anna - Anna Bondarnko


Spiritistisches Déjà-vu
(Dominik Troger)

Nabu-kudurri-usur II. herrschte einst im alten Babylon – Giuseppe Verdi hat ihn auf der Opernbühne als „Nabucco“ unsterblich gemacht. Die Wiener Staatsoper hat das Werk jetzt wieder in den Spielplan aufgenommen.

An der Staatsoper trägt Nabucco immer noch den blauen „Berlusconi-Anzug“, den ihm Regisseur Günter Krämer im Jahr 2001 verpasst hat. Der Medienzar und Politiker, auf den Krämer damals angespielt hat, ist voriges Jahr verstorben. Insofern ermöglicht die Wiener Staatsoper ein „spiritistisches“ Déjà-vu mit einer schillernden Figur der italienischen und europäischen Politik. Und Krämer wird dabei mehr an den sich selbst vergöttlichenden Nabucco des zweiten Akts gedacht haben („Non son più re, son dio“) und weniger an den im Finale durch das Schicksal geläuterten Herrscher.

Die Inszenierung stammt noch aus der Direktion Ioan Holender – und dass der Staatsoperndirektor i. R. seit einigen Jahren keine Gelegenheit auslässt, um gegen das sogenannte „Regietheater“ ins Feld zu ziehen, beweist, dass nicht nur babylonische Könige, sondern auch Operndirektoren einen Prozess der Läuterung durchlaufen können. Ob diese Gnade künstlerischer Selbsterkenntnis auch der derzeitigen Direktion baldigst zu Teil wird, ist allerdings ungewiss.

Die Aufführung selbst begann mit einer etwas zerdehnten Ouvertüre und die akustische Feinabstimmung war verbesserungswürdig. Giampaolo Bisanti am Pult sorgte in Folge durchaus für Spannung, der Gesamteindruck blieb etwas laut und grobschlächtig, auch wenn sich die Celli einmal mehr ins Gemüt des Publikums spielten.

Die Besetzung war teils erprobt, teils kamen für Wien neue Kräfte zum Einsatz. Marko Mimica gab als Zaccaria sogar sein Hausdebüt: eine etwas trocken timbrierte, vielversprechende Basstimme. Ivan Magrì feierte als Ismaele sein Wiener Rollendebüt. Magrì ist an der Staatsoper erst je zweimal als Pinkerton und als Herzog aufgetreten. Seine Stimme besitzt eine leicht spröde tenorale Robustheit, die schnell etwas grell färbt, und mehr den Zweck erfüllt, als Herzen zum Schmelzen bringt.

Robust ist auch das Stichwort für Anna Pirozzi, deren Energie ein vitaler und notwendiger Bestandteil dieser Aufführung gewesen ist. Sie stellte eine Abigaille mit Saft und Kraft auf die Bühne, böse und hintertrieben, eine assyrische Verwandte der berühmten Lady aus Schottland. Und im Finale hatte sie für die Figur sogar noch einige Momente der Rührung übrig. Zwar kann ihr Sopran die eifrige Pflege des Spintorepertoires inzwischen nicht mehr verhehlen, aber ihre Spitzentöne waren raumfüllend und nagelten die Zuhörer gleichsam in den Sitzen fest. Der theatralische Effekt kommt bei ihr wahrlich nicht zu kurz.

Amartuvshin Enkhbat hat den Nabucco bereits 2021 in Wien mit Erfolg gesungen. Er zählt derzeit zu den raren Bühnengrößen in einem oft mit zu leichten Stimmen besetzten Fach. Am meisten überzeugt sein Bariton, wenn er ihn mit leichtem Nachdruck einsetzt. Dann weckt er Erinnerungen an bedeutende Verdibaritone aus alten Opernzeiten. In lyrischen Passagen geht die Prägnanz etwas verloren, eine leicht gaumige „Umwolkung“ gesellt sich hinzu, und der Vortrag bleibt zu einförmig, als dass die eben geweckten Erinnerungen sich ganz in der Gegenwart manifestieren könnten. Szilvia Vörös steuerte ihre erprobte Fenena bei. Der Staatsopernchor ließ den „Gedanken schweben“ und das Publikum war zufrieden.

Im ersten Akt kollerte eine Getränkeflasche auf der rechten Galerieseite zwei oder drei Stufen mit schöner Klangentfaltung abwärts. Der starke Schlussapplaus war nach fünf Minuten vorbei.